
Text: Susanne Bührer
Regional, saisonal, pestizidfrei: Wie SlowFlowers die Floristik verändern. Bunte Sträuße gehören für viele zum Alltag: zum Geburtstag, als Dankeschön oder einfach für den Frühstückstisch. Doch kaum jemand weiß, woher die meisten Schnittblumen stammen – oder unter welchen Bedingungen sie wachsen. Über 90 Prozent aller in Deutschland verkauften Blumen werden importiert, oft aus Südamerika oder Afrika. Der ökologische Fußabdruck ist enorm, die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen häufig schlecht und Pestizide, die hierzulande verboten sind, kommen dort ganz selbstverständlich zum Einsatz.
Nicht nur in der Region Hannover wächst eine Bewegung, die zeigt, dass es auch anders geht: Slowflowers. Nachhaltig, saisonal und regional kultiviert – von Menschen, die mit Leidenschaft und Überzeugung gärtnern. Eine von ihnen ist Lisa Verena Pape mit ihrem Unternehmen Giersch & Gundermann. Sie lebte zwanzig Jahre in Hannover und zog dann aufs Land, nach Eschede. Von hier aus liefert sie ihre Slowflowers vorwiegend in die Region Hannover. In unserem Interview erklärt sie, was Slowflowers ausmacht, warum sie mehr sind als nur hübsche Blumen und wie jede:r von uns mit kleinen Entscheidungen zur Veränderung beitragen kann.
Was sind Slowflowers?
Slowflowers sind das Pendant zum Slow Food, also Blumen, die unter nachhaltigen Aspekten angebaut werden: ressourcenschonend, regional, saisonal, frei von Pestiziden. Sie sind ein Gegenangebot zur konventionellen Floristik, bei der über 90 % aller Blumen aus Nordafrika oder Südamerika, sogar aus Australien von Deutschland importiert werden. Sie werden mit Pestiziden bestäubt, die teilweise bei uns gar nicht erlaubt sind. Und die Pflückerinnen auf dem Feld oder die Floristinnen im Blumenladen arbeiten jeden Tag stundenlang mit dieser Ware, bevor wir sie uns auf den Frühstückstisch stellen. Slowflowers sind eine gesunde und nachhaltige Alternative.
Wie bist du dazu gekommen?
Kurz gesagt: Ich hatte einen Schrebergarten, aber null Ahnung vom Gärtnern. Ich bin dann auf Youtube und Instagram in ein Rabbithole gefallen und hab stundenlang Videos übers Gärtnern geschaut. Irgendwann ploppte die Slowflower-Bewegung dort auf. Das war wie ein Erweckungsmoment, als ich gemerkt hab, dass ich Blumen für die Vase auch selbst anbauen kann. Erst durch die Slowflower-Bewegung habe ich mich überhaupt mit konventionellen Blumen auseinandergesetzt und erfahren, was das eigentlich alles zur Folge hat. Ich bin dann relativ schnell selbst aktives Mitglied geworden, weil ich die Mission so unterstützenswert finde.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Slowflower-Bewegung in Deutschland?
Wir wünschen uns, dass Menschen in jeder Stadt gesunde, umweltschonende Blumen kaufen können und ein breites Bewusstsein dafür eintritt, dass wir auch beim Kauf eines Blumenstraußes einen wichtigen Unterschied machen können. Wir wollen eine Blumenrevolution!
Wie können Konsument:innen helfen, den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Floristik zu unterstützen?
Indem sie ihre konventionellen Floristinnen und Floristen um Alternativen bitten, z. B. Adventsgestecke ohne Steckschaum und Heißkleber. Meiner Erfahrung nach herrscht in der Floristikbranche noch sehr wenig Bewusstsein für nachhaltige Alternativen. Je mehr Kundinnen und Kunden danach fragen, desto mehr wird sich bewegen. Und wenn einem einmal bewusst wird, dass in Deutschland zum Valentinstag gar keine roten Rosen wachsen, dann ist der Griff zum Gutschein für einen Slowflower-strauß vielleicht auch nicht mehr so fern.
