Kreativität, Durchsetzungsfähigkeit, eine gute Idee und ein tragfähiges Konzept – kommen diese Aspekte zusammen, sind die besten Voraussetzungen dafür geschaffen, sich selbstständig zu machen, eine eigene geschäftliche Existenz zu gründen oder sich in den Start-up-Dschungel zu wagen. Eine besondere Stellung nimmt in den Bereichen Existenzgründungen und Start-ups die Region Hannover/Oldenburg ein, die vom Deutschen Startup Monitor 2017 als einer der Gründungs-Hotspots genannt wird. Was ist hier aber so besonders? Und welche spannenden Projekte sind vor Ort vorhanden? Wir haben uns rund um Hannover umgeschaut – und interessante Entdeckungen gemacht.
Scott Kohlberg von der IHK Hannover kennt sich mit Existenzgründung und Start-ups aus.
Vorab sollte aber den Begrifflichkeiten Existenzgründung und Start-up genauer auf den Grund gegangen werden, schließlich existieren hier Unterschiede. „Start-ups sind innovativ und haben eine klare Ausrichtung auf ein schnelles Wachstum (Skalierbarkeit!). Beide Varianten sind aber natürlich für die Wirtschaft einer Region von hoher Bedeutung“, erläutert Scott Kohlberg von der IHK Hannover, der, angesichts der Wirtschaftskraft Deutschlands, einen interessanten Fakt präsentiert: Laut dem Fokus Niedersachsen vom November 2017 ist das Gründungsgeschehen in Niedersachsen, ähnlich dem Bundestrend, seit Jahren rückläufig. „2016 wurde mit 46.167 Neugründungen ein vorläufiger Tiefstand erreicht, was ein Minus von vier Prozent zu 2015 darstellt, als es noch 48.092 Neugründungen gab. Dies ist auch eine Folge der guten Arbeitsmarktlage, da Talente mit einer guten Bezahlung in die abhängige Beschäftigung „gezwungen“ werden“, sagt Kohlberg. Das habe aber auch den positiven Nebeneffekt, dass die Zahl der Chancengründer deutlich über der der Notgründer liege. „Gründer wollen sich heute in der Regel selbstständig machen und müssen es nicht aufgrund mangelnder Alternativen. Somit steigt die Qualität der Gründungen“, weiß Scott Kohlberg, der den Gründertag, den die IHK Hannover seit 22 Jahren veranstaltet und hierbei alle wichtigen Informationen für Gründer und Jungunternehmer anbietet, als „Leuchtturmveranstaltung“ bezeichnet. Zudem bietet die IHK Sprechtage und Seminare sowie Gründungsberatungen für Gründer und Start-ups an. Auch im Bereich der Innovationen gibt es Beratungsmöglichkeiten und Patentsprechtage. „Ein gutes und tragfähiges Vorhaben findet unserer Einschätzung nach immer eine geeignete Finanzierung und scheitert nicht am Geld“, unterstreicht Kohlberg und fügt an: „Unterstützungsmöglichkeiten können sich Gründer und Start-ups in der Region Hannover an unterschiedlichen Stellen holen. Hier bieten beispielsweise die Kammern, Förderinstitutionen und Vereine diverse Hilfestellungen an.“
Die zentrale Anlaufstelle für Gründungsinteressierte aus der Region Hannover ist das Team Gründung und Entrepreneurship von hannoverimpuls. Während des gesamten Gründungsprozesses, von der Sensibilisierung über die Finanzierung bis hin zur Vernetzung mit relevanten Partnern, bietet hannoverimpuls wertvollen Input. Die Beratung findet sowohl im persönlichen Gespräch statt als auch über Veranstaltungsformate wie beispielsweise Fit4Chef. Zudem bemerkenswert: Mit Gründerinnen-Consult gibt es Unterstützung spezifisch für Frauen, Gründung Interkulturell richtet sich an Gründungsinteressierte mit Migrationsgeschichte. Jährlich nehmen bei hannoverimpuls etwa 2.000 Gründungsinteressierte eine Beratung in Anspruch, daraus gehen im Schnitt 400 Unternehmen hervor. „Unternehmensgründungen stärken und beleben den Wirtschaftsstandort Hannover ungemein. Durch den Austausch der Unternehmen untereinander und durch die enge Verzahnung gerade von technologieorientierten Branchen, die zunehmend interdisziplinär arbeiten, sind die Gründer ein starker Motor und Antreiber der lokalen Wirtschaft insgesamt“, sagt Dr.