Hannover 96 Spieler Hendrik Weydandt – der „Bengel vom Dorf“

21. Juni 2021 / Erstlingswerk

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Hendrik Weydandt nach seinem ersten Bundesligaspiel und Tor.

25. August 2018, 17:01 Uhr, Bremen. Hendrik Weydandt steht am Spielfeldrand bereit. Eine Minute später trifft „Henne“ erstmals für Hannover 96 in der Bundesliga. Ein schier unbeschreibliches und tolles Gefühl, wie Weydandt selbst beschreibt …

Damals noch ein unbeschriebenes Blatt, hat sich Weydandt mittlerweile zu einem gestandenen Bundesliga Profi entwickelt. Noch seltener als sein rasanter Aufstieg ist nur der ungewöhnliche Weg, den er zum Profi durchlief. Er war nämlich nie in einer Akademie oder einem Fußballinternat. Doch woher kommt Hendrik Weydandt eigentlich?

Weydandt im Trikot von Groß Munzel.
Weydandt (rechts im Bild) fand bereits mit 3 Jahren den Spaß am Fußball in seinem Heimatdorf Landringhausen. Sein erster Verein war der TSV Groß Munzel/Landringhausen. Interessant: Er spielte damals im Jugendbereich auf der Sechser-Position, wie sein Vorbild Michael Ballack. Erst im Herrenbereich wurde Henne zum Stürmer… Foto: Privat
Weydandt und sein Team bei Groß Munzel.
…und sein rasanter Aufstieg begann. Bereits in seinem ersten Jahr in der Kreisliga traf er 23 Mal, worauf Germania Egestorf/Langreder auf den bulligen Stürmer aufmerksam wurde. Nach kurzer Absprache mit seinem damaligen Trainer Gustav Kuhn wurde schnell klar, dass Weydandt diesen Schritt auf jeden Fall wagen will… Foto: Privat

Weydandt, der Fußballstar?

Den plötzlichen Ruhm hat sich „Henne“, der auch schon beim TSV Groß Munzel diesen Spitznamen trug, nie zu Kopf steigen lassen. Die Betitelung „Star“ weist er bewusst von sich: „Ich sehe mich immer noch als „der Bengel vom Dorf“ und ich glaube, das werde ich auch immer bleiben. Mir ist auch wichtig, dass meine engsten Freunde und meine Familie mich auch immer noch so wahrnehmen.“ Trotzdem weiß er, dass sein unkonventioneller Weg zum Fußballer Vorbildcharakter haben kann: „Ich denke, gerade in der Region Barsinghausen war das Thema sehr präsent.“ Er kann sich vorstellen, dass gerade in seinem Heimatdorf oft der Vergleich gezogen werde und beim Thema Fußballprofi oft auf ihn gezeigt wird. „Freut mich natürlich, dass das einfach so eine Horizonterweiterung für Kinder sein kann. Dass sie, auch wenn sie es mit einem gewissen Alter noch nicht in die Akademie geschafft haben, trotzdem weiter daran glauben können.“

Weydandt ist, laut eigenen Aussagen, sehr heimatverbunden: „Ich bin ab und zu noch in meinem Heimatdorf, das angrenzt an Groß Munzel, und ich habe es jetzt in dieser Corona-Zeit leider nicht geschafft, mal zu Spielen zu fahren. Davor war ich aber schon ein, zwei Mal noch da. Das ist immer was Besonderes, da dort auch viele Freunde zu sehen sind und dann immer Erinnerungen von früher hochkommen, die natürlich sehr schön sind.“ Mit ehemaligen Germania-Egestorf-Teamkollegen hat er gar bis vor Kurzem noch in einer WG gewohnt.

Weydandt bringt sich auch noch teilweise in die Vereine ein. So begleitete er schon Jugendmannschaften beim Training: „Das ist für einen Fußballspieler und für mich persönlich eine superschöne Sache, dass man – gerade was Kinder angeht – eine große Freude machen kann, ohne dass man viel tut, also gerade kleine Aufmerksamkeiten, kleine Gespräche oder Autogrammkarten.“ Diese Heimatverbundenheit sei ein Grund für die Vertragsverlängerung vergangenen Jahres gewesen: „Man muss natürlich dazu sagen, dass sowas nicht primär erster Grund sein darf, weil es letzten Endes ein Geschäft ist und ich mich loslösen müsste, wenn es anderswo besser wäre. Nichtsdestotrotz hat alles gut zusammengepasst.“

Hendrik Weydandt beim Torschusstraining von Hannnover 96
Weydandt beim Torschusstraining.

