
Text: Carmen Eickhoff
Ronald Clark (68) ist Direktor der Herrenhäuser Gärten a. D. und wohnt seit gut 30 Jahren in der Oststadt von Hannover. radius/30 traf Ronald Clark in einem Café am neu gestalteten Weißekreuzplatz zum Interview.
radius/30: Hallo, Herr Clark, danke, dass Sie sich für uns Zeit nehmen!
Ronald Clark: (lacht) Das ist kein Problem, es ist Winter und ich bin im Ruhestand, außerdem wohne ich in der Nähe. Es macht mir keine Umstände.
Wir sind über die Offene Pforte auf Sie und Ihren besonderen Privatgarten hier in der Oststadt aufmerksam geworden.
Oh ja, bei der Offenen Pforte haben wir schon oft mitgemacht. Dieses Jahr mal nicht, aber letztes Jahr waren über 200 Besucher:innen da. Da es keinen Durchgang zum Hinterhof gibt, werden alle durch eine Art Waschküche im Keller bugsiert. Die Alternative wäre, alle durch unser Wohnzimmer zu schicken. Das muss dann aber nicht sein, es geht ja um den Garten.
Ein Garten, den man so wirklich nicht hier mitten in der Stadt erwarten würde. Gestaltet, vielfältig, üppig.
Es sind 300 Quadratmeter, die wir vor etwa 30 Jahren übernommen haben, da sah er noch ganz anders aus. Inzwischen ist er so gut wie komplett ausgetauscht. Zuerst sind Ahornbäumchen gewichen, damit mehr Licht in den Garten kommt. Wir sind die Hauptnutzer des Gartens und die Mieter in den Wohnungen über uns freuen sich über den Ausblick. (Clark zeigt in einer Karten-App auf dem Handy die 3D-Darstellung der Lage) Den Vorgarten gestalten wir auch.
Zu jeder Seite ist Ihr Garten von mittleren bis hohen Mauern oder Häusern umgrenzt, er kriegt nicht viel Sonnenlicht.
Im Sommer haben wir viele Stunden Sonne, das heizt die eine Mauer sehr auf, da gedeihen auch wärmeliebende Gewächse. Für jede Sonnen- oder Schattenlage finden sich Pflanzen. Wenn Gartenbesitzer:innen sagen, dass irgendwas nicht geht, entkräfte ich das, gucke in meinen Garten und kann sagen: Doch, bei mir zu Hause geht es doch auch!
Ihr Garten ist eher ein Blumengarten, zum Anschauen, kein Nutzgarten – (wird unterbrochen)
Doch, durchaus auch ein Nutzgarten! Quitten und Mandelbäumchen, Feige, Hochbeet, Gewächshaus, die üblichen Gartenkräuter, ein schöner Garten mit Nutzungscharakter. Aus den Quitten mache ich immer Chutney. Von einer Aprikose haben wir uns getrennt, sehr pelzige Früchte, wenn sie auch gut duften. Jetzt im Winter ist er natürlich nicht so farbenprächtig anzusehen. Die Bilder sind aus den letzten Sommern.
Was ist die Winterbeschäftigung eines Gärtners wie Ihnen, es ist ja deutlich weniger zu tun?
Man geht seltener durch den Garten, aber ich empfinde nicht, dass ein Garten mir Arbeit macht. Es ist eine schöne Beschäftigung, bei der ich Ideen verwirklichen kann. Es ist eine Freude, durchzugehen, man zupft und korrigiert ganz nebenbei. Manche Menschen empfinden das, wenn sie um die Eilenriede laufen. Es gibt keine unbedeckte Erde im Garten, das erleichtert die Pflege übrigens auch.
Also, was macht der Gärtner im Winter?
Es kommen ständig neue Projekte zu mir, die ich mitgestalten darf. Es liegt auch noch eine unfertige Doktorarbeit über Christian Schaumburg, den ursprünglichen Gestalter des Georgengartens, zu Hause. Aber die muss jetzt auch wieder warten, da ich an der Leibniz Universität im Wintersemester am Institut für Landschaftsarchitektur die Geschichte der Landschaftsarchitektur unterrichte.
Wie helfen Grundkenntnisse der Gartengeschichte den Planer:innen von morgen, Qualität zu schaffen und nachhaltig zu wirken?
Die Erstsemester lernen aus vielen Ländern über das Zusammenspiel von Pflanzen und Architektur. Wie wurden seit der Antike solche Kunstwerke geschaffen und damit die Zukunft gestaltet? Ich bereite das gut vor, suche viele Beispiele raus, eine schöne Aufgabe!
