Der Biber in der Region Hannover

24. April 2020 / Aktuell

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Der Biber ist zurück – die einen freut es, die anderen stellt er vor große Herausforderungen.

Hallo, Biber!

Er wurde wegen seines Fells und seines schmerzlindernden Sekrets so lange gejagt, dass er am Ende 200 Jahre lang als ausgestorben galt: der Biber. Seit etwa 10 Jahren erobern Biber ihren Lebensraum auch in der Region Hannover wieder zurück.

Großer rundlicher Körper und kleine schwarze Augen: Biber kennen die meisten von uns nur aus dem Zoo. Dabei gelten die großen nachtaktiven Nager als Architekten der Natur – ihre Umgebung passen sie einfach an ihre Bedürfnisse an. „Im Grunde ist der Biber ein Partner der Wasserwirtschaft. Wasserbauer nennen wir ihn. Durch sein Wassermanagement bleibt das Wasser, auch in trockenen Zeiten, länger in der Landschaft“, erklärt Melanie Salchow, Geschäftsführerin und Verbandsingenieurin beim Gewässer- und Landschaftspflegeverband Mittlere Leine.

Architekten der Natur

Mit ihren Umbauten tragen Biber zur Renaturierung bei. Durch die gefällten Bäume entstehen sogenannte Rohebodenstandorte und dadurch Besiedlungsraum für Pflanzen, die teilweise sogar selten sind. Die durch Überflutung entstehenden Feuchtwiesen und Auenlandschaften sind ein idealer Lebensraum für seltene Pflanzen und zahlreiche Insekten, die im Totholz leben und Kröten, Libellen und Heuschrecken als Nahrung dienen. In der Folge können sich Eisvogel und Schwarzstorch wieder ansiedeln. Die Fließgeschwindigkeit der Gewässer verringert sich – ein Vorteil für junge Fische. In England soll der Biber sogar aktiv zum Hochwasserschutz eingesetzt werden. Fest steht: Er nimmt eine Schlüsselrolle im Naturschutz ein und ist deshalb nach EU-Recht streng geschützt.

Mit Fraßdämmen staut der Biber das Wasser, um komfortabel direkt ins Maisfeld schwimmen zu können.

Melanie Salchow, Geschäftsführerin und Verbandsingenieurin beim Gewässer- und Landschaftspflegeverband Mittlere Leine

Durch die jährlichen Kartierungen der NABU Ortsgruppe Laatzen wurde festgestellt, dass der Biber auf dem Vormarsch und inzwischen auch in der Alten Leine angekommen ist. Vor 8 Jahren wurden drei Biberdämme entdeckt – und der Aufschrei war groß. „Nicht jeder Mensch mag Veränderungen. Wir kennen den Biber in freier Wildbahn nicht mehr – dabei war er hier früher völlig normal. Nun müssen wir uns an das Zusammenleben mit ihm herantasten“, beschreibt Melanie Salchow die Fragen, die sich durch die Existenz des Bibers stellen. Durch ein gezieltes und fundiertes Bibermanagement des Gewässer- und Landschaftspflegeverbands Mittlere Leine (GLV) unter Beteiligung der Region Hannover, des Vereins Ökologische Station Mittleres Leinetal (ÖSML) und des NABU Laatzen entstand ein Plan für diese drei Biberdämme.

Biber gelten als Architekten der Natur und passen ihre Umgebung an ihre Bedürfnisse an. Manchmal sehr zum Nachteil ihrer menschlichen Nachbarn.

Biber erobern die Region

In der Region Hannover eroberten Biber in den letzten Jahren die Ihme und siedelten sich an Stellen an, an denen sie niemanden störten. „Dämme, die nur durch Zufall überhaupt entdeckt werden, machen meistens auch keine Probleme“, erzählt Melanie Salchow. Doch inzwischen wandern die munteren Gesellen nicht nur näher an die Besiedelungsgebiete, sondern erobern sogar das Stadtgebiet. Jäger schätzen, dass es inzwischen rund 100 Tiere in der Region Hannover gibt. Und die Spuren sind – wie am Strandleben in Linden – deutlich sichtbar.

