Clubs kämpfen um ihre Existenz

20. Juli 2020 / Erstlingswerk

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Illustration: Max Kesslau / maxkesslau.de

Carolina schließt die Eingangstür zu einem leer stehenden Saal auf. Wo sonst normalerweise gefeiert wird, ist jetzt nichts mehr los. Der Hannoveraner Club Zaza ist von den Corona-Einschränkungen stark betroffen.

Von Katharina Stein

Das Zaza besteht in Hannover bereits seit 28 Jahren und normalerweise versammelt sich dort von montags bis samstags auf ein bunt gemischtes Publikum. Betriebsleiterin Carolina fasst die momentane Lage zusammen: „Die Schließung durch Corona trifft uns natürlich hart. Seit dem 18. März haben wir keinerlei Einnahmen, wir leben zurzeit von null Euro. Viele Leute vergessen, wie viel so ein Club eigentlich kostet – man zahlt weiterhin Miete und natürlich Steuern. Da kommt viel zusammen.“

Seit dem 16. März sind alle Freizeit- und Kultureinrichtungen vorübergehend geschlossen und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Viele Clubbesitzer/innen ringen um das Bestehen ihrer Location. Ob und wie es für sie nach der Pandemie weitergeht, ist ungewiss. Anfang April teilte die Stadt Hannover mit, dass sie ein Förderprogramm für ansässige Unternehmen und Freiberufler/innen auf die Beine stellt. Mit einer Fördersumme, die 10 Millionen Euro umfasst. Auch viele Clubs stellten Anträge auf die Förderung. Jedoch wurde bereits am 7. April die Nachricht verkündet, dass das Soforthilfeprogramm ausgeschöpft sei und keine neuen Anträge mehr gestellt werden könnten. Carolina äußert sich kritisch: „Momentan ist unsere erste Förderungsanfrage noch nicht einmal durch, da muss man eigentlich schon die nächste beantragt haben. Die Gelder sind viel zu gering! Ich glaube, man hat bei der Wahl der Förderungsgrenze vergessen, wie hoch die Miete für einen Club allein ist. Das fängt man nicht mal eben mit 2.000 Euro ab.“

„Mit Abstandsregelungen hat ein Club gar keine Atmosphäre mehr.“

Seit dem 11. Mai dürfen in Niedersachsen Gastronomiebetriebe wie Cafés, Restaurants, Biergärten und Gaststätten ihre Türen wieder öffnen. Auch Spielplätze, Museen, Zoos und Kirchen empfangen wieder Besucher/innen. Für Clubs gibt es bislang keinerlei hoffnungsvolle Aussichten, ihre Schließung erfolgte auf unbestimmte Zeit. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Einhaltung von Hygienestandards in Clubs nur schwer umsetzbar ist. Auf Tanzflächen stehen Menschen normalerweise eng beieinander. Es wird geredet, gesungen, geflirtet und gefeiert. Ein halbleerer Club, in dem alle Menschen mit 1,5 Meter Abstand zur Partymusik tanzen, klingt hingegen gleich viel weniger attraktiv. „Wir haben normalerweise eine Kapazität von 400 Besuchern. Wenn ich jetzt mit Abstandsregeln arbeiten würde, kriege ich hier wahrscheinlich nur noch 40 Leute rein. Erstens ist das total unwirtschaftlich und zweitens hat ein Club so auch gar keine Atmosphäre mehr“, findet Jürgen Grambeck, Geschäftsführer des Béi Chéz Heinz Veranstaltungszentrums.


