iF Design Award: Hannovers Gütesiegel für Designleistungen in aller Welt

03. Dezember 2025 / Wirtschaft

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Bild: iF Design, Hannover/Germany

Text und Bilder: Carmen Eickhoff

In Fernost ist der iF Design Award eine begehrte Auszeichnung bei Unternehmen, am Heimatstandort Hannover läuft das Gütesiegel eher unter dem Radar der Aufmerksamkeit. 11.000 Unternehmen aus aller Welt haben sich in den letzten Jahren jeweils um den iF Designpreis beworben. In neun Disziplinen mit 93 Kategorien werden die Auszeichnungen für hervorragendes Design vergeben. Der Award gilt gleichermaßen als verlässliches Kriterium für Designer und Konsumenten. Ein Besuch bei CEO Uwe Cremering im iF Headquarter in Hannover.

In den Büroräumen in der vierten Etage in der Innenstadt von Hannover herrscht gelassene Anspannung. Eine Woche noch bis zum Einsendeschluss für den iF Design Award 2026. Die Upload-Möglichkeiten sind gefordert und aufgeregte Fragen wollen telefonisch beantwortet werden. „Es sind in der Mehrheit erfahrene Unternehmen, die sich mit ihren Produkten um unsere Bewertung bewerben. Das Bewerbungsfenster beträgt rund ein halbes Jahr. Ein Großteil wartet dennoch bis zum Ende der Bewerbungsfrist, um sich anzumelden“, schmunzelt iF Design CEO Uwe Cremering. Die Kapazität der Uploadkanäle wurde längst angepasst, die IT ist in der Lage, die Daten der ehrgeizigen Produktdesigner strukturiert, schnell und sicher aufzunehmen. Professionalität, Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit sind omnipräsente Themen im Kosmos aus Innovation und Exposition.

In 70 Jahren vom Verein zur Weltmarke

Seit 1954 dient das iF Label als verlässliches Zeichen für ausgezeichnetes Design. In den Wirtschaftswunderjahren entstand aus einer visionären Idee, Kunst und Wirtschaft zu verbinden. Auf Bestreben des umtriebigen Unternehmers Philipp Rosenthal wurde im Zusammenarbeit mit der Messegesellschaft in Hannover und dem Bundesverband der Deutschen Industrie der Verein „Die gute Industrieform e. V., später kurz iF e. V. gegründet. Von einer eher äußeren Bewertung der „guten Form“ hat sich der Award zu einem Symbol für exzellente Form, ästhetische Qualität, nutzerorientiertes, ergonomisches und effizientes Design in sehr unterschiedlichen Disziplinen weiterentwickelt. Längst werden auch Konzepte verschiedener Art bewertet, nicht-haptische Wettbewerbselemente wie Apps und Anwendungen machen inzwischen rund ein Drittel der Einsendungen aus. Aus dem Verein ist im Lauf von sieben Jahrzehnten eine GmbH geworden, deren Gütesiegel besonders in Fernost extrem begehrt ist.

Detaillierter Bewertungsprozess in mehreren Runden

Vergeben wird der Award jedes Jahr im April, die Gewinner werden in einer feierlichen Gala im Friedrichstadtpalast in Berlin ausgezeichnet. In Hannover befindet sich vor allem das Herz des Preises, die Organisation, das Know-how. Die Hälfte der weltweit 50 Mitarbeiter arbeitet hier und kümmert sich um die inhaltliche Weiterentwicklung ebenso, wie um die Pflege des transparenten Bewertungsprozesses. Eine international besetzte Jury aus 135 unabhängigen Design- und Nachhaltigkeitsexperten bewertet die Einsendungen in fachlichen Kleingruppen. Jede Einsendung wurde vorher vom hannöverschen Team auf Vollständigkeit und Relevanz geprüft und eventuell in eine passendere Wertungskategorie verschoben, als die vom Einsendenden selbst gewählte. Vereinfacht ausgedrückt könnte es sein, dass ein smarter Kühlschrank besser in eine Konzept-Kategorie passt, denn in eine Geräte-Kategorie, für die er eingereicht wurde. Nur die Hälfte der Einsendungen ist finalwürdig, wird überhaupt an die Juroren weitergegeben, einen Preis fürs Mitmachen gibt es nicht. Wohl aber bekommen alle Einsendungen ein Feedback-Chart mit einer Bewertung ihres Wettbewerbsbeitrags, das sehr geschätzt wird.

Unabhängigkeit der Jury als wichtigstes Kriterium

Die unabhängigen Juroren, die nicht geheim sind, ihre Bewertungen aber anonym abgeben, unterliegen einer Art natürlichem Rotationsprinzip. „So wird sichergestellt, dass sich keine ungewünschten Prozesse etablieren“, erläutert Cremering. Für die Juroren komme die Tätigkeit in der iF Jury einer Auszeichnung im Lebenslauf gleich. Ein Drittel der Juroren werde jährlich rotiert, um Bewertungsroutinen zu vermeiden und Neutralität zu gewährleisten. Die iF GmbH gewinnt die Experten überwiegend proaktiv, es gibt aber auch Empfehlungen durch Jury-Mitglieder und Initiativbewerbungen. Die Jury ist ein wahres Who-is-who der internationalen Szene: Stardesigner und Firmennamen von Bosch bis Sony reihen sich auf dem Poster der Juroren 2023 – 2025 hinter Cremerings Schreibtisch lückenlos aneinander.

