Spotify – Fluch oder Segen?

16. Juli 2021 / Erstlingswerk

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Spotify ist auf den meisten Smartphones zu finden

Spotify – der Streamingdienst bietet eine scheinbar unendliche Auswahl von Musik: über 60 Millionen Songs, Podcasts und Hörbücher. Durch Spotify ist Musik mehr denn je für Menschen in aller Welt erreichbar. Wie vor Spotify Musik gehört wurde, wie der Streamingdienst die Musikwelt grundlegend veränderte und wie vor allem unbekanntere Künstler*innen den Dienst bewerten – das alles erfahren Sie in diesem Bericht.

Die junge Musikerin „Mele“ aus Hannover sagt zu dem Streamingdienst: „Ich bin da sehr zwiegespalten. Einerseits finde ich es super cool, dass man die Möglichkeit hat, so unterschiedliche Musik zu hören und sich ganz individuell seine eigene Playlist erstellen kann. […] Andererseits hat mich in der letzten Zeit der geringe Frauenanteil in Playlists extrem wütend gemacht. Ein anderes Thema ist dann natürlich noch die extrem schlechte Bezahlung.“ Bevor es Online-Streamingdienste gab, wurde Musik ausschließlich analog verkauft und gehört. Ob auf Schallplatten oder CDs – Tonträger waren das A und O. „CDs lassen wir zum Beispiel gar nicht mehr pressen“, so Mele. Mit den Anfängen des Internets kam jedoch ein Problem auf: Piraterie. Titel wurden von CDs kopiert und kostenlos auf Internetportalen zum Download zur Verfügung gestellt. Programme wie „Napster“, „LimeWire“ oder „eMule“ waren erste „Peer-to-Peer“-Tauschbörsen, bei denen jeder unter Pseudonym-Titeln wie  „Grmblfx100“ Tracks auf die Festplatte laden konnte. Doch das Internet wurde klüger und die Hacker kreativer. Bald gab es Filesharing-Programme wie „RAPIDSHARE“, die waren zuverlässiger in ihrem Kontent, aber immer noch zeitaufwändig und oft wurden Links aufgrund von Klagen gelöscht. Ständig jagten Musiklobby und Justiz die Verantwortlichen der Seiten und immer waren diese einen Schritt voraus.

Spotify
Die Sängerin Mele aus Hannover.

Gamechanger Spotify

Die Schweden Daniel Ek und Martin Lorentzon brachten 2006 den Streaming-Dienst Spotify heraus, um damit der illegalen Musikpiraterie ein Ende zu setzen. Schnell erkannten die Labels das Potenzial des Dienstes und rapide wuchs das Angebot an Künstler*innen, die auf Spotify kostenlos zu streamen waren. Das alles schnell, sicher und einfach. Schon 2011 schaffte Spotify einen Umsatz von 188 Millionen Euro. Die Musikpiraterie sank um knapp 90 Prozent in den ersten 2 Jahren seit Erscheinung von Spotify. Doch es gibt wie so oft zwei Seiten des Ganzen.

Zwei Seiten der Medaille

Für Konsument*innen eröffneten sich neue Welten, für Künstler*innen kamen neue Probleme auf, vor allem um das Thema Geld. Zunächst gehen nur 70 Prozent der Einnahmen durch Spotify an die, die die Nutzungsrechte des Songs innehaben. Das sind ohnehin schon nur 0,001 Cent pro Klick (Quelle: Spotify). Doch das sind meistens nicht die Künstler*innen, sondern die Labels, denen sie angehören. Die Labels behalten wiederum einen Teil der Einnahmen für Produktion, Vermittlung und Vertrieb. Und das hat auch Gründe. So sagt Mele dazu: „Ich bin sehr dankbar für mein Label. Ohne diese Menschen würde ich meine Musik viel schlechter vermarkten können.“ Erst dann kommen die Künstler*innen.

Und genau hier liegt das Problem. Spotify lohnt sich oft nicht. Es lohnt sich noch für die großen Labels wie Sony, Universal und Warner, da diese enorm viele Künstler*innen unter Vertrag haben, aber es lohnt sich kaum für die Künstler*innen dahinter. Das berichten viele, darunter Weltstars wie Taylor Swift, aber auch bekannte deutsche Künstler*innen wie Die Ärzte, Sven Regener und Herbert Grönemeyer. Viele dieser großen Musiker*innen entscheiden sich deswegen auch aktiv gegen den Streaming-Dienst und setzen weiterhin auf Platten-Verkäufe und Konzerte. Auch der von Mele kritisierte geringe Frauenanteil ist ein Problem des Dienstes. Tatsächlich ergab eine Studie der Southern University California, dass nur rund 20 Prozent der Künstler*innen in den Top-Playlists der Plattform weiblich sind. „Ich als Frau habe es einfach generell schwieriger einen gewissen Bekanntheitsgrad zu errreichen“, so Mele.

Es gibt Millionen von kleineren Artists, die gerade erst am Anfang ihrer Karriere stehen und sich aus der Masse herausbewegen wollen. Vor allem: Sie müssen ein Publikum erreichen. Für viele erscheint Spotify hier alternativlos. Mele sagt hierzu: „Ein Vorteil ist auf jeden Fall, dass man auf diesem Weg seine Musik leicht zugänglich machen kann, weil fast jeder Spotify oder andere Streaming-Dienste nutzt. Man muss keine CD mehr einlegen oder eine Platte auflegen. Ein Nachteil ist natürlich, dass man viel weniger CDs verkauft und es somit mühsamer wird, mit seiner Kunst Geld zu verdienen.“

Müssen Musiker*innen heute also erst ein riesiges Label hinter sich haben, damit sich die eigene Kunst lohnt? Was würde Mele gerne an Spotify ändern, wenn sie könnte? „Spotify ist extrem günstig dafür, dass man eigentlich Zugriff auf jegliche Musik hat. Ich fände es daher cool, wenn man vielleicht die Möglichkeit hätte zu spenden, wenn ein Album oder eine EP neu erscheint. Vor allem für kleinere Künstler*innen. Außerdem fände ich es super, wenn weibliche Musiker*innen mehr gefördert würden. Aber generell sind wir da auf einem guten Weg.“

Autor: Lars Wilke

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