Der Profialltag bei Hannover 96 bringt einige Änderungen mit

Grundsätzlich kann man sich den Profialltag so vorstellen, wie man ihn sich denkt: Training, Training, Training. Am Wochenende ein Spiel. Dann noch Termine vom Verein wie Pressekonferenzen, Autogrammstunden, Sponsorentreffen. Schon eine große Umstellung im Vergleich zum Alltag in der Regionalliga oder gar Kreisliga, wie Weydandt selbst findet: „Als ich 2018 im Sommer angefangen habe, habe ich das erste Mal in meinem Leben wirklich Tag für Tag immer wieder trainiert. Im Regionalligabereich bei Egestorf oder gerade bei Groß Munzel war das deutlich weniger, dementsprechend war das für mich natürlich körperlich, belastungsmäßig eine Umstellung.“ Damit habe er vor allem in den ersten vier bis fünf Monaten sehr zu kämpfen gehabt. 

Die Ernährung war ebenfalls eine große Umstellung. Damit habe er aber keine Probleme gehabt. Anders sieht das bei sämtlichen Freizeitaktivitäten oder beim Treffen mit Freunden aus. „Darüber hinaus sind die Wochenenden quasi weggefallen für Freizeitaktivitäten. Das ist eine Nebenerscheinung, die am Anfang etwas schwerer zu akzeptieren war, die aber mittlerweile zur Gewohnheit geworden ist, und die Momente, in denen es dann möglich ist, was zu unternehmen, werden dann ein bisschen mehr genossen. Von daher ist das alles kein Problem mehr. Was die größte Umstellung war: dass wirklich ab Juli bis Ende Mai, also quasi fast ein ganzes Jahr, Fußball angesagt ist. Da gibt es nichts mit spontan wegfahren oder spontan irgendwohin fliegen. Man hat dann wirklich nur vier, fünf Wochen, in denen man seinen Urlaub auskosten muss, und gezwungen ist, Urlaub zu machen. Darauf muss man sich einstellen, weil es diese spontanen Geschichten nicht mehr gibt.“

Auf der Straße angesprochen zu werden, war für ihn neu, aber mittlerweile habe er sich daran gewöhnt. An dem Menschen Weydandt sind ihm selbst positive Veränderungen aufgefallen: „Im Großen und Ganzen bin ich auf jeden Fall selbstbewusster geworden. Auch durch die Phasen, die man durchmacht – seien es positive, aber auch negative Phasen, wo man auch öffentlicher Kritik oder Anregungen standhalten muss. Da lernt man sich selbst kennen. Ich denke, da habe ich mich nicht irgendwie verbogen, sondern das ist schon alles in die richtige Richtung gelaufen.“

Weydandt jubelt nach seinem Tor gegen Braunschweig
Hendrik Weydandt dreht nach seinem wichtigen Tor im Derby gegen Eintracht Braunschweig zum Jubeln ab.

Derbytor als bisheriges Highlight

Einer der Wünsche eines jeden Hannover 96 Spielers sei mit Sicherheit der Derbysieg gegen den Erzrivalen Eintracht Braunschweig, wie Weydandt glaubt. Aber ihm gelang nicht nur der Sieg mit der Mannschaft, sondern er traf sogar: „Jetzt vor Kurzem das Derbytor war für mich ein Meilenstein, der in eine Hannover-96-Karriere gehört und der für mich natürlich auch sehr viel Wert hat. Ein Tor, was ich nie vergessen werde.“ Das Trikot hänge in seiner Wohnung. „Da wird einem bewusst, wie viele Emotionen in diesem Sport stecken und wie viel Spaß es machen kann und dass man sich wirklich auch in schlechten Tagen einfach daran entlang hangeln muss und auch wieder gute Zeiten kommen. Für solche Momente macht man das Ganze – das war wirklich ein Moment für die Ewigkeit.“

Gehe es nach Weydandt, ist das aber nicht der letzte Meilenstein, den er bei Hannover 96 erreichen will: „Ich möchte Führungsspieler werden bei 96. Ich denke, da bin ich auf einem guten Weg.“ Auch privat hat Henne seine Ziele nie aus den Augen verloren: „Ich mache gerade meinen Master, möchte den natürlich sehr gerne mit einer vernünftigen Note abschließen. Das hoffe ich dann auch im Frühjahr 2022 machen zu können. Und dann nach der Fußball-Karriere in Richtung Unternehmenssteuerberater-Examen zu gehen und es zu schaffen. Das sind Ziele, die ich grundsätzlich schon immer habe, die ich auch nicht verändert habe.“ Auch Kleinigkeiten im Fußballbereich könne er sich nach seiner Karriere vorstellen, sollte es mit seinen beruflichen Zielen zeitlich passen.

Weydadnt während der Vorbereitung bei Hannover 96
… 2018 folgte der Wechsel zur Zweiten Mannschaft von Hannover 96. Doch damit nicht genug: Weydandt profitierte von der Stürmernot bei Hannover 96 während der Vorbereitung. Plötzlich waren seine Mitspieler große Namen, gestandene Bundesligaprofis, wie Haraguchi oder Bebou. Weydandt wusste zu überzeugen. Er traf regelmäßig, sodass der damalige Trainer André Breitenreiter ihm auch im DFB-Pokal gegen den KSC eine Chance gab.

Autor: Tom Haferkorn
Fotos: Lars Kaletta

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