ERST AUF DIE NASE, DANN HÄNDE SCHÜTTELN – TEIL 1

11. September 2017 / Magazin

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Hannover ist Eishockeyland: Jochen Haselbacher (links) und David Sulkovsky im Gespräch mit radius/30 Redakteur Bernd Schwope. (Bild: Sita Seebach)

Hannover Indians vs. Hannover Scorpions: In keiner Sportart in Hannover ist die Konkurrenzsituation zwischen zwei Vereinen so brisant wie beim Eishockey. Beide Mannschaften spielen in der dritten deutschen Eishockeyliga und blicken auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurück. Was macht Eishockey so attraktiv? Und wie kann man Sponsoren in der Region Hannover für diesen Sport begeistern? Im radius/30 Roundtable trafen sich erstmals für die Medien die Geschäftsführer beider Vereine, Jochen Haselbacher (Scorpions) und David Sulkovsky (Indians), und diskutierten über den Stellenwert ihrer beiden Vereine vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Zwänge.

radius/30: In Hannover regiert der Fußball, 96 ist der große Leuchtturm, der alles überstrahlt. Wie schaffen Sie es in dessen Schatten in der dritten Liga mit Ihren Vereinen, die Sportart Eishockey zu finanzieren? Der Saisonetat von Hannover 96 wird wesentlich durch TV-Gelder und Sponsoren gedeckt, weniger durch Zuschauereinnahmen. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Sulkovsky: Wir sind als traditionsreiche Mannschaft der Hannover Indians noch sehr von den Zuschauern abhängig. Das Stadion am Pferdeturm ist immer sehr voll. Einer der großen Assets, die wir haben, sind die Zuschauer. Für die ist es etwas ganz Besonderes, diese Atmosphäre zu spüren, wenn das Licht aus und die Wunderkerzen angehen. In welcher Liga die Indians auch spielten, die Zuschauer waren immer der feste Halt.
Haselbacher: Stimmt, da seid ihr schon was Besonderes.
Sulkovsky: In ganz Deutschland weiß man, dass die Stimmung am Pferdeturm ihresgleichen sucht. Diese Community ist mittlerweile in ganz Deutschland verteilt. Wir haben sogar in Berlin Supporter. Es gibt so viele Geschichten um die Indians, dass die Zeit fehlt, sie zu erzählen.
Haselbacher: Die Indians mit ihrem Kultstatus und ihren Fans sind in einer Sondersituation. Bei uns ist das Verhältnis etwas sponsorenlastiger. Ich würde sagen, ein Viertel unseres Etats kommt aus Zuschauereinnahmen, drei Viertel tragen Sponsoren bei. Natürlich ist es dabei schwieriger, Sponsoren zu gewinnen, wenn der Verein in der 3. und nicht in der 1. Liga spielt. Mir haben, als wir mit den Wedemark Scorpions hochmarschiert sind, viele große Unternehmen wie E.ON oder die Norddeutsche Landesbank gesagt: Herr Haselbacher, wenn Sie in der 1. Liga sind, können Sie wieder bei uns anklopfen. Wir sind Spitze in Deutschland. Und wir kooperieren nur mit Vereinen, die ebenfalls Spitze sind.

Wie würden Sie einem Menschen, der noch nie beim Eishockey war, die Faszination Ihres Sports erklären?

Sulkovsky: Ich gebe zu, der Eishockeysport in Deutschland ist noch sehr erklärungsbedürftig. Ich war bis zum Ende meiner Aktivenzeit immer nur auf und nie hinter dem Eis tätig. Ich bekomme jetzt erst mit, was die Leute an unserem Sport nicht verstehen. Die häufigste Frage, die mir von Laien gestellt wird, lautet: Wann wissen die Spieler, wann sie aufs Eis wechseln müssen? [Schmunzeln von Herrn Haselbacher.] Da können wir natürlich nur schmunzeln. Wer vom Fach kommt, weiß natürlich, dass es am Trainer liegt, der die Spieler mit festen Positionen in Verteidigungs- oder Sturmreihen aufs Eis schickt. Aber für den Laien ist es nicht immer ersichtlich. Ein großer Vorteil, den wir aber haben, ist der öffentliche Lauf. Es gibt keine Sportart, in der man sich auf dem Sportfeld aufhalten darf, auf der auch eine Profimannschaft spielt. Das ist ein unschätzbarer, emotionaler Vorteil.
Haselbacher: Es ist einfach der schnellste Mannschaftssport der Welt. Und man ist als Zuschauer ganz nah dran. Aus Erfahrung weiß ich, man muss die Menschen nur das erste Mal mit ins Stadion bekommen. Ein Drittel bleibt immer hängen. Die kommen vom Eishockey nicht mehr los.
Sulkovsky: Eishockey ist ein Vollkörperkontaktsport. Man haut sich zwar auf die Nase, aber am Ende des Tages gibt man sich die Hand. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich diese Attribute bei Menschen, die sich werblich engagieren, eins zu eins übertragen lassen.

