KATALOQ: Kunst und Politik

03. November 2020 / Kultur

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Ein Werk des ersten Kapitels von Mathis Florian Körner, Fotograf aus Hannover und Mitbegründer von KATALOQ.

„KATALOQ – eine Verbindung des Schönen mit dem Guten, der Kunst mit Politik, der Ohnmacht mit dem Handeln“, so beschreiben die Mitglieder ihre Idee: eine demokratische Online-Galerie für politisch motivierte Menschen mitten aus Hannover. Lokale Künstlerinnen und Künstler stellen ihre Werke zum Verkauf zur Verfügung. Der gesamte Gewinn wird an gemeinnützige Hilfsorganisationen gespendet. Jede Entscheidung über Kunstwerke und -genres oder begünstigte Organisationen wird durch Abstimmung im Kollektiv getroffen. radius/30 erfuhr von Fritz Fehr, wer und was genau hinter KATALOQ steckt.

radius/30: Fritz, wer steckt hinter der Idee und Durchführung von KATALOQ?

Fritz Fehr: Neun Studierende, die eine simple Idee verbunden hat: politisches Engagement durch Kunst neu erfinden. In der Hochphase der Corona-Pandemie standen wir unabhängig voneinander vor der Situation, dass die Probleme der Welt und unserer Gesellschaft schier übermächtig erschienen. Wir haben uns machtlos gefühlt ob der Vielzahl an Problemen, Konflikten und Herausforderungen und haben einen Weg gesucht, dieser Ohnmacht mit für uns realisierbaren Mitteln zu begegnen. Uns verbindet die Liebe zur Kunst, ein ausgeprägtes politisches Interesse sowie das Gefühl, neue Wege gehen zu wollen, um unsere politischen Überzeugungen zu unterstützen. So entstand KATALOQ – eine Verbindung des Schönen mit dem Guten, der Kunst mit Politik, der Ohnmacht mit dem Handeln.

Die Impulsgeber für unsere politische Galerie KATALOQ waren die Studierenden Mathis Körner und Hannah Aders, die innerhalb kürzester Zeit fünf weitere Studierende aus verschiedensten Bereichen begeistern konnten für die Idee, Kunst zu verkaufen und den Gewinn an gemeinnützige Organisationen zu spenden. Aktuell stecken hinter KATALOQ neun Mitglieder mit kreativen und geisteswissenschaftlichen Hintergründen. Trotz oder gerade wegen unserer verschiedenen Hintergründe entwickelte sich bald eine symbiotische Zusammenarbeit. Und ganz nebenbei wurden innerhalb kürzester Zeit aus Unbekannten Freunde. Nach den aufregenden ersten zwei Kapiteln (Anm. d. Red.: Kapitel sind die einzelnen Zyklen, in denen neue Kunstwerke und Initiativen vorgestellt werden.) hat sich mittlerweile eine entspannte Eigendynamik entwickelt, die es uns erlaubt hat, drei weitere Mitglieder aufzunehmen. Und wir freuen uns auf alle, die noch folgen!

Links: Simon Schirmer, Grafik-Designer und Illustrations-Künstler aus Hannover, stellte seine Werke für das zweite Kapitel zur Verfügung.
Rechts: MELANCHOLICALLY ALIVE – ein Werk von Hannah Aders, die zwischen Berlin und Hannover lebt und arbeitet.

Wie seid ihr auf die Idee zu KATALOQ gekommen?

Die Idee entstand, weil zwei Studierende ihre Kunst nutzen wollten, um Spenden zu sammeln, um die Lage der in Moria lebenden Geflüchteten zu unterstützen. Die Situation in den Camps auf Moria, die Klimakrise, aber auch der immer deutlicher werdende Rechtsruck, struktureller Sexismus und Rassismus – die Vielzahl der Problemfelder, die uns bei der Gründung am Herzen lagen, ist so vielfältig wie allgegenwärtig, dass wir uns mit der Frage konfrontiert sahen: Was können wir tun? Was kann jede Einzelne tun? Unsere Antwort war, das zu nutzen, was uns am nächsten ist: Kunst. Ursprünglich sollte der Verkauf eine einmalige Sache werden, aber schnell haben wir erkannt, dass es uns nicht reicht, Spenden für Moria zu sammeln und dann in den Alltag zurückzukehren. So haben wir entschieden, aus einer ursprünglich einmaligen Idee ein langfristiges Projekt zu starten, um regelmäßig, bedarfsgerecht und künstlerisch anspruchsvoll politische Baustellen zu adressieren.

