Kinos, Corona und die Kundschaft

11. Juni 2021 / Erstlingswerk

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Aushang an der Tür eines lokalen Kinos

Die Projektoren aus, leere Popcornmaschinen, keine Schlangen an den Kassen. Seit einem Jahr steht der Betrieb in den deutschen Kinos. Niemand weiß wirklich, wie es weitergehen soll und Erfahrungen der Vergangenheit bringen nichts. Die Hoffnung ist, dass das Publikum an Tag Eins wieder da ist. 

„Es herrscht gerade eine gewisse Hoffnungslosigkeit, denn du kannst nicht einfach sagen, dass wir die Kinos morgen wieder aufmachen.” Carsten Knoop ist Leiter eines kleinen Programmkinos, dem Lichtmeß in Hamburg. „Das checken die Verantwortlichen auch nicht so, dass du mindestens einen Monat Vorlauf haben musst, bevor du so ein Kino wieder aufmachen kannst. Vorher geht das gar nicht.“

Knoop musste, als im Oktober Vorstellungen noch möglich waren, die meisten Veranstaltungen doppelt stattfinden lassen, damit er niemand nach Hause schicken musste. Ausverkauft, aber das bei nicht einmal halb vollem Kino. 

Die Rettung des Kinos

Innerhalb der letzten zwölf Monate war die Anzahl der großen Filmstarts im deutschen Kino überschaubar. Der große Brecher auf Mitte des Jahres, der Science-Fiction-Film Tenet, Christopher Nolans „Rettung des Kinos“, spielte in seiner Eröffnungswoche im deutschen Kino 5,15 Millionen US-Dollar ein. Zum Vergleich spielte genau ein Jahr vorher „ES – Kapitel 2“ 15 Millionen US-Dollar ein. In etwa so viel wie Tenet in seinem kompletten Kino-Auswertungszeitraum. „Tenet musste innerhalb von zwei, drei Wochen überall gespielt werden“, erzählt Knoop. „Der lief in jedem Kino. Im Cinemaxx gab es zu jeder Tageszeit einen Saal, in dem der lief. Dadurch werden nicht die Zuschauer mehr, die verteilen sich nur. Die Säle sind dann halb-voll, weil die Leute sich dann auf andere Säle verteilen.“ 

In den Multiplexkinos, wie dem Cinemaxx, war die Lage nicht besser. Denn während ein kleines Kino wie das Lichtmeß vielleicht nicht so sehr mit den Mieten zu kämpfen und eine kleine Belegschaft hat, bedeuten mehr Säle natürlich auch mehr Kosten. Und hier fällt der Markt weg, über den sich ein solches Kino am ehesten finanziert: Snacks und Getränke.

Warner Brothers und Disney testen Onlinelösungen

Der Verleiher Warner Brothers kündigte an, dass das Angebot 2021 nur noch lediglich 28 Tage Spielzeit in den Kinos hat. Denn ab dem Zeitpunkt sollen die Filme bereits bei Sky abrufbar sein. In einem Interview mit Variety sagte Sky-Manager Zai Bennet, er hoffe, dass dieses Veröffentlichungsmodell funktioniere, denn es würde so den Verleihern eine „Pipeline“ bieten. Sky hat Verträge mit allen großen Verleihern bis auf Disney.

Disney testete mit einigen verschiedenen Modellen. So wurde Pixars letzter Animationsfilm „Soul“ am ersten Weihnachtsfeiertag 2020 für jeden mit einem Disney+ Account verfügbar gemacht, während erst die Realverfilmung des Disney-Klassikers „Mulan“, Disney Animations „Raya und der letzte Drache“ und im Juli Marvel Studios „Black Widow“ gegen einen Aufpreis von 22 Euro mit einem „VIP-Pass“ zu sehen waren. Allerdings bleibt dieser zusätzliche Preispunkt für drei Monate, bevor er ohne weitere Kosten abrufbar ist.

