
Text: Theresa Jaksch
Hitzewallungen, Schlafstörungen, Herzrasen – und niemand spricht darüber. Die Wechseljahre, medizinisch als Klimakterium bezeichnet, betreffen jede Frau, und doch bleibt dieser Lebensabschnitt gesellschaftlich oft unsichtbar. Dabei ist er ein ganz natürlicher Prozess: der Übergang von der fruchtbaren in die unfruchtbare Lebensphase. Keine Krankheit, aber für viele Frauen eine Zeit voller körperlicher und emotionaler Herausforderungen.
Die Veränderungen beginnen meist schleichend, oft schon ab dem 40. Lebensjahr. Zunächst sinkt der Progesteronspiegel, später folgt der Rückgang des Östrogens. Dieser hormonelle Wandel verläuft in verschiedenen Phasen: von der Prämenopause über die Perimenopause bis zur Postmenopause. Wann welche Phase beginnt und wie lange sie dauert, ist individuell sehr unterschiedlich – genau wie die Intensität der Symptome.
Überraschende Beschwerden – wenig Unterstützung
Gerade Frauen, die in ihrer fruchtbaren Lebenszeit keine nennenswerten Beschwerden hatten, erleben die Wechseljahre oft als überraschenden Bruch. Wenn plötzlich die Blutungen unregelmäßig, stärker oder schmerzhafter werden, wenn der Schlaf nicht mehr erholsam ist oder die Stimmung ohne erkennbaren Grund schwankt, dann entsteht schnell das Gefühl, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren. Viele bringen diese Symptome nicht sofort mit den Wechseljahren in Verbindung. Rund um die anfängliche hormonelle Umstellungsphase kursieren noch immer viele Vorurteile und Fehlinformationen, weiß Dr. med. Katrin Schaudig: „Die Perimenopause startet nicht mit einem Paukenschlag, und sie ist auch kein stringenter Prozess, wie viele Frauen sich vorstellen“. Die Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG) betont: „Der Übergang ist nicht so klar definiert und auch damit einhergehende Anfangssymptome wie Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, allgemeines Unwohlsein, Schwindel oder Kopfschmerzen entwickeln sich allmählich und schleichend. Da sie grundsätzlich immer mal im Frauenleben vorkommen, denken Betroffene oft zunächst gar nicht an die Wechseljahre und nehmen die Beschwerden lange hin.“
Zeit für Offenheit und Aufklärung
Während die Pubertät gesellschaftlich begleitet wird – durch Aufklärung, Verständnis und familiäre Rücksicht –, erleben Frauen in der Menopause häufig das Gegenteil. Es fehlt an Gesprächen, an medizinischer Begleitung und an Wissen, sowohl im privaten Umfeld als auch in der ärztlichen Versorgung. Die Symptome werden oft isoliert behandelt. Herzrasen führt zum Kardiologen, Gelenkbeschwerden in die Orthopädie, Hautprobleme zur Dermatologie – doch dass all diese Phänomene mit dem hormonellen Wandel zusammenhängen könnten, wird nur selten erkannt. Selbst in gynäkologischen Praxen fehlt es häufig an Zeit für eine umfassende Beratung, denn die Wechseljahre sind im Gesundheitssystem nach wie vor nicht als eigener Schwerpunkt vorgesehen.
Dabei betrifft das Thema Millionen Frauen: Allein in Deutschland befinden sich derzeit rund neun Millionen Frauen in den Wechseljahren. Und viele fühlen sich in dieser Zeit alleingelassen – im Beruf, im Alltag, in der Familie. Nicht selten ziehen sie sich zurück, reduzieren ihre Arbeitszeit oder geben Karrierepläne auf, obwohl sie gerade jetzt über enorme Erfahrung und innere Stärke verfügen. „Wir müssen diese Lebensphase gesellschaftlich enttabuisieren, für den Arbeitsplatz thematisieren und auf die gesundheitspolitische Agenda setzen“, betont Dr. Schaudig. Frauen in ihrer Lebensmitte stehen als Leistungsträgerinnen mit langjähriger Berufserfahrung, vor allem in systemrelevanten Tätigkeiten wie in der Pflege, Schule und im Dienstleistungssektor, voll im Leben. Diese gehören zudem zu den am stärksten vom Fachkräftemangel betroffenen Beschäftigungsgruppen.
Die Symptome, die während der Wechseljahre auftreten können, sind vielfältig. Neben den bekannten Hitzewallungen und Schlafstörungen gehören dazu auch depressive Verstimmungen, Konzentrationsprobleme, Schwindel, Hautveränderungen, Gewichtszunahme, trockene Schleimhäute, sexuelle Unlust oder das Gefühl, emotional instabil zu sein. Viele dieser Beschwerden lassen sich auf das hormonelle Ungleichgewicht zurückführen – ein Ungleichgewicht, das nicht nur den Zyklus, sondern den gesamten Organismus betrifft.
Zur Linderung von Wechseljahrsbeschwerden stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Die Hormonersatztherapie mit bioidentischen Hormonen – insbesondere die Kombination aus transdermal verabreichtem Estradiol und oralem Progesteron – hat sich bewährt und wird als Osteoporoseprophylaxe sogar von den Krankenkassen übernommen. Bei lokalen Beschwerden wie Scheidentrockenheit oder Reizungen der Harnröhre kann eine niedrig dosierte Östrogenbehandlung mit Estriol in Form von Cremes oder Zäpfchen helfen. Ergänzend kommen pflanzliche Präparate mit Phytoöstrogenen aus Soja oder Rotklee sowie hormonfreie Mittel wie Traubensilberkerze, sibirischer Rhabarber, Mönchspfeffer oder Johanniskraut zum Einsatz. Auch ein gesunder Lebensstil unterstützt den Körper in dieser Phase: Regelmäßige Bewegung – idealerweise kombiniert aus Kraft- und Ausdauertraining – sowie eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, wenig Fleisch, ausreichend Ballaststoffen und genügend Flüssigkeit (mindestens 1,5 Liter Wasser oder ungesüßter Tee täglich) können das Wohlbefinden spürbar verbessern. Entspannungstechniken helfen dabei, das innere Gleichgewicht zu stärken. Zusätzlich ist gezieltes Beckenbodentraining sinnvoll. Da Östrogen auch den Transport von Schilddrüsenhormonen beeinflusst, sollten Frauen mit bereits bestehenden Schilddrüsenfunktionsstörungen eine fachärztliche endokrinologische Kontrolle in Betracht ziehen.
Mehr Offenheit, mehr Verständnis und vor allem mehr medizinische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für diese Lebensphase wären längst überfällig. Denn die Wechseljahre sind kein Tabu – sie gehören zum Leben. Und sie bieten die Chance, sich selbst neu kennenzulernen und in einen neuen Lebensabschnitt zu starten.
Den vollständigen Artikel …
… finden Sie in der radius/30 Ausgabe Juni/Juli/August.