NaBu Burgwedel und Isernhagen: Natur bewahren

30. Oktober 2021 / Natur und Umwelt

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Übersicht Vogelschutzgehölz in Großburgwedel von Norden | Foto: Christian Dulce

Mehr Artenvielfalt, mehr Lebensräume für Tiere und Pflanzen und mehr intakte Ökosysteme wünschen sich viele Menschen. Bei der Umsetzung hapert es jedoch. Die Mitglieder der NABU-Ortsgruppe Burgwedel und Isernhagen e. V. haben seit ihrer Gründung immer wieder Grundstücke gepachtet oder gekauft, um der Natur Lebensraum zurückzugeben. Mittlerweile pflegt der Nabu in der Region Isernhagen und Großburgwedel rund 30 Hektar Wiesen- und Waldflächen. „Es geht darum, die Natur zu bewahren und sie so zu schützen, wie sie ist“, erläutert Dr. Christian Dulce, Vorsitzender des Ortsverbands Burgwedel und Isernhagen. Wenn die Natur in Ruhe gelassen werde, würden sich dort wieder seltene Pflanzen, Sträucher, Insekten und Vögel ansiedeln.

In diesem Jahr feiert der NABU-Ortsverband Burgwedel und Isernhagen sein 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass gab es für etliche Mitglieder vor Kurzem einen Tag der offenen Tür im NABU-Vogelschutzgehölz am Bahnhof Großburgwedel. Mehr als 60 Teilnehmer genossen in drei Gruppen coronakonform über den Tag verteilt bei strahlendem Sommerwetter die Besonderheiten dieser Naturoase des Vogelschutzgehölzes vor den Toren der Stadt. Nach den Führungen saß man mit Getränken und Bockwurst noch gemütlich beim Klönschnack zusammen und ließ die 50 Jahre Revue passieren.

Wahres Biotop

Das Vogelschutzgehölz in Burgwedel ist ein wahres Biotop, das der NABU nur für besondere Anlässe öffnet. Auf dem 1,6 Hektar großen Gelände mit seinen Wald-, Feucht- und Teichflächen brüten Kleiber und Meisen, tummeln sich Molche, sagen sich Füchse, Dachse und Marderhunde gute Nacht. Sogar die seltene und scheue Rohrweihe brütet dort häufig im Schilf. Das war nicht immer so. Als der NABU das Grundstück pachtete, gab es dort nur eine sandige und öde Fläche. „Als wir von dem geplanten Abriss des Schlauchturmes der Feuerwehr Großburgwedel 1973 erfuhren, war das für uns der Anlass, die ehemalige Sandgrube von der Realgemeinde Großburgwedel zu pachten“, erinnert Dulce.

Links: Blüte vom fleischfressenden Wasserschlauch. Rechts: Streuobstwiese mit Rainfarn, Karthäusernelke und Margeriten. | Fotos: Christian Dulce

Mit großem Engagement der Naturschützer und unter Einsatz von erheblichen Spendengeldern wurde der alte Feuerwehrturm, er diente der Feuerwehr zum Trocknen der Schläuche, in Großburgwedel abgebaut und auf dem Gelände des heutigen Vogelschutzgehölzes wieder aufgebaut. „Seitdem dient er im Dachgeschoss Schleiereulen und Turmfalken als Nistplatz“, freut sich Dulce. Hinzu kam 1977 noch eine 0,6 Hektar große angrenzende Streuobstwiese vom Realverband Kleinburgwedel und danach wurde das Gelände weitgehend der Natur überlassen. Seit 1978 gibt es einmal im Jahr einen Tag der offenen Tür, an dem je nach Wetter bis zu 150 Gäste durch das Gelände geführt werden. Die Naju (NABU-Jugendgruppe) nutzt das Gelände zu gelegentlichen Naturerlebnisstunden, ansonsten entwickeln sich in dem eingezäunten Gelände die verschiedensten Biotope und Ökosysteme.

Viele unterschiedliche Lebensräume

„Es ist erstaunlich, wie viele unterschiedliche Lebensräume sich auf einem derartig kleinen Gelände ausgebildet haben“, stellt Dulce fest. Am auffälligsten sei natürlich die Seenlandschaft am Grund der Grube, auf der Seerosen blühen und sich Frösche, Kröten und Molche, aber auch Ringelnattern, Gelbrandkäfer und viele Libellenarten wohlfühlen. In einem Teich blüht der seltene Wasserschlauch, eine fleischfressende Wasserpflanze. Das ausgedehnte Schilfröhricht bietet seit vielen Jahren der streng geschützten Rohrweihe sowie Rohrsängern einen Nistplatz. Auch Eisvögel kommen gelegentlich zum Fischen vorbei. „Da Röhricht und Buschwerk ohne menschlichen Eingriff alles überwuchern würde, muss im Herbst die Astschere und gelegentlich auch mal ein Bagger zum Freihalten der Flächen eingesetzt werden“, erläutert Dulce.

Wer Artenvielfalt erhalten wolle, müsse eben entscheiden, welchen Arten der Vorzug gegeben werden solle. Auch die beliebte Lüneburger Heide wäre heute als Naturlandschaft verloren, wenn man sie sich selbst überlassen würde. Dafür darf sich im Gehölz oberhalb der Sandabbruchkante der Baumbestand ganz frei entfalten, was er auch sehr abwechslungsreich tut. Auf der einen Seite überwiegt relativ lichter Kieferbestand mit geringem Bodenbewuchs, auf der anderen Seite eher Laubbäume wie Ahorn, Buche und Haselnuss mit ausgeprägter Krautschicht. Umgefallene Bäume bleiben, wo es möglich ist, liegen und verrotten als Totholz-Biotop. Drei Arten von Ahorn, Stechpalme und sogar eine Ulme haben sich angesiedelt. Ulmen waren früher als Rüster beliebt im Möbelbau, sind aber durch eine aus Amerika importierte Pilzkrankheit in den 60er-Jahren in Europa fast vollständig ausgestorben.