Insbesondere im Winter und Frühjahr sind die Spuren der Biber deutlich zu sehen.

„In der Stadt fallen vielen Menschen die sichtbaren Spuren des Bibers zu dieser Jahreszeit auf“, erklärt Bernd Hermening. „Im Winter ernährt er sich von Rinde und Zweigen, deshalb sind einige Bäume deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Stadt und Region Hannover kommen ihrer Verkehrssicherungspflicht nach und müssen stellenweise die vom Umsturz bedrohten Bäume fällen.“ Viele Menschen tun sich mit dem veränderten Stadtbild schwer, wenn große, alte Bäume dem Biber zum Opfer fallen. Deshalb schützt ein Draht oder ein spezieller Anstrich die Bäume vor den scharfen Zähnen.

Biberautobahnen ins Maisfeld

Auf die Rinde von Bäumen sind Biber als Vegetarier nur im Winter angewiesen. Im Sommer und Frühjahr stehen überwiegend Kräuter und Gräser, Sträucher und Wasserpflanzen, aber auch Mais auf dem Speiseplan. Nicht nur an Bäumen hinterlässt der Biber Spuren. Wiesen und Äcker übeflutet er stellenweise so hoch, dass das Wasser nicht nur knöcheltief, sondern bis zu einem Meter hoch steht.

„Mit Gummistiefeln kommen Sie da nicht weit“, erzählt Melanie Salchow. „Da muss schon die Wathose ran. An ein Bewirtschaften der Äcker ist natürlich nicht zu denken. Aber nicht nur das Wasser, auch die Bibergänge können zum Problem für Trecker werden: Der Biber ist bequem, aber unglaublich intelligent. Und so legt er auch seine Dämme an. Er baut – wir nennen es – Biberautobahnen mit Stichkanälen direkt in angrenzende Maisacker. Diese unterirdischen Biberröhren oder Kanäle, die durch die Grabaktivitäten entstehen, werden zum Problem, wenn die Trecker einbrechen und sich festfahren. Mit Fraßdämmen staut der Biber das Wasser, um komfortabel direkt ins Maisfeld schwimmen zu können.“

Herausforderungen durch den Biber

Sind bewirtschaftete Flächen von den Auswirkungen des Bibers so stark betroffen wie beispielsweise in Koldingen, wird das schnell zu einem existenziellen Problem für den betreffenden Landwirt. Hans-Heinrich Schnehage aus Pattensen muss Einbußen von 10.000 Euro pro Jahr auffangen. Dennoch zeigt er Verständnis für den streng geschützten Nager: „Ich verstehe, dass im Sinne des Artenschutzes der Biber wieder etabliert werden soll. Allerdings wünsche ich mir, dass das Land die Entschädigung für einen solchen wirtschaftlichen Ausfall deutlich vereinfacht.“ Niedersachsenweit ist der Biber noch in keinem guten Erhaltungszustand. Und genau dadurch wirdder Biber in der Region Hannover zum Problem.

„Im Artenschutz spielen landesweite Zahlen eine Rolle, nicht die Herausforderungen vor Ort“, erklärt Schnehage. Dass in der Region zahlreiche Biber leben, wird „verrechnet“ mit der geringen Population in ganz Niedersachsen. Und dieser Durchschnitt reicht nicht aus, um die bürokratischen Hürden zu vereinfachen. Zusätzlich gibt es keinen Anspruch auf Entschädigung. Die erfolgt nur, wenn es Gelder dafür gibt. Entscheidungen dauern extrem lange, denn sie werden immer nur im Einzelfall getroffen. Alles läuft über das Umweltministerium – einen allgemein gültigen Handlungsrahmen gibt es nicht. Wäre ein kleinerer Dienstweg beispielsweise über die Kommune, die Region Hannover oder die Gewässerunterhaltungsverbände möglich, würde dies vieles vereinfachen.

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Den vollständigen Artikel lesen Sie in unserer aktuellen Frühjahrsausgabe 1/2020 ab Seite 46.

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