-Ing. Adolf M. Kopp, Geschäftsführer von hannoverimpuls, und erklärt weiter: „Wir sind als Wirtschaftsförderung breit aufgestellt und können für jeden Bedarf die passende Beratung anbieten.“
Äußerst engagiert ist auch das kre|H|tiv Netzwerk Hannover, das sich aus Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft aus der Region Hannover zusammensetzt. Ziel des Netzwerks, das derzeit rund 350 Mitglieder aus zwölf Sektoren umfasst, ist die Interessenvertretung der Mitglieder sowie die positive Beeinflussung der Rahmenbedingungen für die gesamte Branche sowie deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Unterstützung von Start-ups erfolgt durch den drei|v Wettbewerb für kreative Ideen. Besonders ist hier für die Akteure aus den zwölf Teilbereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft mit Sitz in Hannover, die teilnahmeberechtigt sind, dass eine Gründung noch nicht erfolgt sein muss. Dem Gewinner winkt hier in der Hauptsache ein Mentoren-Programm, das unter anderem Starthilfe und Tipps für ein Jahr beinhaltet. Dazu kommt: Das kre|H|tiv Netzwerk richtet unter anderem die Erfolgreich!-Seminarreihe sowie die regelmäßigen Veranstaltungen ver|1|meierei – sechs Kreativschaffende beziehungsweise Unternehmer haben jeweils sechs Minuten Zeit, um das Auditorium von ihren Ideen, Unternehm(ung)en und Projekten zu begeistern – und Kreativ–>Wirtschaft – ein Mittagsstammtisch für Kreative in Hannover – aus.
Hendrik Schwedt (Hafven), Uwe Tschischak (Volkswagen Financial Services), Dr. Bernd Althusmann,
Lars Mietzner (MADSACK Medien Hannover) und Stephan Tillack (NORD/LB, von links) haben das
Start-up-Zentrum Hafven Smart City eröffnet. Foto: Albert Rein
Spannend – oft aber schwierig – gestaltet sich die Vernetzung von Start-ups und großen Konzernen. Hier hakt seit Anfang dieses Jahres der erste Digital Hub Hannovers, das Hafven Smart City Hub in der Hannoveraner Nordstadt, ein. Hier gibt es den direkten Draht der teilnehmenden Start-ups zu großen Firmen.
Geboten werden den Gründern dabei unter anderem eine Intensivbetreuung, Corporate Mentorings zwischen Start-ups und Corporate Partnern zu unterschiedlichen Themen sowie Demo Days und Vernetzungsveranstaltungen. „So machen wir Ideen erfolgreich, die das Zeug haben, die Welt zu verändern”, sagt Hendrik Schwedt, Bereichsleiter des Hafven Accelerator. Finanziert und inhaltlich begleitet wird das Hafven Smart City Hub durch das Land Niedersachsen und verschiedene Unternehmen aus Hannover. „Junge, kreative Köpfe müssen Niedersachsen nicht verlassen, damit aus einer guten Idee ein erfolgreiches Unternehmen wird. Wir wollen Gründungen in Niedersachsen intensiver unterstützen, als dies in der Vergangenheit der Fall war“, sagt der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann.
Henri Kuper und Julius Burlage (vorne von links) sowie Maik Burlage
und Jaan Brunken (stehend von links) bilden das Team der Wingfield GmbH.
