Pachten statt kaufen: Erbbaurecht

13. September 2021 / Bauen und Wohnen

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Ein eigenes Haus ohne das Grundstück zu kaufen? Wo liegen die Vor- und Nachteile dieses Modells und wie hoch ist das Risiko? Wie genau funktioniert das eigentlich mit der Erbpacht? Welche Begriffe sind wichtig und welche Regeln gilt es einzuhalten? Antworten auf Fragen rund um das Erbbaurecht sowie Vor- und Nachteile für Erbbaurechtsnehmer und Erbbaurechtsgeber erklärt Immobilienmaklerin Krista Kaste.

radius/30: Was ist Erbpacht genau?

Krista Kaste: Die Erbpacht war im eigentlichen Sinne ein zeitliches Nutzungsrecht für landwirtschaftlich genutzte Flächen. Insbesondere zur Selbstversorgung nach dem letzten Krieg – also für zusätzliche Gartenflächen hinter dem Haus zum Anbau von Gemüse, Obst etc. zur Ernährung der Familie. Diese Form der Landwirtschaft ist nicht mehr obsolet. Somit wird heute fälschlicherweise immer noch das Erbbaurecht als Erbpacht bezeichnet. Das Erbbaurecht ist das Recht, auf dem Grundstück eines Dritten eine private oder gewerbliche Immobilie zu bauen. Der Erbbauberechtigte kann so verfahren wie der Grundstückseigentümer. Er kann das Erbbaurecht belasten, verkaufen oder vererben.

Für wen empfiehlt sich das Erbbaurecht?

Gerade für junge Familien ist ein Erbbaurechts-Grundstück eine günstige Alternative. In vielen beliebten und begehrten Wohngegenden Hannovers ist es schwierig, ein zur Bebauung gut geeignetes Grundstück zu finden. Entweder sind sie nicht zentral genug oder zu teuer. Die weit verbreiteten Erbpachtgrundstücke in unserer Region wie unter anderem in Bothfeld, Isernhagen-Süd und Isernhagen geben die Möglichkeit, ein Grundstück oder auch eine Bestandsimmobilie unter dieser Präambel zu erwerben. Eine günstige Alternative – das Haus wird erworben und das teure Grundstück wird gepachtet. Die jährlichen Hypothekenzinsen für das Grundstück würden höher ausfallen als der jährliche Erbbauzins.

Gibt es Risiken oder Nachteile?

Das Erbbaurecht ist ein Recht auf Zeit. Mit Ablauf der Zeit geht das Grundstück an den Grundstückseigentümer zurück. In der Regel wird der „frühere“ Erbbauberechtigte durch Regelungen im Erbpachtvertrag entschädigt. Bei Wohngebäuden beträgt diese Entschädigung mindestens zwei Drittel des jeweiligen Verkehrswertes.

Bedeutet das, man verliert sein Eigenheim, wenn die Erbpacht ausläuft, also das „Erbbaurecht erlischt“?

Gemäß der Erbbaurechtsverträge gelten festgehaltene Bestimmungen unter anderem zum Vorrecht des Erbbauberechtigten auf Erneuerung des Erbbaurechts – gleich eines Vorkaufsberechtigten. Mehrfach wird ein gegenseitiges Vorkaufsrecht vereinbart, sodass ein Vorkaufsrecht für den Erbbauberechtigten im Falle einer Veräußerung des Grundstückes oder für den Grundstückseigentümer zur Veräußerung des Erbbaurechts festgelegt ist.

Worauf müssen Erbpachtnehmer achten, wenn sie einen Vertrag über ein Erbbaurecht unterschreiben?

Der Erbbauberechtigte hat in der Regel für das Grundstück und das Erbbaurecht anfallende Steuern, Abgaben und sonstige Lasten zu tragen – unter anderem die Grundsteuer, eventuelle Kosten für die Erschließung und Anschlussgebühren. Der Erbbaurechtsvertrag bedingt außerdem die regelmäßige Verpflichtung zur Instandhaltung des Gebäudes.

In den Medien liest man immer wieder von unverhältnismäßigen Erhöhungen des Erbpachtzinses. Kann sich dieser willkürlich erhöhen?

