Ist das Kind tödlich erkrankt, finden sich die Eltern in einem Lebensdrama wieder. Oft können sie die Situation nicht alleine meistern. Hier helfen die Ehrenamtlichen des ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Hannover. Schon im Lehrgang erfahren sie intensive und emotionale Momente. Stephanie Schmiedhold (53) ist eine der freiwillig Helfenden des ASB Kinder- und Jugendhospizdienstes (KiHo) Hannover. Im Interview erzählt sie, warum sie den viermonatigen Befähigungskurs mitgemacht hat, was sie dort für den Umgang mit sterbenden Kindern im Kinderhospiz lernen konnte und wie ihre Aufgabe in der Kinderbegleitung aussieht.
Warum möchten Sie Kinder im Kinderhospiz begleiten?
Ich bin grundsätzlich gerne mit Kindern zusammen, also wollte ich ein Ehrenamt übernehmen, das mit Kindern zu tun hat und wo ich eine Hilfe sein kann – eine Freundin hat mir von ihrer Ausbildung beim ASB erzählt. Bevor ich den Lehrgang vor drei Jahren begann, war ich beruflich außerdem nicht mehr so ausgelastet, mein Sohn war bereits ausgezogen und ich hatte den Kopf frei. Das war wichtig, denn man kann das nicht nebenbei machen. Man muss viel lesen, aber vor allem muss man sich ständig prüfen, ob man sich damit auseinandersetzen will.
Was sind Ihre Gedanken dazu?
Lebensverkürzende Erkrankungen sind immer ein hartes Thema und hier geht es um Kinder. Wenn man selber Kinder hat, weiß man, würde das Kind sterben – das wäre das Schlimmste, was einem passieren kann.
Es ist schwierig, wenn einem das Thema zu nahe geht. Wenn man aber den Punkt sieht, dass man den Familien in dieser Situation Aufmerksamkeit, Liebe und Hilfestellung geben kann, dann ist das eine sehr schöne Sache. Außerdem kann man bei dem KiHo sehr viel Verschiedenes machen. Wenn man sich nicht in der Lage sieht, die Kinder zu begleiten, kann man auch in der Öffentlichkeitsarbeit helfen, gesunde Geschwisterkinder betreuen oder den Eltern zur Seite stehen.
Warum ist die Begleitung der Angehörigen der erkrankten Kinder wichtig?
Mit einem schwer kranken Kind haben Eltern oft damit zu kämpfen, dass das Umfeld nicht damit umgehen kann und sich zurückzieht. Weil sich ihre Familie und Freunde schwer damit tun, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, stehen viele Erziehungsberechtigte alleine da. Wenn man da die Eltern unterstützt, kann man auch eine ganze Menge bewirken.
Bevor man tödlich erkrankte Kinder und deren Familien begleiten kann, muss man an dem viermonatigen Kurs, in den Räumen des ambulanten Kinderhospiz des ASB, teilnehmen. Stephanie Schmiedhold und neun weitere Freiwillige trafen sich meist wöchentlich für verschiedenste Lehrveranstaltungen, Erfahrungsberichte und Übungen.
Wie lief Ihr Lehrgang ab?
Am Anfang lernten wir uns, das heißt die Teilnehmer und die Ausbilder, erstmal kennen. Jeder erzählte seine Geschichte – auf großen Tapetenrollen haben wir zum Beispiel aufgemalt, was uns ausmacht. Dann haben wir darüber gesprochen, was es für Krankheiten bei den Kindern gibt. Aktive Begleiter des Kinderhospiz und anderen Kinderpflegediensten haben ihre Erfahrungsberichte vorgestellt. Hierbei mussten schon einige Teilnehmer weinen, aber, dass jemand weint und getröstet werden muss, gehört dazu.
Wie wichtig war Ihnen die Gemeinschaft unter den Teilnehmenden?
Unter den 10 Leuten waren ganz unterschiedliche Menschen und doch sind alle dadurch verbunden, dass man sich mit dem Thema Sterben beschäftigt. Dabei brachte die Offenheit und Ehrlichkeit von jedem ein gewisses Vertrauen, sodass man sich gut auf die Thematik einlassen konnte. Man soll mit dem Thema Sterben später in den Familien ein Gesprächspartner sein. Das haben wir in Kommunikationsübungen gelernt. In der Gesellschaft reden wir sonst höchstens über Beerdigungen, aber wir reden eigentlich nicht darüber, was passiert, wenn man stirbt. Wie bereitet man sich darauf vor? Was geschieht da? Diese Themen werden einen beschäftigen, wenn man in die Begleitung geht, und das ist nicht immer leichte Kost.
Haben Sie diese vielen Geschichten über sterbende Kinder verändert?
Ja, ganz bestimmt. Wenn man meine Familie und Freunde fragt, würden die vermutlich nicht sagen, dass ich mich charakterlich verändert habe, aber man geht mit Dingen anders um. Man geht mit offeneren Augen durchs Leben, spricht Sterben aktiver an oder spricht überhaupt darüber.
Zu Zeiten eines Lockdowns sind die Begleitungen selten gewünscht und nur eingeschränkt erlaubt. Im Gespräch hat Stephanie Schmiedhold erzählt, wen sie vor der Pandemie begleiten konnte.
Wie kamen Sie zu dem Kind, das Sie begleiten?
Ich bin nicht direkt in der Familienbegleitung, sondern kümmere mich um ein Kind im Kinderhaus Barbara in Laatzen. Nach der Ausbildung hatte gerade keine Familie Unterstützung angefragt, aber ich wollte trotzdem gerne eine Kinder-Betreuung. In dem Kinderhaus gibt es einen sterbenden, kleinen Jungen, der schwer gehandicapt ist. Er wurde als Säugling geschüttelt – daher dürfen ihn seine Eltern nicht mehr sehen.
Was können Sie mit dem Jungen bei einem Besuch unternehmen?
Sein Gehirn funktioniert nicht richtig, er wird künstlich ernährt und man kann nicht genau wissen, was er wahrnimmt. Wenn das Wetter gut ist, gehe ich mit ihm spazieren, sonst kuschle ich mit ihm, singe ihm etwas vor, lese etwas vor oder erzähle von mir, was mir gerade einfällt. Was davon wirklich ankommt, weiß ich aber nicht.
Dennoch bringt mir meine Aufgabe bei ihm sehr viel Glück und Freude. Ich schenke ihm gerne Zuneigung und mache alles, was Eltern sonst machen.
Warum haben Sie Spaß an der Begleitung?
Ich gebe nicht nur ihm was, sondern er gibt mir auch was – das ist schön. Wenn ich das kleine, warme Kind auf dem Schoß habe und er lacht, habe ich das Gefühl das ich ihn erreicht habe. Das ist für mich eine riesige Freude.
Weitere Informationen
Auf der Website des ASB Kinder-Hospiz Dienstes stehen weitere Informationen und der Kontakt zu den Koordinatorinnen.
Text und Bilder: Franz-V. Reitzler