Im Untergrund der Kieferfläche haben sich Dachs und Fuchs einen großen Bau gegraben. Verschiedene Arten von Ameisen, hügelbildende und im Untergrund lebende, fühlen sich hier wohl. In den mehr als 60 Nistkästen ziehen jedes Jahr viele Vögel ihre Jungen groß. Trauerschnäpper, Baumläufer und Kleiber sind neben den bekannten Vögeln wie Meisen, Rotkehlchen und Drosseln regelmäßige Bewohner. Spechte bauen ihre eigenen Baumhöhlen, während Fledermäuse die für sie angebrachten Kästen gerne annehmen.

Rotmilan | Foto: Dieter Gottschalk

Rotmilan-Pärchen

Neu und außergewöhnlich ist ein Rotmilan-Pärchen, das seit zwei bis drei Jahren über Großburgwedel seine Kreise zieht und offenbar seinen Horst in eine der hohen Kiefern am Rand des Vogelschutzgehölzes gebaut hat. Auch wenn die Vögel am Horst bisher nicht beobachtet werden konnten, sind die im Nest mitverarbeiteten langen Plastikfolien typisch für den Milan. Ob sich Milan und Rohrweihe in Zukunft miteinander vertragen werden, wird zu beobachten sein. Beide sind streng geschützte Arten. Zum Schutz der Milan-Population in Europa trägt Deutschland sogar eine besondere Verantwortung, da ein Großteil des Gesamtbestandes von etwa 20.000 bis 30.000 Paaren in Deutschland beheimatet ist.

Auch die Streuobstwiese hat sich über die Jahre zu einem Kleinod entwickelt. Die Bäume – alte Apfel-, Zwetschgen- und Pflaumensorten – sehen zwar nicht gerade spektakulär aus, aber das ist kein Wunder, auf dem reinen Dünensand bekommen sie einfach nicht genug Wasser. Dafür ist die Trockenwiesenvegetation außergewöhnlich reichhaltig. Dieser Bodentyp ist in unserer Gegend sehr selten geworden. Über 72 Pflanzenarten sind anzutreffen, davon einige streng geschützte Arten wie Heide-, Karthäusernelke und sogar Stendelwurz (eine Orchideenart). Das Angebot an Blütenpollen und Nektar ist so reichhaltig, dass sich viele Arten von Wildbienen, Schlupfwespen und Schmetterlingen wohlfühlen. Beim Gang zur selbst gebauten Insektennisthilfe und zur frisch angelegten Trockenmauer springen einem Mengen von Grashüpfern und Heupferden vor den Füßen davon. Wer genau hinschaut, sieht auch Wespenspinnen auf Beutejagd und eine Vielzahl von Käfern.

Schützenswerte Flächen

Auch wenn das Vogelschutzgehölz für den NABU Burgwedel und Isernhagen e. V. das Aushängeschild ist, hat die Ortsgruppe in den vergangenen 50 Jahren weitere Flächen gekauft und langfristig gepachtet – insgesamt über 30 Hektar. Dabei handelt es sich ausschließlich um besonders schützenswerte Flächen. Darunter sind Waldwiesen, Feuchtwiesen, auf denen teils Amphibiengewässer angelegt worden sind, ein absterbender Pappelwald als Totholzbiotop, ein Erlenbruchwald, der als geschütztes Biotop keinen anderen Käufer gefunden hat. Im letzten Jahr sind auch noch über zwei Hektar Pachtflächen von Landwirten hinzugekommen, die mit mehrjährigen Wildblumenmischungen für Insekten eingesät worden sind. Die regelmäßige Pflege all dieser Flächen ist und bleibt neben der Öffentlichkeitsarbeit wie Exkursionen und Vorträgen auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe der Mitglieder. Tatkräftige Unterstützung ist deshalb sehr willkommen. Der NABU Burgwedel und Isernhagen ist unter mail@nabu-burgwedel.de erreichbar. 

Tipps für Biotope im eigenen Garten

  • Teile des Gartens „unaufgeräumt“ lassen, altes Laub usw. ruhig liegen lassen – Würmer und Insekten lieben das. Sie sind Nahrung für Vögel.
  • Reisighaufen werden von Tieren gerne als Unterschlupf oder Wohnstätte genutzt.
  • Die meisten Wildbienen leben in Erdlöchern, ein sonniger Sand- oder Steinhaufen ist Lebensraum.
  • Kräuter und Blumen aus der Region sind ökologisch besser als „Exoten“ – z. B. über das Jahr beim Spaziergang Samen vom Wegrand sammeln und aussähen – viele Insekten sind auf bestimmte Wildpflanzen spezialisiert.
  • Abgeblühte Stauden über Winter als Überwinterungsstätte für Insekten stehen lassen und erst zu Beginn der Vegetationsperiode abräumen.
  • Selbst kleine Wasserflächen oder Wasserschalen nutzen Vögel und Insekten zum Trinken; Amphibien bevorzugen Teiche ab 1 m2 und > 80 cm Tiefe (Frostschutz im Winter).
  • Nisthilfen für Vögel, Insekten, Igel sind nur sinnvoll, wenn auch das natürliche Futterangebot in der Gegend stimmt.

Text: Ingrid Hilgers

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