Auch für das Béi Chéz Heinz war die durch Corona bedingte Schließung erst einmal ein harter Schlag. Der Club nutzt die momentane Zeit ohne Gäste, um die Räumlichkeiten zu renovieren. Zusätzlich entwickelte Jürgen Grambeck kreative Wege, um die Räumlichkeiten auch ohne Veranstaltungen im Stand-by-Modus halten zu können. Ganz nach dem Motto „besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen“ wurden bestehende Getränkevorräte mit eigenem Lieferservice verkauft, zu Spenden aufgerufen und das Soli-Heinz-Ticket eingeführt. Das Soli-Heinz-Ticket kann von den Kunden/innen nach der Pandemie für Veranstaltungen im Béi Chéz Heinz eingelöst werden. Sein Konzept geht auf: „Mit dem Soli-Ticket haben wir bislang 11.000 Euro eingenommen. Zusammen mit den Spenden, den staatlichen Förderungsgeldern und dem Verkauf unserer Getränkevorräte sind wir erst einmal finanziell abgesichert bis Ende August“, erklärt Grambeck. Als nächstes ist sogar ein Gebrauchtwaren-Basar in Planung. Dort werden von Kunden gespendete Gegenstände verkauft, deren Erlöse direkt für den Erhalt des Clubs eingesetzt werden.

„Ein Drittel der Touristen kommt nicht wegen der tollen Shoppingmöglichkeiten nach Berlin, sondern wegen des Nachtlebens.“

Doch nicht nur die Hannoveraner Clubszene wird kreativ – deutschlandweit wird nach Lösungen gesucht, um die Kulturschaffenden durch die Krise zu bringen. Eine dieser Lösungen ist auch United We Stream. Ein Live-Streaming-Angebot, das in Zusammenarbeit mit ARTE DJ- und Konzertauftritte aus leeren Veranstaltungsorten weltweit überträgt und somit die Party ins Wohnzimmer holt. Und die Originalität zahlt sich aus – inzwischen wurde eine halbe Millionen Euro an Spendengeldern durch die täglichen Streams eingenommen, die natürlich der Clubszene zugutekommt. United We Stream ist ein Projekt der Clubcommission Berlin e.V., das weltweit inzwischen so überzeugt, dass es auch für Amsterdam, Hamburg, Leipzig, Manchester, Wien und viele andere Städten adaptiert wurde.


Trotz dieses großen Erfolges bleibt Lutz Leichsenringer, Pressesprecher der Clubcommission Berlin e.V. und Initiator des Projekts, realistisch: „United We Stream wird die Clubszene nicht retten – das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir können höchstens ein paar finanzielle Löcher stopfen.“ Ihm zufolge kann so aber die Clubszene unterstützt werden, die oftmals mit einprozentigen Margen, nur geringen finanziellen Rücklagen, prekären Mietsituationen und einer deshalb besonders geringen Chance auf ein Darlehen kämpft. Für Leichsenringer ist klar, dass Clubs nicht nur eine mögliche Abendgestaltung sind, sondern gesellschaftliche Relevanz haben: „Durch Clubs gibt es geschützte Räume für Gruppen und Szenen. Außerdem entstehen dort Arbeitsplätze – in Berlin allein arbeiten bis zu 9.000 Menschen in Clubs und 20.000 Künstler treten in ihnen auf. Hinzu kommt der ästhetische Faktor in der Stadtentwicklung und -gestaltung. Ein Drittel der Touristen kommt nicht wegen der tollen Shoppingmöglichkeiten nach Berlin, sondern wegen des Nachtlebens.“

Für den Tag der Wiedereröffnung im Zaza wünscht sich Carolina nur eins: „Ich hoffe, dass die Leute dann einfach mal so richtig abfeiern. Ihr Handy in der Tasche lassen und ihr Geld ausgeben. Das haben die Menschen, aber auch die Clubs einfach verdient.“

Erstlingswerk

Dieser Beitrag ist Bestandteil der Kooperation von radius/30 mit dem 2. Semester des Journalismus-Studiengangs der Hochschule Hannover unter Leitung von Prof. Stefan Heijnk, der freien Journalistin Sonja Steiner, Programmierer René Aye von Pyropixel und dem DJV Niedersachsen.

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