Bei so idealen Voraussetzungen und viel Unterstützung für Existenzgründer und Start-ups ist es logisch, dass in Hannover und rund um die niedersächsische Landeshauptstadt viele interessante Projekte und Unternehmungen im Gange sind – und sich hier der Blick hinter die Kulissen absolut lohnt. Eines dieser Unternehmen ist die Wingfield GmbH mit den Gründern Julius Burlage, Maik Burlage, Jaan Brunken und Henri Kuper. Wingfield macht den Tennisplatz digital – und zwar durch moderne Bildverarbeitung und künstliche Intelligenz. Tennisspieler erhalten somit individuelle Coaching-Tipps direkt auf das Smartphone. Besonders an der Wingfield GmbH: Die Gründer kannten sich schon längere Zeit vor dem Eintritt in die gemeinsame geschäftliche Zukunft. „Zur Gründungsidee kam es dadurch, dass Maik und ich als ehemalige Tennisprofis von den Smart-Court-Technologien für den Profisport fasziniert waren und diese auch für die breite Masse der Tennisspieler zugänglich machen und damit eine Art Runtastic für Tennis kreieren wollten. Vor diesem Hintergrund haben wir dann mit Julius und Henri zwei Techniker ins Boot geholt, die diese Idee umsetzen können“, sagt Geschäftsführer Jaan Brunken. Das Unternehmen wird durch das Exist-Gründerstipendium vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. „Dadurch können wir uns seit August 2017 komplett auf unsere Firma konzentrieren“, sagt Brunken, der gemeinsam mit seinen Mitstreitern Ende des vergangenen Jahres am Programm leAD Sports Accelerator in Berlin teilgenommen hat. „Wir sind eines von 15 Start-ups, das aus über 480 Bewerbern weltweit ausgewählt wurde. Sozusagen in einem Bootcamp für Start-ups wurden wir dabei in einem dreimonatigen Programm in allen relevanten Bereichen von erfahrenen Mentoren aus der ganzen Welt ausgebildet“, bilanziert Jaan Brunken, der auch eine Lanze für den Standort Hannover bricht: „Gerade in den existenzkritischen Dingen (Finanzierung, rechtliche Beratung) ist es notwendig, Profis als verlässliche Partner zu haben. Hier ist das Netzwerk in Hannover sehr gut.“
Das Unternehmen COPTOGRAPH steht für spektakuläre Luftaufnahmen, darunter vom Neuen Rathaus und den Herrenhäuser Gärten in Hannover sowie des Schlosses Glienicke (auf diesem Foto zu sehen) in Berlin. Foto: COPTOGRAPH
Und es gibt weitere Hannoveraner Erfolgsgeschichten. Eine davon kann Janto Trappe erzählen, der seit 2005 als Fotograf tätig ist und das Unternehmen COPTOGRAPH betreibt. „Als wir COPTOGRAPH gegründet haben, war ich schon einige Jahre lang selbstständig. Ursprünglich komme ich aus dem IT-Bereich, nach und nach wurde aber die Fotografie immer mehr zum Schwerpunkt meiner selbstständigen Tätigkeit. So kam auch der Wunsch auf, eine Drohne für kommerzielle Foto- und Videoaufnahmen einzusetzen“, berichtet Janto Trappe, der Ende 2009 dann einen ehemaligen Schulfreund, den jetzigen Geschäftspartner Oliver Jones, wiedertraf. Auf einer gemeinsamen Fahrradtour entschloss sich das Duo dazu, eine Drohne zu bauen. Ein gutes halbes Jahr standen die beiden mit dem Lötkolben im Keller und nach zahlreichen Testflügen war Mitte 2010 eine professionelle Fotokamera an einer Drohne in der Luft. „Mit dieser Idee haben wir 2011 den ersten Platz des Ideen-
wettbewerbs von hannoverimpuls gewonnen“, hält Trappe fest, der die Luftaufnahmen als eine ideale Ergänzung zu seiner Tätigkeit als Werbe- und Naturfotograf sieht. „Neben Luftbild- und Videoproduktionen für Werbezwecke wird COPTOGRAPH heute aber auch häufig für Inspektionen oder für dokumentarische Zwecke gebucht“, sagt Trappe. Und der Fotograf bilanziert: „Anfangs hatten wir es recht leicht, da wir damals einer der ersten Dienstleister in Deutschland waren, der diese Art von Luftaufnahmen anbieten konnte. Auf Messen haben uns die Leute die Visitenkarten förmlich aus der Hand gerissen. Mit der Zeit wurde die Technik aber extrem preisgünstig und wir mussten weitere Nischen finden und uns mit neuen Konzepten von Mitbewerbern abheben. Eine der größten Herausforderungen ist es nämlich, sich dauerhaft zu etablieren. Wir setzen deshalb auf umfassende Beratung und ein sehr kundenorientiertes und flexibles Angebot.“
Julia Schwab betreibt die simficient GmbH.