Die Anpassung des Erbbauzinses älterer Erbbauverträge sind überholt durch im Grundbuch eingetragene Vereinbarungen. In den meisten Fällen gibt es eine vertraglich vereinbarte Wertsicherungsklausel, die an den Verbraucherpreisindex angepasst ist. Steigt also der Index in 5 Jahren um 10 Prozent, erhöht sich auch der Erbpachtzins entsprechend. Beim Kauf von Bestandsimmobilien mit bestehendem Erbbaurecht „alter Fassung“ können diese der Jetztzeit angepasst werden.

Kann sich der Erbpachtnehmer einen gewissen Erbpachtzins sichern?

Ja, durch Eintragung im Grundbuchblatt im Teileigentumsgrundbuch – Erbbaugrundbuch. Das ist ein besonderes Grundbuchblatt zum Erbbaurecht, das bei der Eintragung in das Grundbuch von Amts wegen angelegt wird.

Hat der Erbpachtnehmer ein Vorkaufsrecht? Also kann er sicherstellen, dass das von ihm gepachtete Grundstück nicht plötzlich an jemand Drittes verkauf wird?

In der Regel ja – Vorkaufsfälle sollten mindestens 2 Monate vor Fristablauf erklärt werden. Auch ist es ratsam, vor Fristablauf bereits eine Erklärung über den Verzicht des entsprechenden Rechts abzugeben.

Was ist, wenn der Erbpachtnehmer ein bestehendes Haus auf einem Erbpachtgrundstück umbauen oder neu bauen möchte?

Die Art der Nutzung, ob privat oder geschäftlich, muss geregelt sein. Die Größe des Gebäudes sowie die wirtschaftliche Ausnutzung ist mitzuteilen. Ebenso ist eine Änderung auf dem Grundstück, die Ausnutzung des Areals, anzuzeigen.

Gibt es Unterschiede zwischen Erbpachtgebern wie Klosterkammer, Bund oder Landwirten?

Ja – einzusehen sind die vertraglichen Bestimmungen und Bedingungen zum jährlichen Erbbauzins gemäß Erbbaugrundbuchblatt/Teilungserklärung. Somit wird das Erbbaurecht in zwei Grundbüchern dokumentiert – das Grundstück, der Erbbauzins und sonstige Regelungen.

Was ist Ihre persönliche Meinung zum Thema Erbpacht? Haben Sie einen Rat oder Tipp für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen?

Gerade erst vor wenigen Tagen haben wir ein Haus auf dieser Basis verkauft: ein Einfamilienhaus auf Erbbaurecht in Isernhagen-Süd, eine der bekanntesten und begehrtesten Adressen Hannovers, die ein gewachsenes Umfeld mit perfekter Infrastruktur verbindet. Ein eingewachsener Garten vor und hinter dem Haus mit blühenden Stauden. Jedoch mussten Modernisierungen im und um das Haus eingeplant werden. Ein maßgeblicher Nachteil war beim Verkauf der Immobilie das zeitlich befristete Erbbaurecht von nur noch 26 Jahren. Energieeffiziente Sanierungen für den Käufer – und das alles für 26 Jahre. Auch die Bankfinanzierung (Grundschuldbestellung) mit einer Zeit von 26 Jahren nicht denkbar. Schließlich gelang uns eine vorzeitige Verlängerung des Erbbaurechtsvertrages bis 2100 mit einer wertgesicherten Anpassung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes. Unter den Kaufinteressenten war ein Pensionär – da wurde alles ganz einfach: keine Verlängerung, eine Zustimmung zur Belastung von Grundschulden nicht erforderlich, da keine Bankfinanzierung notwendig war. Nun freut sich der neue Hausbesitzer bereits auf den Sommer im eigenen Haus mit Garten. Somit ist der Verkauf solcher Grundstücke etwas komplizierter – aber dafür gibt es ja professionelle Maklerfirmen mit der nötigen Erfahrung. Gerade für junge Familien ist der Kauf eines Erbaurechts gebundenen Grundstücks in Hannover eine kostengünstige Alternative für ein Haus mit Garten für die Familie.

Bilder: Kaste Immobilien

Krista Kaste, Immobilienmaklerin

Seit über 55 Jahren überzeugt das Familienunternehmen Kaste Immobilien in Hannover und Umgebung durch Kompetenz, Erfahrung und innovative Vermarktungsstrategien.

www.Kaste-Immobilien.de

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