
Text und Bilder: Carmen Eickhoff
Vor fünf Jahren eröffnete Anfang März der Dorfladen in Bokeloh bei Wunstorf. Obwohl die Eröffnung mit der Corona-Pandemie zusammenfiel, hat sich der Dorfladen besser etabliert als vergleichbare Projekte. radius/30 Reporterin Carmen Eickhoff hat sich in Bokeloh umgeschaut und ein Tante-Emma-Paradies mit viel Herzblut vorgefunden.
Dorfladen Bokeloh, Dienstagmorgen, 6.30 Uhr, vis-à-vis des großen Kalibergs am Steinhuder Meer, es ist noch dunkel. Bereits um 6 Uhr hat der Lieferwagen der Einkaufsgemeinschaft BELA die Trolleys mit frischer Ware gebracht. Zwischen den Regalen des kleinen Ladens „machen“ gut gelaunt drei Ehrenamtliche, Cornelia und Andreas Kiewitz sowie Elke Fieber, MoPro (Molkereiprodukte), Wurst und Gefriertruhen. Ein weiterer Kollege hat diese Woche Urlaub, die drei übernehmen seinen Abschnitt und bestücken auch Süßwarenregal und Co.
Den Kassenbereich samt Backwarenverkauf bereitet heute Carolin Senff vor, sie ist eine von rund zehn angestellten Kräften im Dorfladen. Die Ehrenamtlichen, zu denen auch ein Küchenteam und eine Art Hausmeistergruppe gehören, zählen fast 60 Personen.
Noch vor Ladenöffnung um 7 Uhr schaut Jörg Brumann auf einen Kaffee vorbei und tauscht sich schnell mit den anderen aus. Im gelb-roten DHL-Dress ist er jetzt auf dem Weg zur Arbeit und fährt häufig nach Feierabend ehrenamtlich für den Dorfladen. „Regionales Obst hole ich in der Saison vom Hof Brüggenwirth aus der Nähe, Spargel aus der Gegend, auch Erdbeeren. Wenn wir Lieferfahrten für Kunden haben, ist das auch meine Aufgabe. Die Leute kommen ja nur im Notfall nicht selbst in den Laden, wenn sie krank sind.“ Morgens auf einen Kaffee reinschauen gehört für ihn dazu, wie auch für viele andere aus dem Dorf der tägliche Besuch im Laden fest zum Tagesablauf gehört. Manche kommen als Kunden, manche gehören zu einem der Teams und kommen trotzdem zwischendurch zum Einkaufen oder um sich zu treffen.
Treue Stammkunden schon frühmorgens
Morgens drängt die Zeit hier nicht, im Gegenteil: Die Ehrenamtlichen freuen sich über die Ersten, die täglich pünktlich vor der Tür stehen. Beim Verräumen der Ware plaudern sie mit der 90-jährigen Frau Hartmann, Stammkundin seit dem ersten Öffnungstag vor fünf Jahren mit besonderer Lieblingseinkaufszeit: „Gleich um 7 Uhr morgens, dann liegt die Zeitung auch schon bereit für mich und zu Hause lese ich dann. Die Zeitung haben wir schon immer täglich geholt.“ Alle im Team wissen das und wenn treue Kunden wie Frau Hartmann nicht zur üblichen Zeit erscheinen, wird angerufen oder ein Abstecher nach Hause gemacht.
In Bokeloh wohnen 2.300 Menschen, 20 Jahre mussten sie ohne Lebensmittelmarkt auskommen. Als die Dorfgemeinschaft mit vereinten Kräften die Lücke geschlossen hatte und tatendurstig Anfang März 2020 das Gemeinschaftsprojekt öffnete, kam nach einer Woche der erste Lockdown und eine völlig unerwartete Herausforderung trat ein.
„Vielleicht war das aber auch eine Chance“, resümiert einer der fünf ehrenamtlichen Geschäftsführer, Matthias Waterstradt. „Hier kannte man sich, man hatte Vertrauen in die anderen Menschen und kam trotzdem mit einem guten Gefühl her. Das war auch Sicherheit.“
Eigenes Gebäude als Fundament
Das Gebäude an der Hauptstraße, in dem sich der Dorfladen befindet, hat die eigens gegründete Unternehmergemeinschaft von der ehemaligen Sparkasse gekauft. Einen Fuhrpark gibt es nicht, Besorgungen und Lieferfahrten werden mittels Privatwagen der Ehrenamtlichen erledigt. Einige Produkte wie Marmelade, Honig, Wurst und Backwaren bringen die benachbarten Erzeuger selbst vorbei. Eine vermietete Wohnung im Gebäude, Pacht für die Geldautomaten, Solarpaneele auf dem Dach, hilfsbereite Sponsoren und zahlreiche Anteilsscheine ab 200 Euro sind weitere Finanzierungssäulen in Bokeloh.
Dorfläden sind mehr als nur ein Geschäft – sie sind ein sozialer Treffpunkt und ein wichtiger Bestandteil des Dorflebens. So auch in Bokeloh: regionale Lebensmittel, Serviceleistungen wie Lotterieverkauf, Hermes, Bücherschrank und Geldautomat und eine Café-Ecke machen den Laden zum beliebten Treffpunkt. „Donnerstags hat die Turngruppe des DRK nach dem Turnen hier Stammtisch“, weist Mitarbeiterin Carolin Senff auf das DRK-Stammtisch-Schild für die Reservierung. Mit gutem Blick auf den Eingangsbereich wird dann geklönt und manch weiteres Gespräch ergibt sich, wenn Bekannte in den Laden kommen.
Spezialitäten und Erfahrungen fürs Leben
Tägliche, großzügige Öffnungszeiten von 7 bis 18 Uhr und samstags bis 14 Uhr sind ein Garant dafür, dass der Laden vergleichsweise wenig Sorgen hat. Spezialitäten wie Garnelen aus Europas größter, nachhaltiger Aquakultur um die Ecke, ein beliebter selbstgemachter Eiersalat und die hausgemachten Kuchen und Torten von Donnerstag bis Samstag haben sich herumgesprochen. Für diese Produkte kommen Kundinnen und Kunden auch von außerhalb. Im Wesentlichen sind es aber die Menschen aus dem Ort, die hier einkaufen.
Unbezahlbare Erfahrungen machen auch die Jüngsten im Dorfladen. Mit ihrem Taschengeld kommen die Grundschulkinder eigenständig her, kalkulieren Wünsche, zählen Bargeld ab und kontrollieren Wechselgeld. Diese elementaren Erfahrungen sind jüngeren Kindern nur noch in wenigen Dörfern so niedrigschwellig möglich.
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… finden Sie in der radius/30 Ausgabe April/Mai.