Welche Herausforderungen gibt es in der Slowflower-Produktion im Vergleich zur konventionellen Floristik? Was ist vielleicht einfacher?
Eigentlich ist alles eine Herausforderung! Wir bestellen im kalten Februar das Feld, ernten morgens um fünf, um die beste Qualität zur erhalten, wir jäten stundenlang Unkraut – es ist einfach körperlich harte Arbeit bei Wind und Wetter. Was wirklich einfacher ist als in der konventionellen Floristik, ist der Transport. Durch die kurzen Wege können wir so auch Blumenarten anbieten, die den tagelangen Transport rund um die Welt nicht überstehen würden. Und: je kürzer die Transportzeit, desto länger die Haltbarkeit in der Vase!
Wie geht ihr mit saisonalen Schwankungen um – etwa im Winter, wenn weniger heimische Blumen blühen?
Wichtig ist, aufmerksam dafür zu sein, was in der jeweiligen Sasion vorhanden ist. Es muss nicht immer eine üppige Blütenpracht sein. Auch Samenstände von Blumen können ein sehr besonderer Hingucker sein. Viele Slowflower-Farmerinnen trocknen ihre Blumen und bieten sie im Winter als wunderschöne Trockensträuße und -gestecke an.
Du hast im Juni eine öffentliche Blumeninstallation gestaltet. Erzähl doch mal!
Im Rahmen der Architektur-Aktion „Ins Blaue“ habe ich mit zwei befreundeten Interior-Designerinnen einen Tisch kreiert, auf dem ein riesiger Haufen Erde lag, aus der meine Blumen „gewachsen“ sind. Darüber schwebten kleine Eichenkeimlinge. Der Tisch war gedeckt mit nachhaltig hergestellten Produkten aus kleinen Handwerksmanufakturen unserer Region. Gemeinsam mit allen Produzentinnen und Produzenten haben wir daran gegessen und im Anschluss den Tisch zwei Tage lang für Besucherinnen ausgestellt – so benutzt wie er war, ohne abzuräumen. Wir wollten den Fokus dafür schärfen, wie unser Tun Einfluss auf unsere Umwelt hat und wie Gesellschaft entsteht.
Ich würde zukünftig gern mehr solcher Installationen machen. Für mich hat es eine besondere Kraft, Tische zu gestalten, an denen Menschen miteinander in Verbindung kommen können.
Und zum Schluss: Was sind deine Lieblingsblumen und wie sieht dein Lieblingsstrauß aus?
Puh, da fragst Du eine Mutter, welches ihrer Kinder sie am meisten liebt (lacht). Ich mag es, wenn die Blumen in Sträußen wackeln und flattern können, wenn alles leicht, wild und wiesig aussieht, nicht so kompakt. Dazu kann man ganz einfache, schlichte Blüten nehmen, wie z. B. die Kornrade oder Mohn, dazu ein paar fluffige Gräser und Sträucher mit besonderer Blattform.
SLOWFLOWER – DER VEREIN
Der Slowflower-Bewegung e. V. ist ein Zusammenschluss von rund 420 Mitgliedern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, darunter Blumenfarmer:innen, Florist:innen und Blumengärtner:innen. Ziel des Vereins ist es, Regionalität, Saisonalität und Nachhaltigkeit im Schnittblumenanbau und -vertrieb zu fördern.
Die Mitglieder bewirtschaften überwie-gend kleine Flächen, wirtschaften ressourcenschonend und im Einklang mit der Natur: ohne Pestizide, mit organischem Dünger, Insektenschutz, ohne Steckmasse und Einmalplastik. Der Verein setzt auf Transparenz, Aufklärung und Vernetzung innerhalb der Branche und möchte Konsument:innen Alternativen zur konventionellen Floristik aufzeigen.
www.slowflower-bewegung.de