Während des Bewertungsprozederes werden auch die Juroren überwacht, technisch über die Auswertungssoftware von drei betreuenden iF Mitarbeitenden. Einerseits hilft es, das strenge Zeitfenster von drei Tagen pro zwei Bewertungsrunden einzuhalten, andererseits beugt es Fehlern vor. Weiterhin stehen acht Chairpersonen, ähnlich Senior Juroren, während der Bewertungsrunden bereit, um Juroren abzulösen, die, – es lässt sich nicht ausschließen –, plötzlich vor einem Produkt aus dem eigenen Haus stehen. Maximale Neutralität und Transparenz bei den Bewertungen sind die Glaubwürdigkeits-DNA des Design-Preises.

Fünf Schlüsselkriterien der Bewertung

Grundlage für die Bewertungen sind fünf Schlüsselkriterien: Idee, Form, Funktion, Differenzierung und Nachhaltigkeit. Jedes Kriterium wird mit 20 Prozent gewichtet, ist gleich viel wert. Die reine äußere Form zählt schon lange nicht mehr ausschließlich. Der Preis und seine Kriterien sind ebenso mit der Zeit gegangen, wie die Produkte.

Das ist einer der Gründe, warum es keine Ausstellung prämierter Werke gibt. Zeitgeist schwingt mit, jedes Jahr kommen Weiterentwicklungen dazu, der Award rückt in den zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext ein, bedeutet keine Absolutheit. Nur die Juroren bekommen in der zweiten Bewertungsrunde einen Großteil der portablen Produkte zu Gesicht. „Autos und Mähdrescher sind zu groß, um sie einzusenden, da müssen aussagekräftige Aufnahmen genügen. Wo immer möglich, ist der Jury aber ein Exemplar vorzulegen“, führt Cremering aus. Und dann wird es geheim, denn die Juroren bekommen Produkte zu sehen, die der Öffentlichkeit teilweise erst deutlich später vorgestellt werden. Undenkbar, wenn Abbildungen nicht gelaunchter Produkte nach außen dringen würden. Das Personal in den großen Bewertungshallen muss genauso verlässlich sein, wie die Juroren selbst.

Wer bewirbt sich um den iF Award?

Unternehmen, die sich eine externe und neutrale Einschätzung ihres Produkts wünschen, reichen Beiträge ein. Auch Ferrari, Apple und vergleichbare Firmen, so CEO Cremering, die für ihre Designleistungen bekannt sind, melden sich an. Der gute Ruf, den der iF Award in puncto Professionalität, Transparenz sowie Pünktlichkeit genieße, sei elementar. Die Auszeichnung ist glaubwürdig, der Prozess transparent gestaltet und durch das Feedback Chart erhalten alle Teilnehmenden, nicht nur Gewinner, eine qualifizierte Bewertung.

Ziele und Projekte neben dem Award

Als Aufgabe neben den regelmäßigen Prämierungsrunden hat sich die iF International Design Forum GmbH das Ziel gesetzt, gesellschaftlich die Bedeutung von Design zu verdeutlichen. „Bei Design geht es nicht nur um eine äußere Form“, so Cremering, „der ganzheitliche Aspekt von gutem Design, beispielsweise im Stadtbild, steigert Lebensqualität und wirkt nachhaltig positiv.“ Man könne die Leinewelle in Hannover als Designelement in der Stadt bezeichnen, deren Funktion in und für die Stadt erheblich größer sei, als ein Stück Wassersport, verdeutlicht er den Umfang des Designverständnisses.

Neben dem Design Award betreut die GmbH auch den Student Award, der sich um die nächste Generation kreativer Köpfe und Ansätze kümmert, sowie den Social Impact Prize (soziales Unternehmertum und soziales Design). Seit drei Jahren informiert die GmbH mit dem Trend Report über die größten Megatrends im Bereich Design. Als neuestes Projekt bildet die Design Academy Design Leader aus, um Designteams verantwortungsvoll und nachhaltig zu leiten.

Plagiate und Kopien

Bleibt zum Schluss die Frage: Alles innovativ, alles neu, alles Premieren? Leider nein, auch das ist kaum zu vermeiden. Es passiere, dass aus Versehen oder mit Berechnung Kopien von bestehenden Produkten eingereicht werden. Manchmal stelle sich das erst nach der Prämierung heraus, dann wird natürlich im Nachhinein der Preis aberkannt und zurückgenommen. „Etwa eine handvoll Fälle pro Jahr“, sagt Uwe Cremering. Von diesen schwarzen Schafen abgesehen ist es beeindruckend, dass über 10.000 Einsendungen jedes Jahr mit Spannung auf die Gütesiegel-Bewertung aus Hannover warten. Die nächste Bekanntgabe findet im April 2026 in Berlin statt.


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