Jetzt weniger Miete zahlen oder zurückverlangen?

23. April 2021 / Aktuell

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Gewerbliche Mietzahlungen gehören für viele Unternehmen zu den größten laufenden Kostenpositionen. Muss das Geschäft wegen der Covid-19-Pandemie geschlossen bleiben und können dadurch keine oder nur geringe Einnahmen erzielt werden, kann dies zu ernsten Liquiditätsproblemen bis hin zur Existenzgefährdung führen. In dieser Situation sind möglichst alle Optionen der Kostenreduktion zu prüfen und – soweit möglich – umzusetzen. Dies gilt auch für zu zahlende Gewerberaummieten.

In der bisherigen Rechtsprechung gab es unterschiedlichste Entscheidungen zu der Frage, ob eine corona-bedingte Schließung ein Fall der „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) sein könnte und welche finanziellen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Änderung der Geschäftsgrundlage gilt dabei als absoluter Ausnahmefall, der nur dann greifen kann, wenn die Regelungen des Vertrags selbst und die im Gesetz vorgesehenen regelmäßigen Rechtsbehelfe die eingetretene Störung im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht beheben können.

Ob Gewerbemietverträge durch eine Minderung der Miete wegen der Auswirkungen der Covid-19-Schutzmaßnahmen nach den Regeln des § 313 BGB anzupassen sind, hängt davon ab, ob beide Vertragsparteien den Vertrag in der bewussten Erwartung abgeschlossen haben, es werde keine Pandemie ausbrechen, die zu Geschäftsschließungen führt. In der Rechtsprechung gab es bisher keine derartigen Pandemiefälle. Und ob eine Pandemie und ihre Folgen mit dem Ausbruch eines Weltkriegs vergleichbar sind, bleibt fraglich. Da die Rechtslage durch den Bundesgerichtshof bisher nicht geklärt ist, hat der Bundestag auf der gesetzgeberischen „Überholspur“ durch eine Einzelfallregelung für die Corona-Situation eingegriffen.

Die neue gesetzliche Vermutung

Seit dem 1.1.2021 gilt nun die gesetzliche Vermutung, dass sich ein Umstand im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage eines Gewerbemietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat, wenn staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie dazu führen, dass die Mieträume für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind. Ergänzend dazu wurde geregelt, dass gerichtliche Verfahren über die Anpassung der Gewerbemiete aus diesem Grund vorrangig und beschleunigt behandelt werden müssen. Für diese Prozesse soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.

Was bedeutet das für Mieter und Vermieter?

Da sich die neue gesetzliche Vermutung auf Tatsachen bezieht, kann sich dies grundsätzlich auch rückwirkend auf Mietzahlungen für das Jahr 2020 erstrecken. Betroffen sind dabei alle Mietobjekte, die nicht zu Wohnzwecken vermietet wurden. Die neue Regelung erleichtert die Verhandlungssituation für Gewerbemieter deutlich. Kann der Mieter darlegen und beweisen, dass die Mieträume aufgrund Corona-bedingter behördlicher Schließungen für seinen Betrieb nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, greift die gesetzliche Vermutung der schwerwiegenden Veränderung von Umständen im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB. Somit ist es die Aufgabe des Vermieters, diese zu seinen Lasten wirkende Vermutung zu widerlegen. Dieser muss dann darlegen und beweisen, dass, warum und in welchem Umfang die Verwendbarkeit eben nicht eingeschränkt war. Schließlich kommt es dann noch darauf an, dass es unter den gegebenen Umständen für den Mieter unzumutbar ist, an dem Vertrag mit seinem so geschlossenen Inhalt festzuhalten.

Die Folge bei einer dann festgestellten Unzumutbarkeit ist ein Anspruch auf Vertragsanpassung. Dies kann nicht nur eine Herabsetzung der Miethöhe sein, sondern auch andere Änderungen, wie Verkleinerung des Mietobjekts oder Anpassungen von Fälligkeiten oder Sicherungsrechten. Die neue Regelung gibt dem Mieter damit zwar kein Recht auf „automatische Minderung“ der Mietzahlungen, verschafft ihm jedoch eine deutlich bessere Verhandlungsposition. Dabei kommt es für den Erfolg in der Praxis vielfach entscheidend darauf an, diese Verhandlungsposition gut vorzubereiten und alle Aspekte des jeweiligen Einzelfalls dabei zu berücksichtigen.

Für Vermieter von Gewerberäumen wird es nunmehr schwierig werden, das Verwendungsrisiko der Mieträume einseitig dem Mieter aufzuerlegen. Und in einem Prozess wird der Viermieter vielfach Probleme damit haben, die weitere Verwendbarkeit der Mieträume nachzuweisen. Hier fehlt es oft an den Informationen über die Vertriebs- und Geschäftsabläufe des Mieters und dessen Handlungsalternativen. Vielfach dürfte damit eine – auf beiden Seiten gut vorbereitete – Verhandlung der Mietparteien mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung (Vertragsanpassung) ohne weiteres Gerichtsverfahren mit ggf. ungewissem Ausgang vorteilhaft sein. Hierzu sollte die aktuelle Rechtsprechung (nach Redaktionsschluss) jeweils ergänzend berücksichtigt werden.

Die Neuregelung seit 1.1.2021 (Art. 240 § 7 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche): Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Text: Dirk Gundelach

zur person

Dirk Gundelach ist Rechtsanwalt und berät und vertritt mit seiner Kanzlei ajura in Rechtsangelegenheiten – insbesondere in zivilrechtlichen Fragen und Streitigkeiten. Die Kanzlei im Nordosten Hannovers ist darüber hinaus spezialisiert auf die Bereiche Arbeitsrecht (Fachanwalt), Wirtschaftsrecht, Familienrecht (Fachanwalt), Erbrecht, Schadensrecht und gewerblichen Rechtsschutz.
www.ajura.de

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