Was bedeutet für euch „demokratisch“ und „politisch motiviert“?

Unsere Definition von „demokratisch“ entspricht im Grunde der zur Staatsorganisation. Bei uns heißt es nicht „Alle Macht kommt aus dem Volk“, sondern: Alle Macht den Mitgliedern! Wie das konkret aussieht? Jede Entscheidung wird durch Abstimmung im Kollektiv getroffen. Das gilt nicht nur in organisatorischen Fragen, sondern auch bei der Auswahl des Kunstgenres, der Künstlerinnen und Künstler sowie der begünstigten Organisation – jedes Kapitel aufs Neue. Da sich über Kunst bekanntlich trefflich streiten lässt, geht es darum, Vorschläge zu unterbreiten, zu diskutieren, Abstimmungen zu organisieren, seine Stimme abzugeben – und schweren Herzens die ein oder andere abgeschmetterte Initiative zu akzeptieren.

Mascha Wolfram, Grafikdesignerin und Illustratorin aus Hannover, unterstützte KATALOQ im zweiten Kapitel mit ihren Kunstwerken.

Wir versuchen bei allem, was wir tun, Konsens zu finden oder zumindest eine breite Mehrheit. Wir wollen, dass unsere Mitglieder jederzeit ihre Stimme und Hintergründe einbringen können und das Gefühl haben, ihre individuellen Ziele verwirklichen zu können. Das ist manchmal widersprüchlich und oft auch etwas anstrengend. Aber es fördert das, was wir als zentrales Gut in unserer Demokratie ausmachen: den Dialog miteinander und die Bereitschaft, auf die Bedürfnisse anderer einzugehen. Über die intern gelebte Demokratie hinaus möchten wir zudem einen Beitrag zur prodemokratischen Arbeit leisten, zum Beispiel in Form von politischer Aufklärungsarbeit, durch Förderung bürgerschaftlichen Engagements und die Stärkung eines interdisziplinären Dialogs.

Unser Ziel ist es, Menschen zu motivieren, ihre Stimme zu nutzen und auch in den vier Jahren vor dem nächsten Gang zur Wahlurne politisch aktiv zu werden. Demokratisches Engagement findet in unseren Augen nicht einmal alle vier Jahre statt, sondern ist täglich nötig, um den sperrigen Begriff der Demokratie mit Leben zu füllen. Letztlich ist es unser Anspruch, all diejenigen Werte zu vermitteln, die für eine freiheitliche Demokratie unabdingbar sind: Gleichheit, Solidarität und Toleranz. Diese Werte nach außen zu tragen und hierfür einzustehen, ist unser letztes, aber vielleicht wichtigstes Anliegen. Auf diesen drei Ebene üben wir Demokratie im kleinen Rahmen. Unsere politische Motivation ergibt sich aus der Gesamtheit aller Beweggründe, die uns antreiben, unser Recht auf politische Teilhabe auszuüben. Anders gesagt: Wir haben Lust, Dinge zu verändern. Wir haben Ideen für ein besseres gesellschaftliches Miteinander und die Energie, diese umzusetzen. Wir wollen beweisen, dass Politik auch ohne Parteiarbeit geht und jeder einen Beitrag leisten kann. Wir wollen uns nicht hinter der Arbeit anderer verstecken, sondern bewusst die Arbeit der Zivilgesellschaft fördern und fordern.

Wie kann man mitmachen – als Künstlerin oder Künstler, aber auch als Mitglied?

Künstlerinnen und Künstler sind herzlich eingeladen, mit uns in Kontakt zu treten, wenn sie Interesse an einer Kooperation haben. Wir freuen uns über jede Anfrage und sind offen für neue Impulse. Dieser Tage sind wir dankbarer denn je, dass Künstlerinnen und Künstler bereit sind, uns ihre Werke kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ohne sie gäbe es KATALOQ nicht! Das Gleiche gilt für alle, die Interesse an einer Mitgliedschaft haben. Die muss nicht zwingend aktiv sein. Wem unsere Arbeit gefällt, wer aber nicht unbedingt am operativen Geschäft beteiligt sein möchte, kann auch passives Mitglied werden. Es gibt auf jeden Fall viel zu tun. Für viele von uns ist es das erste Projekt dieser Art und die Vielfalt der Aufgaben kann bisweilen herausfordernd sein. Wir freuen uns, wenn Menschen uns unterstützen wollen, ob als Künstlerin oder Künstler oder als Mitglied.

Das gesamte Interview mit Fritz Fehr von KATALOQ ist in der radius/30 Herbstausgabe zu finden.

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