Womit wir wieder zu unserer Einstiegsfrage zurückkommen: Wie schaffen Sie es, für Ihre Drittligavereine in der Randsportart Eishockey Sponsoren zu gewinnen?

Sulkovsky: Ich habe als Aktiver selbst 1999 in 
der Wedemark gespielt. Und gesehen, wie vertrauensvoll Jochen mit Partnern und Sponsoren umgegangen ist. Bei der Sponsorenakquise ist Wertschätzung enorm wichtig. 
Man muss ihnen eine Plattform bieten. Und den Mehrwert der Kommunikation im Bereich Entertainment nahebringen. Wir sind sogar einen Schritt weitergegangen. Wir haben einen eigenen Business-Club gegründet, 
der regelmäßig Veranstaltungen mit Mehrwert anbietet. Hier können sich Unternehmen
untereinander vernetzen, neue Geschäftspartner akquirieren. Wer im Vertrieb unterwegs ist, weiß, wie schwierig eine Kaltakquise 
ist. Bei uns lassen sich neue Kontakte herstellen. Der Sport bietet viele Facetten: die 
klassische Bandenwerbung, den digitalen Bereich. In unserer digitalen Zeit aber ist der emotionale Wert ein wenig verlorengegangen. 
Ich bin der Meinung, ein glücklicher Mitarbeiter ist ein effizienter Mitarbeiter. Wer Spaß 
an der Umgebung hat und wertgeschätzt wird von seinem Chef, wird besser arbeiten. Mein Mitarbeiter ist mein Kapital. Im Sport haben wir das schon vor Jahren begriffen.

Herr Haselbacher, was dazu passt, bekochte nicht Ihre Frau zu DEL-Zeiten vor jedem Heimspiel den kompletten Kader mit Spaghetti?

Haselbacher: (lacht) Stimmt. In der Oberliga machen wir das nicht mehr, aber vielleicht in der 2. Liga. Um auf die Sponsorenakquise 
zurückzukommen: Dazu gehören natürlich viele persönliche Kontakte. Ich war 21 Jahre 
Mitglied des niedersächsischen Landtags, zwölf Jahre wirtschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. Dadurch habe ich einfach mehr Menschen kennengelernt. Das hat 
sicherlich dazu beigetragen, in Mellendorf, diesem kleinen gallischem Dorf, mit unserer 
Scheune, wie unser Stadion gern genannt wird, einen Erstligaclub zu etablieren und Mannschaften wie Köln oder Düsseldorf abzureiben. Es ist noch immer so, dass viele 
Sponsoren über persönliche Kontakte kommen. Unser Hauptsponsor, Interwetten Wien, 
ist der größte Wettanbieter in Österreich. Ich kannte bereits den Vater des jetzigen Geschäftsinhabers. Der war schon öfter hier. Er hat ein bisschen Spaß daran, uns ein wenig zu helfen.

Das klingt ja fast nach dem Sponsorenkonzept von RB Leipzig …

Haselbacher: … aber nicht in der Größenordnung. Die Leute müssen auch einen Nutzen haben, wenn sie im VIP-Raum Leute kennenlernen und Geschäftsbeziehungen eingehen. Henry Ford hat mal gesagt: Die Hälfte der Werbung ist rausgeschmissenes Geld, wenn ich nur wüsste, welche? Ich erzähle in diesem Zusammenhang immer gerne zwei Bei
spiele. Der Bauunternehmer Geißler wurde 
von seinen Mitarbeitern zum Spiel in das 
Ice House nach Mellendorf mitgeschleppt. Ihm hat es dort gefallen und er hat sich für einen Fototermin auf die Eismaschine gesetzt. Er hatte vorher in der Wedemark nicht ein einziges Haus gebaut. Nach der Werbeaktion waren es 120 Häuser und Hallen. Unser Kapitän Lennie Soccio baute in Langenhagen ein Haus, natürlich von Geißler. Dazu gab’s eine Story in der HAZ. Bei der Trikotversteigerung am Ende der Saison hat Geißler 3.500 Euro für das olle Trikot von Soccio bezahlt. Das war der Zeitung natürlich ebenfalls eine 
Geschichte wert. Geißler kannte danach jeder. 
Ein anderes, nicht ganz so spektakuläres Beispiel ist der Autosponsor Schräpler. Er rief mich an, dass er ein Auto an einen Herren mit bayrischem Akzent verkauft hätte. Der Herr war Eishockeyfan, aus Bayern nach Hannover versetzt worden, er brauchte ein Firmenauto und ihm ist die BMW-Werbung im Stadion aufgefallen. Wir bekommen zu 
99 Prozent nicht mit, welche Funktion die Werbung im Stadion hat, aber es gibt sie.