Luftfilter erhöhen die Sicherheit in Kinos

Denn auch wenn die halb gefüllten Säle nicht gerade ein Gefühl von hohen Besucherzahlen vermitteln, ist eine hygienische Sicherheit wichtiger. Es wird konstant auf Abstände geachtet, die Räume sind meist groß genug, um ihn zu allen Seiten wahren zu können, Masken sollen den Film über aufbleiben. Knoop musste jetzt Luftfilter im Saal installieren, unter dem erschwerten Umstand, dass diese so geräuschlos wie möglich laufen.

Um während des Filmes nicht zu stören. Die Kosten pro Luftfilter beliefen sich auf knapp eintausend Euro. Und es werden im Falle des Lichtmeß, einem vergleichsweise kleinen Kino, zehn dieser Luftfilter benötigt. Das Geld dafür sollte aus einem Topf der Filmförderung kommen, doch auch der war schneller aufgebraucht als gedacht und so gingen manche Kinos leer aus. 

Auf die Frage wie er Filme für ein Monatsprogramm finde, antwortet Knopp: „Ich sehe immer mehr Filme, die ich hätte zeigen wollen, die jetzt online laufen. Kann man sich für einen Euro mieten.” 

Ich seh dich dann online!

Durch die Schließung der Kinos ist weltweit der Anteil an Filmen, die über Streamingdienste verfügbar sind, massiv in die Höhe geschossen. Verleiher wollen ihre Filme schließlich an ein Publikum kriegen. Im Winter gab es Berichte, dass MGM, das Studio hinter James Bond, versucht hätte den neuesten Teil „No Time To Die“ für 600 Millionen US-Dollar an Apple und Netflix zu verkaufen. Bei einem berichteten Budget von 250 Millionen US-Dollar, wären diese 600 Millionen in etwa das, was man erwartungsgemäß an den Kinokassen eingespielt hätte. Aktuell liegt der Kinostart von „No Time To Die“ auf dem 30. September 2021. Und er wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der erste Blockbuster sein, den das Kino nach der Pandemie erleben darf.

Eine der Streamingplattformen, die es geschafft haben, in der Pandemie Fuß zu fassen, ist das Unternehmen Kino On Demand. Hier kann der Zuschauer Filme online mieten, ein Kino auswählen und dieses dann damit unterstützen. Geschäftsführer Philipp Hoffmann möchte mit Kino On Demand die „Grenzen zwischen Kinofilm und Streaming überwinden“. Um sein Publikum zum Kinogang zu bewegen, bekommt jeder Nutzer bei Kino On Demand direkt nach Abrufen des ersten Films sowie nach jedem fünften Film einen Gutschein über fünf Euro, den er bei einem Kino seiner Wahl einlösen kann. Und auch wenn hiermit die Kinos nicht direkt unterstützt werden, da die fünf Euro aus der Tasche von Kino On Demand kommen, ist doch die Hoffnung, dass das Publikum wieder zum Kinobesuch angeregt wird.

„Kino On Demand, da bekommt jedes Kino einen kleinen Teil von ab. Aber hilft uns das?“

Carsten Knoop, Lichtmeß

Der Blick in die Zukunft der Kinos

Kino On Demand bietet auch „Onlinepremieren“ von Filmen, für die ein „Ticket“ ca. zehn Euro kostet. Ein Teil dieser zehn Euro gehen direkt an die Kinos. Vorher wird allerdings erstmal die Mehrwertsteuer abgezogen und auch Kino On Demand nimmt sich einen „Betreiberanteil“ von 25 Prozent. Von der verbleibenden Summe bekommen die Kinos dann, abhängig von Verleiher, zwischen 30 Prozent und 50 Prozent. Also bleiben etwa 1,50 Euro übrig, die an die Kinos weitergegeben werden.

Knoop hat eine Idee, wie ein Neustart der Kulturlandschaft aussehen könnte: „Also man müsste, wenn man aufmacht, auch mit einem neuen Konzept aufmachen. Aber ich glaube auch, das mit dem Abstand würde allein nicht reichen, also es wird entweder die Corona Warn-App kommen oder die Schnellstests vorweg.“ 

Autor: Jan-Philipp Voß

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