Und es existieren weitere Firmen aus Niedersachsens Landeshauptstadt, die stark am Markt sind. Eine davon ist die simficient GmbH. Inhaberin und Gründerin Julia Schwab machte sich 2015 zunächst als Einzelunternehmerin selbstständig, änderte die Gesellschaftsform ein Jahr später in eine GmbH um. Mittlerweile umfasst das Team sechs Personen. „Ich wurde bei der Gründung von hannoverimpuls unterstützt, zuerst mit Beratung bei der Erstellung des Businessplans, danach mit guten und bezahlbaren Büroräumen, weiterer Beratung und einem Netzwerk, aus dem immer wieder Kontaktmöglichkeiten und interessante Projekte entstehen“, weiß Julia Schwab und berichtet weiter: „Ganz konkret bekommt man Unterstützung in Niedersachsen neben hannoverimpuls beim Gründerinnen-Consult, der Arbeitsagentur, bei Banken und Sparkassen. Es lohnt sich, viele Gespräche mit verschiedenen Menschen und Organisationen über die eigene Gründung zu führen. Oft kommt dann Hilfe, die man gar nicht erwartet hat.“ Und Schwab macht deutlich, welch entscheidenden Charakter Existenzgründer haben: „Für die Gesellschaft sind Selbstständige und Unternehmer – ich spreche hier von kleinen Unternehmen – eine enorm wichtige, treibende Kraft. Sie bringen erstens durch Kreativität und Machermentalität neue Produkte und Dienstleistungen hervor, schaffen zweitens Arbeitsplätze und „zwingen“ drittens durch Innovationen große Unternehmen dazu, sich zu bewegen. Deswegen sollte es gerade am Anfang, in der Gründungsphase, sinnvolle und ausreichende Unterstützung geben.“
Björn Waide steht der smartsteuer GmbH vor.
Dazu kommt die smartsteuer GmbH, die das Online-Steuererklärungs-Angebot unter www.smartsteuer.de betreibt. Damit haben Steuerpflichtige die Möglichkeit, die eigene Steuererklärung schnell, einfach und kostengünstig zu erstellen. Smartsteuer.de besteht seit 2010, beschäftigt 20 Mitarbeiter und ist seit 2012/2013 eine Tochter der Haufe Gruppe, was bedeutet: Es hat einen erfolgreichen Exit an einen strategischen Investor gegeben. „Die Themen Gründung/Start-up liegen uns sehr am Herzen und wir versuchen, von unserer Erfahrung etwas zurückzugeben. Wir veranstalten daher schon seit einigen Jahren gemeinsam mit der Uni Hannover das Startup Lab, das sich an einem Wochenende mit Keynotes, Vorträgen von Gründern und praktischen Arbeiten an Gründungsinteressierte richtet“, sagt Björn Waide, Geschäftsführer der smartsteuer GmbH, und konstatiert: „Ich selbst bin Mentor für einige Start-ups über das kre|H|tiv Netzwerk und in diesem Jahr auch Gutachter des Startup-Impuls-Wettbewerbs von hannoverimpuls und engagiere mich im Beirat Digitales Hannover. Wir brauchen immer wieder kreative Ideen, Experimente und Unternehmensgründungen, die am Istzustand rütteln und neue Wege aufzeigen. Klar ist auch, dass Start-ups essenziell für die Zukunftsfähigkeit einer Stadtgesellschaft sind.“
Text: Rouven Theiß