Wie sind Ihre beiden Vereine wirtschaftlich aufgestellt?

Sulkovsky: Wir sind als EC Hannover Eishockey-Spielbetriebs GmbH Mieter im Eisstadion am Pferdeturm. Pächter des Stadions ist der Mitgesellschafter. Das sind zwei ganz unterschiedliche Businessmodelle. Der Verein, der sich um den Nachwuchs kümmert, ist selbst organisiert mit Vorständen und eigenständigen Trainern. Mit dem haben wir relativ wenig zu tun. Wir haben vor drei Jahren angefangen, ein komplett neues Modell zu generieren. Wir wollen den Leistungssport professionell betreiben, wir investierten viel Arbeit. Wir arbeiten mit vier Vollzeitangestellten: kaufmännischer Leiter, Teambetreuer, Sportdirektor, Pressearbeit. Dazu kommen Dienstleister im VIP-Bereich, die Security. Das wird in der Wedemark nicht anders sein. Bei uns laufen um die 100 Mitarbeiter am Spieltag rum.
Haselbacher: Wir sind total schlank aufgestellt. Mein Sohn Eric ist wie bereits zu DEL-
Zeiten sportlicher Leiter. Er hat die Kontakte zu den Spielervermittlern. Er bekommt nullkommanull Cent für seine Tätigkeit. Ich bekomme auch nullkommanull Cent. Im Gegenteil. Ein bisschen Geld zahlt mir das Land Niedersachsen, deswegen kann ich mir das erlauben, umsonst zu arbeiten. Durch das Spaßbad, das Eisstadion und die angeschlossene Kneipe haben wir Einnahmen. Als Sport- und Freizeit GmbH betreiben wir die Eisbahn. Wie am Pferdeturm bieten wir öffentlichen Lauf oder Eisstockschießen an und Vermieten das Stadion an den Verein zu überaus sportlichen Preisen. Wahrscheinlich müsst ihr an euren Eisstadionbetreiber eine Ecke mehr für die Eiszeiten bezahlen.
Sulkovsky: Wir als Hannover Indians sind nicht für den öffentlichen Eislauf zuständig. Das macht der Stadionbetreiber, das ist anders als in der Wedemark.
Haselbacher: Sie werden lachen. Meine einzige Angestellte in all den Jahren war eine junge Dame, die Sportmanagement studiert hat. Sie hat 30 Stunden für mich gearbeitet, saß mir gegenüber in einem kleinen Büro. Das Geld, was wir durch unsere schlanke Personalstruktur sparen, konnten wir in die Mannschaft stecken. Das wird jetzt nach der Fusion anders werden. Wir rechnen, dass wir unsere Durchschnittszuschauerzahl von 500 auf 1.000 steigern können. Zur nächsten Saison stellen wir anderthalb Festangestellte im Eishockeybereich an. Das ist eine Verdreifachung der Personalkapazität. Mit den Hannover Scorpions und der Spielstätte 
schließt sich der Kreis. Hier hat alles angefangen. Unser Budget wird größer, damit werden aber auch die Gefahren größer. Fallen 
zwei Großsponsoren aus, steht man angeschmiert da. Wir wollen den Sportverein e. V. 
nicht gefährden, deswegen ist der Spielbetrieb in eine GmbH ausgegliedert worden.
Sulkovsky: Die Situation der Scorpions ist überhaupt nicht mit der der Indians zu vergleichen. Jochen ist ein Vollzeitangestellter, der nicht bezahlt werden muss. Eric auch. Deine Frau ist auch noch aktiv im Büro. Du hast doch noch einen Sohn?
Haselbacher: Ja, der Ingo. Er leitet die Sport und Freizeit GmbH, doch er ist auch im Verein tätig. Wir sind uns alle nicht zu schade, 
mal mit anzupacken. Eric fährt raus und klebt Plakate. Ingo hilft mit. Meine Frau schreibt mal eine Rechnung, mal eine Mail an den Sponsor und meine Tochter ist Kassenwartin im Verein. Dass wir einst mit dem zweitkleinsten Etat der Liga ganz hochmarschiert sind, hat auch mit dieser Situation zu tun. Die Eiszeiten für den Verein wurden spärlich entlohnt und das Personal hat sehr wenig gekostet. Da sind in der DEL bei anderen Vereinen schnell ein paar Hunderttausend Euro weg, die wir in die Mannschaft stecken konnten.

Text: Bernd Schwope

 

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