Dann bleiben Sie doch im Bureau!

16. November 2020 / Gesellschaft

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Kaum eine sprachliche Frage birgt so viel Zündstoff wie die G-Frage: gendern oder nicht. Haben wir keine anderen Probleme, sagen die einen. Wir müssen jetzt endlich für (sprachliche) Gerechtigkeit sorgen, sagen die anderen. Und dann noch der berühmt-berüchtigte Genderstern! Lassen Sie mich mit einer kleinen Geschichte beginnen.

Text: Andrea Görsch

Zwei Ärzte treffen sich in einem Biergarten. Sie genießen das Essen und fachsimpeln beim Rotwein angeregt über ihren beruflichen Alltag. Beim Bezahlen bemerkt einer der beiden, dass sie ihren Geldbeutel nicht in ihrer Handtasche hat. „Macht doch nichts“, sagt der andere, „dann übernehme ich dieses Mal die Rechnung …“

Es ist einfach so: Sprache erschafft Bilder. Viele Studien beweisen das, was sich wahrscheinlich auch gerade in Ihrem Kopf abgespielt hat. Wird von „Ärzte“ gesprochen, ist es sehr wahrscheinlich, dass man sich nur Männer vorstellt. Das Konzept „Frauen sind mitgemeint“ funktioniert meist nicht. Das liegt auch daran, dass uns im Deutschen sprachlich zwei Formen zur Verfügung stehen: der Arzt und die Ärztin.

Konkrete Bezeichnungen erschaffen Wirklichkeiten

Mit der konkreten Bezeichnung bilden wir die Wirklichkeit korrekt ab. Mehr noch, teilweise erschaffen wir damit Wirklichkeit. Denn eine Studie zeigt, dass sich 6- bis 12-jährige Mädchen eher einen „typisch männlichen Beruf“ vorstellen können, wenn dieser geschlechtergerecht präsentiert wird. Sprich: Die an dieser Untersuchung beteiligten Mädchen wollten häufiger Automechanikerin als Automechaniker werden. Das ist eigentlich nur logisch.

Gute Gründe für mehr sprachliche Gerechtigkeit – vielleicht finden Sie das Gendern dennoch umständlich. Und dann vielleicht auch noch mit dem Genderstern. Früher ging das doch auch ohne, können wir das nicht so machen wie bisher? 

Muss ich unbedingt gendern?

Natürlich müssen Sie nicht gendern. Sie können immer noch in Ihrem Bureau sitzen (bis 1953 im Duden), ein Telefax verschicken (seit 1986 im Duden) und im Biergarten „Fräulein, bitte zahlen“ rufen (laut Duden umgangssprachlich veraltet). Das ist natürlich überspitzt, zeigt aber, dass sich Sprache ständig verändert – ob uns das gefällt oder nicht. Niemand geht mehr ins Bureau, viele arbeiten derzeit im Homeoffice (stand 1996 noch nicht im Duden) und Fräulein sagt auch niemand mehr.

Wie gesagt, Sie müssen nicht gendern. Wenn Sie allerdings in einem Unternehmen führend tätig sind oder es leiten, sollten Sie sich mit der G-Frage durchaus beschäftigen. Schon allein aus Reputationsgründen. Sie sollten sich zudem fragen, ob Sie es sich leisten können, einen Teil Ihrer Zielgruppe und qualifizierte Mitarbeiter/-innen nicht anzusprechen … Dennoch bleibt es ganz allein Ihnen überlassen, wie Sie kommunizieren. Seien Sie sich jedoch der Außenwirkung bewusst.

Gendern für eine gerechte Sprache

Denn eine gerechte Sprache

  • bildet die gesellschaftliche Wirklichkeit korrekt ab,
  • kann mittelfristig zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen,
  • spricht Kunden und Kundinnen wirklich gleichermaßen an und
  • zeigt, dass Sie sich als Unternehmer/-in Gedanken machen.

Unsere Sprache bietet uns viele Möglichkeiten. Manchmal müssen wir etwas um die Ecke denken, doch meist werden Texte durch eine weitere Bearbeitung besser.

So gelingt das gendern – 10 konkrete Tipps

Zehn konkrete Tipps wie das Gendern gelingen kann, finden Sie in der aktuellen radius/30 Herbstausgabe.

Über die Autorin

Andrea Görsch ist Gendersternnutzerin, Orangeliebhaberin und Vielleserin. Sie lebt und arbeitet als freiberufliche Texterin und Werbelektorin in Hannover und gibt auch individuell gestaltete Workshops. www.wortladen.com

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