Sie arbeiten im Verborgenen: Man sieht sie nicht, man hört sie nicht und man weiß eigentlich nichts über sie. Ihre zahlreichen Handgriffe und ausgeklügelten Arbeitsabläufe aber halten die gesamte Medizinische Hochschule Hannover (MHH) am Laufen, ohne sie geht nichts! Für sie selbst ist Bescherung, wenn medizinisches Personal mit leuchtenden Augen das von ihnen herbeigeschaffte Implantat für eine Hüft-OP entgegennimmt und Forschende begeistert ein neues Gerät einsetzen können. Ohne sie liefe: nichts! Ein kleines Loblied auf eine unsichtbare Zunft am Beispiel der MHH.
„Sie“ sind das Team der Logistik und sie sorgen nicht bloß für so gut wie alle physischen Transporte in der MHH, viele Tausend täglich. Der Transportdienst transportiert täglich Betten, Speisen, Material, Proben, Post und Abfall. 250 Start- und Zielpunkte werden pro Tag bei 1.000 Patiententransporten angesteuert, für Materialtransporte gibt es gar 700 solcher Punkte. Damit alle Patienten ein frisches, funktionsfähiges Bett bekommen, bereiten die Mitarbeitenden pro Jahr 80.000 Betten auf. Aneinandergereiht wäre das eine Bettenkette von Hannover bis nach Lübeck, 200 Kilometer, hat das Team ausgerechnet.
Transport von Mensch und Material
Patienten kämen nicht aus dem MRT zurück ins Zimmer, Studenten könnten nicht lernen und forschen, weil Studienzubehör fehlte, und die Mensa für die Mitarbeitenden bliebe kalt, weil niemand die Lebensmittellieferung erfasst und verräumt hat. Bei 10.000 Mitarbeitenden und 3.700 Studierenden und Auszubildenden würde binnen eines Tages ein unvorstellbares Chaos entstehen.
Alles, aber bitte unsichtbar!
„Wir besorgen alles, vom Bleistift bis zum neuen MRT“, sagt Andreas Kohlhase, Leiter des Geschäftsbereichs Logistik in der MHH und Geschäftsführer der MHH Service GmbH. Er verantwortet auch den Zentraleinkauf mit einem Volumen von 200 Mio. Euro jährlich sowie sämtliche unsichtbaren Prozesse, die Warenströme eines so großen und materialintensiven Unternehmens durchlaufen. Er ist quasi der logistische Dirigent hinter den Kulissen des größten Krankenhauses der Region, der mit seinen Mitarbeitern, dem Orchester, um im Bild zu bleiben, folgenden Anspruch erfüllt: „Alles soll rechtzeitig da sein, wo man es braucht. Aber bitte unsichtbar, ohne dass man es merkt.“
Neue Logistikzentrale am Stadtfelddamm
Vier Abteilungen bilden das Herzstück in der neuen Logistikzentrale am Stadtfelddamm und sorgen dafür, dass alles, Mensch und Material, zeitnah und in optimalem Zustand das Ziel erreicht. Um die ein- und ausgehenden Waren kümmern sich Poststelle und Materialwirtschaft, um die Versorgung mit wiederverwendbaren Instrumenten und Geräten die Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte (AEMP), auch Zentralsterilisation genannt, und die Feinkommissionierung um medizinisches Verbrauchsmaterial.
Im Frühjahr wurde die Zentrale nach einer Umbauphase in einem bestehenden Gebäude eröffnet, auf zwei Ebenen, direkt neben der Mensa. Hier können nun die oberirdischen An- und Abfahrten gebündelt werden, die zuvor über das Gelände erfolgten. Eine erhebliche Erleichterung für die Arbeit der guten Geister hinter den Kulissen.
