
Text: Sarah Franke
Der Weg ist das Ziel. Das gilt nicht nur für Pilgernde, sondern auch für Nachtzug-Fahrgäste. Gemächlich tuckern die Bahnen im Mondschein über die Schienen – und haben dabei ihren ganz eigenen Charme. Hier lesen Sie Wissenswertes rund um Nachtzüge – und bekommen dabei vielleicht Lust, in den nächsten Urlaub unterm Sternenhimmel auf Gleisen zu reisen.
Erst exklusiv, dann Verkehrsmittel der Massen
Vor mehr als 150 Jahren galt das Reisen mit dem Nachtzug als exklusiv, schreibt der Verband Allianz pro Schiene. Besonders bei reichen Menschen sei diese Art der Fortbewegung beliebt gewesen. An diese Zeit erinnert der luxuriöse Orient-Express, der ab Ende des 19. Jahrhunderts von Paris bis ins heutige Istanbul fuhr.
Zu einer Art Massenverkehrsmittel seien die Nachtzüge erst ab den 1950er-Jahren geworden. Allianz pro Schiene schreibt: „Sie brachten die Westdeutschen im Schlafwagen in den Süden: Es gab Nachtzüge zwischen Dortmund und Athen oder zwischen München und Neapel. Die Ostdeutschen fuhren mit den Zügen über Nacht an die Ostsee oder von Berlin nach Budapest.“
Die Deutsche Bahn und ihre Nachtzüge
Mit mehr als 300 Kilometer pro Stunde sausen einige ICE mittlerweile durch Deutschland. Mit dem steigenden Reise-Tempo wurden Nachtzug-Fahrten allmählich weniger notwendig – zumal die Preise für Flüge stetig sanken und Fernbusse einen Boom erlebten. All das führte dazu, dass die Deutsche Bahn seit Ende 2016 keine Nachtzüge mehr anbietet – sie seien schlichtweg zu unrentabel geworden. Lediglich einige ICE fahren auch nachts, aber ohne Liege- oder Schlafwagen, also wie auch tagsüber nur mit Sitzplätzen.
Die ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) sahen dagegen Potenzial im nächtlichen Reisen – und bieten mittlerweile Nachtzug-Verbindungen quer durch Europa an. Pro Tag rollen mehr als 30 Nachtzüge der ÖBB auf den Schienen, viele davon durch Deutschland. Die Nachtzüge der Österreichischen Bundesbahnen fahren in mehr als 25 europäische Metropolen: darunter Paris, Venedig und Wien.
Sitzen, liegen oder schlafen: Ausstattung im Nachtzug
Wie auch oft sonst im Leben gilt im Nachtzug: Je mehr Komfort, desto teurer wird es. Wer besonders günstig durch die Nacht reisen möchte, wählt einen Platz im Sitzwagen. Dabei handelt es sich um einen regulären Sitzplatz, wie man ihn aus dem ICE kennt. In manchen Nachtzügen lassen sich die Sitze in Abteilen zu einer Liegefläche zusammenschieben. Teurer, aber auch bequemer ist ein Platz im Liegewagen. Hier hat man seine eigene Pritsche mit dünner Decke und Kissen. Das Abteil teilen sich mehrere Personen. Bei einigen Bahngesellschaften lässt sich das Abteil als Gruppe reservieren. Das lohnt sich zum Beispiel, wenn man mit der Familie oder mit Freund*innen in den Urlaub fährt. Die teuerste und bequemste Kategorie ist der Schlafwagen. Auch hier teilt man sich ein Abteil mit mehreren Personen. Im Liegewagen ist das Frühstück manchmal und im Schlafwagen in der Regel inklusive.
Mehr Privatsphäre: Das geht!
Mit mehreren Fremden in einem Abteil reisen? Das ist nicht jedermanns Sache. Die österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) reagieren auf den Wunsch nach mehr Privatsphäre zu moderaten Preisen. Seit Ende 2023 bieten sie auf einigen Verbindungen wie München – Rom oder Hamburg – Wien minimalistische Einzel-Liegeplätze an. Die ÖBB nennen diese Kategorie „Mini Cabins“, frei übersetzt „Kleine Kabinen“. Der Name ist hier Programm. Die Mini-Cabins kann man sich wie ein schmales Stockbett vorstellen – nur, dass oberer und unterer Teil jeweils verkleidet und einzeln verschließbar sind. In der Mini Cabin kann man zwar nicht stehen, aber bequem sitzen und natürlich liegen. Gepäck findet in einem ebenfalls abschließbaren 40 x 55 x 23 Zentimeter großem Fach Platz. Aber auch herkömmliche Liege- oder Schlafwagen kann man meist für sich allein buchen – wenn man bereit ist, mehr zu zahlen. Außerdem gibt’s für mehr Geld bei einigen Bahngesellschaften Abteile mit eigener Dusche und Toilette.
Großes Interesse an Nachtzug-Reisen
Sind Sie schon einmal mit einem Nachtzug gereist? Diese Frage beantworten laut einer aktuellen Umfrage des Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) ein Drittel der Deutschen ab 18 Jahren mit „Ja“. Weitere 42 Prozent der Befragten sind zwar bisher noch nicht mit einem Nachtzug gefahren, können es sich aber grundsätzlich vorstellen. Fazit des ADAC: „Der Nachtzug war lange eher ein Verkehrsmittel für eingeschworene Bahnfans, jetzt wird er zum Reisetrend.“
Weitere Infos rund um das Reisen im Nachtzug …
… mit Nachtzug-Verbindungen, einem Erlebnisbericht, wie es ist, in einer Mini-Cabin nach Wien zu fahren, und die wichtigsten Tipps und Tricks für eine Nachtzug-Reise finden Sie in der radius/30 Ausgabe April/Mai.