Kunst und Kultur sind Ihnen wichtig.
Sehr wichtig! Ich bin Mitglied oder Beirat in mehreren Kunst- und Kulturvereinen in der Stadt, Kestner Gesellschaft, Kunstverein Hannover, bin im Kuratorium der Villa Seligmann. Und kennen Sie die TheaterCard? Gefällt mir besser als ein Abo, gibt es vom Staatstheater Hannover und bietet pro Ticket 50 Prozent Ermäßigung. Auch für eine beliebige Begleitperson. Das nutze ich intensiv für Theater, Ballet und Oper in Hannover.
Nochmal zurück zu Gärten, seit 30 Jahren beweisen Sie in Ihrem Hinterhofgarten, was auch unter vermeintlich suboptimalen Bedingungen möglich ist. Im Ruhestand sind Sie erst seit wenigen Jahren. Die meiste Zeit konnten Sie sich demnach nur nach Feierabend verwirklichen. Fühlten Sie nie einen Garten-Überdruss?
Im Gegenteil! Mein Tagesgeschäft war Verwaltung im Grünflächenamt, Gelder einwerben, Gelder ausgeben, verwalten, organisieren, planen. Ich habe mich gefreut, nach Feierabend in den eigenen Garten zu kommen und dort die Grenzen des Möglichen auszutesten. Von Reisen finden sich einige Mitbringsel im Garten, zum Beispiel georgische Zypressen, die aus Samen gezogen wurden. Wächst eine bestimmte Pflanze auch hier, oder wo passt ein Neuerwerb noch hinein, obwohl alles schon bepflanzt ist? (Verschmitzt.) Gärtner sind Jäger und Sammler in einem, sie jagen neue Objekte und kultivieren sie dann zu Hause.
Sie haben Jahrzehnte Erfahrung mit Planung und Gestaltung von Gärten, klein und privat oder auch als große Parkanlage wie den Herrenhäuser Gärten. Sie wissen, wie sich eine Pflanze in das Ensemble einfügen wird, welche Entwicklungen in der Struktur der Anlage zu erwarten sind. Sie wollen sagen, Sie sind noch impulsgesteuert in puncto Neuerwerbungen?
(Mit strahlendem Blick) Oh ja! Das vergeht nicht. Auf Gartenreisen weltweit oder beim Besuch von Pflanzen-Ausstellungen sehe ich etwas und möchte dann gerne wissen, wie diese Pflanze sich bei uns machen wird. Jetzt gerade freue ich mich auf neue Ploxe, die ich bestellt habe, russische Sorten mit rauchigen Blütenfarben.
In den letzten zwei Jahren waren Sie unter anderem Kurator des Projekts „aufhof“ (Anm.: kreative Nutzung des leerstehenden Kaufhof-Gebäudes in Hannover). Wo werden wir Sie garantiert in diesem Jahr treffen?
Zum Beispiel am Samstagmorgen bei den Hannoverschen Pflanzentagen im Stadtpark am HCC, einer Entwicklung von mir von vor 27 Jahren. Die Idee war damals, auch kleineren Anbietern aus der Gegend ein Schaufenster zu bieten und botanische Raritäten zu zeigen. Es sollte keine Massenware geben, dafür aber echte Gartenliebhaber in einem schönen Ambiente nach englischem Vorbild empfangen. Ein weiterer fixer Termin in meinem Kalender ist die Jury beim Feuerwerkswettbewerb. Ich berate auf Anfrage auch Gartenschauen und verschiedene andere Veranstaltungsformate. Einige Aktivitäten ergeben sich kurzfristig, wie das Kuratieren des „aufhofs“. Da ich als Rentner Zeit habe, viel Erfahrung und ein großes Netzwerk, bin ich offen für derlei Projektanfragen.
Sie wirken in jeder Hinsicht gelassen, aber stets sehr offen neugierig auf Neues. Gibt es etwas, was Sie nicht mögen oder ablehnen?
(Überlegt kurz) Gelbe Blüten in meinem Garten und zuviel Chichi an Gartendeko. Ich finde, die gelben Blüten fahren irgendwie so dominant die Ellenbogen aus und drängen sich unschön in den Vordergrund. In einem anderen Garten-Stil wie einem Präriegarten kann es wunderschön wirken.
Vielen Dank für das Gespräch, wir sehen uns bei den Hannoverschen Pflanzentagen!
Samstagvormittag! #