Wie nachhaltig ist unsere Hundehaltung?

13. Mai 2025 / Nachhaltigkeit

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Text: Susanne Bührer

Fast 45.000 Hunde leben allein in der Region Hannover. Deutschlandweit sind es rund 11 Millionen. Für viele Menschen ist der Hund ein Familienmitglied, für das man weder Kosten noch Mühen scheut. Doch was bedeutet das fürs Klima?

Dass auch Hunde einen CO₂-Fuß- bzw. Pfotenabdruck hinterlassen, daran denken viele Halterinnen und Halter nicht. Dabei summieren sich Autofahrten zum Gassi-Spot, die Spielzeugkäufe und vor allem das Hundefutter zu einer beachtlichen Ökobilanz. Berliner Wissenschaftler haben es ausgerechnet: Ein mittelgroßer Hund mit 15 Kilo Gewicht verursacht im Laufe seines Lebens rund 8,2 Tonnen CO₂ – das entspricht 13 Hin- und Rückflügen von Berlin nach Barcelona.

Auf der Suche nach dem nachhaltigen Hundefutter

Eine einfache Antwort auf die Frage nach nachhaltigem Hundefutter gibt es nicht – das wird schnell klar, wenn man mit Ammelie Godglück spricht. Die Tierärztin von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover hat ihre Doktorarbeit alternativen Proteinquellen für Hunde gewidmet. Sie kennt die hitzigen Diskussionen um Fleischanteil, CO₂-Bilanzen und Tierwohl. „Die perfekte Lösung gibt es nicht. Jede Fütterungsform hat ihre Vor- und Nachteile“, sagt sie. „Entscheidend ist am Ende: Passt meine Futterwahl zu meinem Hund?“

Umdenken am Napf: Nebenprodukte statt Filet

Ein Thema liegt Godglück besonders am Herzen – und es bekommt ihrer Meinung nach viel zu wenig Aufmerksamkeit: tierische Nebenprodukte. Ein Begriff, bei dem Hundehalter meist erschrocken die Augen aufreißen. Tierische Nebenerzeugnisse haben im Hundefutter einen schlechten Ruf und gelten als minderwertig, dabei sind sie nicht nur ernährungsphysiologisch wertvoll, sondern vor allem eines: nachhaltig. Denn sie fallen bei der Fleischverarbeitung ohnehin an. Während Menschen bei Geflügel oft nur die Brust bevorzugen, finden Innereien und Karkassen ihren Weg in den Hundenapf. Auch Teile wie Rinderlunge, Euter und Pansen, die in der menschlichen Ernährung selten Verwendung finden, werden als tierische Nebenerzeugnisse genutzt.

„Was ins Hundefutter darf, ist rechtlich streng geregelt. Ich möchte hier gerne eine Lanze brechen für Nebenprodukte. Natürlich können wir dem Hund als Fleisch nur das Steak füttern, es ist aber die Frage, ob es zum einen auf Dauer bezahlbar und zum anderen langfristig gesund für den Hund ist.“ Zudem würde diese Vorgehensweise auch ethische Fragen aufwerfen: „Ein Tier nur zu schlachten, um einen Hund zu ernähren, wäre aus Tierschutzsicht problematisch. Um ein Tier zu töten, braucht es einen vernünftigen Grund – und dieser ist beispielsweise die Lebensmittelgewinnung für den Menschen. Die Herstellung von Hundefutter zählt nicht dazu“, erklärt Godglück.

Viel Fleisch = viel Gesundheit?

Der Gedanke, Hunden möglichst viel Fleisch zu füttern, hält sich hartnäckig – befeuert von Futterherstellern, die mit hohen Fleischanteilen in ihrem Futter werben. Godglück sieht das kritisch: „Hunde haben einen klar definierten Proteinbedarf – alles darüber hinaus belastet den Organismus, insbesondere die Nieren, und wird ausgeschieden.“ Der Umwelt schadet das Übermaß doppelt: bei der Produktion und durch die Ausscheidungen. „Wir diskutieren in der Landwirtschaft über Gülle und Düngeverordnungen, aber keiner schaut auf die Hundewiesen“, erklärt Godglück. „Auch da landet letztlich zu viel Stickstoff in der Umwelt. Nachhaltigkeit in der Hundeernährung betrifft ja nicht nur CO₂-Emissionen, sondern auch die Gewässereutrophierung.“ Hinzu kommt: Die Wahl der Fleischsorte beeinflusst den ökologischen Fußabdruck erheblich. Rindfleisch belastet das Klima am meisten – 15.000 Liter Wasser für ein Kilo Fleisch sprechen für sich. „Geflügel ist da deutlich nachhaltiger, es wächst schnell und verwertet Futter besser“, so Godglück.

Bio oder konventionell?

Ist Bio-Fleisch nachhaltiger als konventionell erzeugtes Fleisch? Ein Blick auf die CO₂-Bilanz zeigt: Während Bio-Schweinefleisch oft besser abschneidet, fällt Bio-Rind durch höhere Emissionen bei der Weidehaltung negativ auf – auch wenn diese Haltung Vorteile für Tierwohl und Biodiversität bringt. Doch letztlich zählt weniger die Frage „bio oder konventionell“, sondern die grundsätzliche Ernährungsweise unserer Hunde: Vegetarische und vegane Alternativen können einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten – das zeigt eine der bislang größten Studien zu diesem Thema. Über 2.500 Hunde wurden dabei ein Jahr lang begleitet. Überraschend: Fleischreiche Ernährung ging mit häufigeren Tierarztbesuchen einher, vegetarisch ernährte Hunde schnitten gesundheitlich besser ab. Fachleute warnen jedoch vor schnellen Schlüssen: Langfristige Daten zur veganen Hundeernährung fehlen noch. Fest steht: „Es spricht nichts gegen eine vegane Ernährung unserer Hunde, aber bitte nur mit Fachwissen und regelmäßiger Kontrolle der Futterrationen, vor allem bei Welpen und jungen Hunden im Wachstum“, ergänzt Godglück.