Digitale Warenbestandserfassung
Zwei bis drei Vierzigtonner liefern täglich Verbrauchsgüter aus einem Verteilzentrum am Lindener Hafen zur MHH, weitere Vierzigtonner beliefern 12 andere Klinikstandorte in der Region Hannover. Es erspart der Stadt Hannover Verkehr und dem Krankenhaus Lagerkapazität und Kosten, wenn die Lieferanten zentral an einen leicht erreichbaren Ort liefern und die Krankenhäuser im Logistikverbund von dort nach Bedarf das Material beziehen können, Stichwort Konsignation: Bezahlt wird erst ab Entnahme aus dem Lager, bis dahin ist der Lieferant verantwortlich. An der MHH werden sämtliche Wareneingänge direkt an der Laderampe dokumentiert. Ab sofort lässt sich jede weitere Bewegung eines Gegenstands auf dem Gelände nachvollziehen.
Durchläufer und Lagermaterial
Kommen sogenannte Durchläufer am Wareneingang an, werden sie ohne Zwischenstopp an die Zielpunkte gebracht, zum Beispiel ein besonderes Hüftimplantat, das in einem OP bereits benötigt wird. Da solche Wege für ein einzelnes Produkt auf dem 400.000 Quadratmeter großen Gesamtgelände mit vielen Gebäuden und Etagen unrentabel wären, werden die Güter gebündelt auf internen MHH-Touren ausgeliefert. Alle anderen Lieferungen wie etwa Vorräte an Verbrauchsmaterial werden ins Lager verbracht, jederzeit in Menge und Lagerort abrufbar.
Sterile Aufbereitung und Desinfektion
In den Nachbarräumen des Lagers sind die AEMP und die Feinkomissionierung untergebracht. In der AEMP werden benutztes OP-Besteck und andere Instrumente aufbereitet, gereinigt und sterilisiert. Die „Steri“ mit der unreinen und der reinen Seite ist entsprechend der Dimension des Supramaximalversorgers MHH eine der größten in Deutschland. Auf 1.200 Quadratmetern kümmern sich knapp 70 Mitarbeitende darum, auf der unreinen Seite die benutzten Instrumente in Einzelteile zu zerlegen und zum Teil per Hand vorzureinigen, bevor in speziellen Reinigungs- und Desinfektionsgeräten (RDG) die eigentliche Reinigung erfolgt. Die RDG muten an wie Panoramaspülmaschinen mit verglasten Fronten, hinter denen die Spülprogramme für winzige Augenpinzetten bis zu großen Spreizzangen oder OP-Schüsseln Wasserstrahlen systematisch in alle Richtungen wirbeln und Hohlinstrumente durch einen Direktanschluss effektiv von innen säubern. Jedes Instrument wird im Anschluss einzeln von Hand auf Sauberkeit und Schäden geprüft, EDV-gestützt zu Sets zusammengestellt und im letzten Schritt werden hitzefeste Instrumente bei 134 Grad dampfsterilisiert. Hitzeempfindlichere Instrumente absolvieren den Prozess chemothermisch bei 50 bis 60 Grad.
Die Aufbereitung der gebrauchten in frische Instrumente geschieht kontinuierlich in zwei Schichten täglich, auch am Wochenende. Hunderttausend Sterileinheiten, die jeweils einem Siebträger in kleiner Backblechgröße entsprechen, schafft die AEMP pro Jahr. Auf einem Siebträger kann ein großes Einzelteil liegen oder zahlreiche winzige. Alle werden sorgfältig manuell einzeln geprüft und bei Bedarf repariert oder aussortiert. Für defekte Instrumente gibt es kein Zurück auf die Stationen.
Kreislauf der Instrumente
Der große Kreislauf der medizinischen Instrumente in der MHH funktioniert geräuschlos, zwischen dem OP, den Stationen und der Steri läuft alles rund, ist exakt getaktet. Rein rechnerisch würde der Durchlauf eines benutzten Instruments im schnellsten Fall sechs Stunden dauern, bis es wieder verwendet werden kann. Nie gehen den Stationen die Instrumente aus, nie stauen sich Transportwagenschlangen vor der „Steri“. Der Abteilungsleiter der AEMP, Sören Brauer, wacht über genaueste Dokumentation der Geräte und Arbeitsabläufe. Jederzeit ist nachvollziehbar, wer wann welches Teil wie aufbereitet hat, der Barcode macht es auch hier möglich.
Text: Carmen Eickhoff
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