Im Gespräch mit Pastorin Annette Behnken

23. September 2020 / Im Gespräch

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Als Moderatorin der ARD-Sendereihe „Das Wort zum Sonntag“ sagt die evangelische Pastorin Annette Behnken schon mal, wenn sie politische Entscheidungen „zum Kotzen“ findet. Neben dem „Wort zum Sonntag“ ist Behnken auch als NDR-Moderatorin der Klosterküche und Sprecherin von Morgenandachten im Radio bekannt. Was sie darüber hinaus noch macht und vorhat, verriet sie radius/30 beim Interview im heimischen Wennigsen.

radius/30: Wann waren Sie das letzte Mal so richtig wütend?

Annette Behnken: Da muss ich erstmal nachdenken.

Über etliche Nachrichten kann man sich doch bestimmt aufregen? Ich spreche Sie nicht ohne Grund an. Schließlich sind Sie für klare Worte in Ihren „Wort zum Sonntag“-Beiträgen bekannt. Ich darf Sie zitieren: „Das kotzt mich an!“

Das ist gar nicht so typisch für mich. Eigentlich bin ich eher leise in meinen Worten, ich mag sehr die stillen Themen. Sie sprechen auf dieses eine „Wort zum Sonntag“ an; das war sehr politisch und wir sind als Wort-zum-Sonntag-Sprecher ja auch aufgefordert, zu aktuellen politischen Themen aus christlicher Perspektive Stellung zu nehmen. Da habe ich mich so richtig, richtig aufgeregt. Das passiert schon mal, dass mir der Draht aus der Schüssel springt.

Wie sind die Reaktionen auf diese Sendung ausgefallen?

Total gespalten, typisch für unsere Zeit. Euphorie und Shitstorm. Nichts dazwischen. Vielen habe ich aus der Seele gesprochen. Es ist ja auch zum Kotzen. Das musste ich einfach sagen. Der Shitstorm kam ganz klar von rechts. Interessant zu beobachten war, dass dies über Kampagnen gesteuert wurde. Nach Ausstrahlung der Sendung am Samstagabend gab es sofort massig positive Kommentare. Ab Montagmittag setzte der Shitstorm ein, angefacht durch Weiterverbreitung in rechten Foren.

Wie spontan ist Ihre Wortwahl? Die Sendung wird doch vorher aufgezeichnet?

Ich schreibe meine Reden natürlich vor. Die Themenkonferenz für das Wort zum Sonntag findet immer am Montag vorher statt. Das machen wir zu dritt; ein NDR-Redakteur und ein Beauftragter des Gemeinschaftswerks evangelischer Publizistik und ich. Dabei wird viel Rücksicht auf meine Ideen genommen. Manchmal bin ich aber auch froh, wenn die Redakteure eine Idee einbringen. In diesem besonderen Fall ging es um Erdogans Öffnung der Grenzen für die Flüchtlinge. Mir ist ja nicht neu, was in den griechischen Flüchtlingslagern passiert, aber als ich mir bewusst machte, wie lange das dort schon so schlimm zugeht und sich jetzt alles zuspitzt, hat mich das wütend gemacht. Das ist ein brutaler, menschenunwürdiger Umgang mit den Schwächsten der Schwachen. Das macht mich bis heute wütend.

Die vielen schlechten Nachrichten aus aller Welt, gerade in Corona-Zeiten, müssten Sie ja tagtäglich wütend machen …

Tatsächlich wird vieles von Corona überlagert. Mir geht es wie vielen anderen. Ich bin total erschöpft von diesen Corona-Monaten. Und habe gar nicht mehr viel Kraft, mich weiter aufzuregen. Allerdings: Wenn man in die sozialen Medien schaut, regen sich alle über alles auf. Das regt mich wiederum auf, über was für einen Pipifax sich die Leute aufregen.

Eine meiner vorformulierten Fragen haben Sie damit quasi schon beantwortet: Wie bewerten Sie die Meinungsbildung durch sogenannte Mainstream-Medien versus soziale Medien?

Ich finde es enorm problematisch, dass immer mehr Menschen nicht zwischen Fake News und echten Fakten unterscheiden können. Die aktuell sich so nennenden „Querdenker“ finde ich da ein sehr beunruhigendes Symptom. Mal abgesehen davon, dass ich es ärgerlich finde, dass das für mich eigentlich sehr positiv besetzte Wort „querdenken“ da für so etwas Unreflektiertes benutzt wird.

Und wie kann man diese unterscheiden?

Ich bekomme viele Zuschriften mit irgendwelchen YouTube-Videos, die irgendetwas belegen sollen. Etwa, dass Flüchtlinge alle Wirtschaftsschmarotzer sind. Oder dass die Situation an den Grenzen gar nicht so schlimm ist. Oder was auch immer. Aber es lässt sich gut nachverfolgen, aus welcher politischen Ecke diese Posts kommen. Man muss halt lernen, die Quellen zurückzuverfolgen. Das gehört auch in die Schulen, finde ich, dass Kinder und Jugendliche lernen zu verstehen, wie soziale Medien benutzt, aber auch missbraucht werden, und wie sie damit reflektiert umgehen können.

Interview: Bernd Schwope

Das vollständige Interview mit Annette Behnken …

… lesen Sie in unserer aktuellen radius/30 Herbstausgabe. Darin unter anderem die Antworten auf die Fragen, was die Klosterküche ist, wie ein Beitrag für „Das Wort zum Sonntag entsteht“ und ob auch eine Pastorin am Glauben zweifelt.

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