Der Hype ums Insektenfutter

Hundefutter aus Insektenmehl gilt als nachhaltige Alternative zu herkömmlichem Hundefutter aus Fleisch. Insekten benötigen wenig Land, Wasser und Futter, um zu wachsen, und produzieren weniger Treibhausgase als traditionelle Nutztiere. Das klingt für viele nach der großen Lösung. Doch so einfach ist es nicht, denn die Insektenzucht ist anspruchsvoll: kontrolliertes Klima mit passender Temperatur und Luftfeuchtigkeit, hochwertiges Futter – das kann teuer und energieintensiv werden.

Der Verpackungswahnsinn

Neben der Fütterung lohnt sich auch der Blick auf die Verpackung: Rund 10 Mio. Verpackungseinheiten für Hunde- und Katzennassfutter landen täglich allein in Deutschland im Müll. Einen anderen Weg geht das Unternehmen Wynn Petfood aus Seelze bei Hannover: Dort wird nachhaltiges Hundefutter nicht nur mit fleischreduzierten Rezepturen, sondern auch in umweltfreundlichen Papierbeuteln angeboten – praktisch, recycelbar und einfach im Altpapier zu entsorgen. „Uns ist wichtig, dass Nachhaltigkeit und Alltagstauglichkeit zusammenpassen“, sagt Mitgründerin Henrike Ludowig. „Wir bieten nicht klassisches Trocken- oder Nassfutter an, sondern ein Nassfutter zum Selbstsanrühren, das frisch mit Wasser zubereitet werden kann. Der Clou hierbei ist, dass wir durch diesen neuen Ansatz viel CO₂ einsparen und Papierverpackungen nutzen können. Viele unserer Kunden kaufen unsere Produkte nicht nur wegen des deutlich reduzierten CO₂-Abdrucks, sondern weil sie die Papiertüten super praktisch im Alltag finden und unser Futterkonzept auch ideal für unterwegs ist.“ Produziert wird in einem Familienbetrieb in Nordrhein-Westfalen mit regenerativen Energiequellen und dem klaren Fokus auf CO₂-Reduktion.

Konsum hinterfragen

Neben der Fütterung gibt es noch weitere Möglichkeiten, den ökologischen Pfotenabdruck zu verringern – zum Beispiel beim Zubehör. Muss es wirklich das fünfte Halsband sein oder das achte Geschirr, nur weil es farblich besser zum neuen Mantel passt? Der Markt rund um den Hund boomt, Social Media und Werbung präsentieren täglich neue Produkte, die vermeintlich unverzichtbar sind. Doch oft landen diese nach kurzer Zeit ungenutzt in der Ecke.

Gerade bei Spielzeug zählt für den Hund nicht die Optik. „Oft reicht schon eine alte Jeans, in die ein Knoten gemacht wird – dem Hund ist es egal, ob ein Spielzeug süß aussieht“, sagt Anna-Lena Klein. Die ausgebildete Hundeernährungsberaterin beschäftigt sich seit 2015 intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Hunden und setzt sich u. a. auf ihrem hundeliebe.blog dafür ein, dass Hundebesitzerinnen und -besitzer nachhaltigere Entscheidungen bei der Haltung und Pflege ihrer Vierbeiner treffen. Hundespielzeug lässt sich gebraucht kaufen oder mit wenigen Handgriffen selbst machen – ein zerrissenes Stofftier lässt sich oft noch flicken oder ein altes Seil zum Zerrspielzeug umfunktionieren. Auch Utensilien, die meist nur einmal gebraucht werden, wie eine Halskrause zum Schutz nach einer OP, müssen nicht immer neu angeschafft werden – unter Hundemenschen gibt es meist Leih- oder Tauschmöglichkeiten.

Wenn es doch ein neues Spielzeug sein soll, lohnt sich ein Blick auf Materialien und Herkunft: Nachhaltige Varianten bestehen aus Naturkautschuk, Jute oder Bio-Baumwolle – frei von schädlichen Chemikalien und biologisch abbaubar. Recycelte Materialien oder kompostierbare Alternativen aus Maisstärke sind ebenfalls auf dem Vormarsch und schonen Ressourcen.

Auch gesundheitlich sind nachhaltige Produkte für Hunde oft die bessere Wahl. Denn viele herkömmliche Hundespielzeuge überschreiten die Grenzwerte für krebserregende Stoffe, die für Kinderspielzeug oder Sportartikel gelten, um ein Vielfaches – Grenzwerte, die es für Hundespielzeug bislang nicht gibt. „Unsere Hunde nehmen Spielzeuge ins Maul und haben sie direkt auf den Schleimhäuten – das birgt enorme Risiken“, so Anna-Lena Klein. Dazu kommen synthetische Füllungen, die beim Zerkauen verschluckt werden. Wer hier bewusst wählt, schützt die Gesundheit seines Hundes und leistet gleichzeitig einen Beitrag für die Umwelt – auch wenn nachhaltige Alternativen oft etwas teurer sind.

Den vollständigen Artikel …

… finden Sie in der radius/30 Ausgabe April/Mai.

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