Neues aus alten Pferdedecken – Nachhaltigkeit im Reitsport

29. April 2021 / Nachhaltigkeit

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Abschwitzdecke, Fliegendecke, Regendecke, Stalldecke oder Outdoordecke, für den Sommer, den Winter oder den Übergang – die Vielfalt an Modellen von Pferdedecken ist riesig. Sie sollen Pferde – je nach Funktion – vor Nässe, Kälte oder Insekten schützen. Eine Reparatur von kaputten Decken ist nur begrenzt möglich, weil unter jeder Reparatur die Wasserdichte und die Reißfestigkeit leiden. Im Durchschnitt wiegt eine Pferdedecke zwei Kilogramm und hat eine Größe von drei Quadratmetern. Ein großer Müllberg, der bei der Entsorgung entsteht. Doch es gibt eine Alternative zum Wegwerfen: die alte Pferdedecke wiederverwerten und ihnen ein neues Leben schenken. Wir haben darüber mit Nadja Anna Siever, Gründerin und Inhaberin von RE-qui, gesprochen. Die 23-Jährige aus der Wedemark fertigt in liebevoller Handarbeit Produkte für Hunde, Pferde und Menschen aus alten Pferdedecken.

radius/30: Nadja, was genau verbirgt sich hinter RE-qui?

Nadja Anna Siever: Der Name bedeutet Recycled Equipment. Wir machen aus gebrauchten und kaputten Pferdedecken neue Produkte für Hunde, Pferde und Menschen.

Wie bist du auf die Idee dazu gekommen?

Ich wollte mich parallel zu meinem Studium gerne selbstständig machen. Nähen ist schon lange eine Leidenschaft von mir und ich habe schon immer kleinere Produkte für Pferde angefertigt – ich war aber auch immer auf der Suche nach einem passenden Material. Ich bin auch im Alltag sehr konsumkritisch und versuche, auf Nachhaltigkeit zu achten und Müll zu vermeiden. Dann kam mir die Idee mit der Pferdedecke. Sie sind robust, langlebig und man kann eigentlich alles aus ihnen machen. Außerdem nehmen sie viel Platz weg, wenn man sie in den Müll werfen will.

Woher und wie bekommst du die Pferdedecken, die du dann verarbeitest?

Inzwischen hat sich eine richtige Community aufgebaut und ich bekomme Decken aus ganz Deutschland. Wer mir eine Decke schicken möchte, nimmt Kontakt zu mir auf und erhält bei Einsendung der Decke einen 10-Prozent-Rabattgutschein für RE-qui. Wenn die Decke bei mir ankommt, wird sie in der Pferdedeckenwäscherei Rosinante hier vor Ort gereinigt und aufbereitet. Und dann mache ich mich an die Arbeit und nähe daraus ein neues Produkt. Manche Deckenbesitzer sind einfach froh, wenn sie ihre Decke sinnvoll loswerden. Andere möchten genau daraus etwas schönes Neues haben. Manche schicken mir auch die Decke ihres verstorbenen Tieres zu, um eine schöne Erinnerung daraus machen zu lassen – das ist dann etwas ganz Besonderes.

Muss die Decke bestimmte Voraussetzungen erfüllen, dass du sie nimmst?

Eigentlich nicht. Eine schimmlige Decke musste ich mal entsorgen. Ansonsten kann ich auch Decken mit Löchern noch verwenden. Ich nutze dann das, was noch intakt ist. Auch beim Material schaue ich einfach, wofür ich es einsetzen kann. Aus Fliegendecken plane ich beispielsweise momentan eine Belüftung für eine Helmtasche. Reithelme müssen belüftet werden, da ist das Material der Fliegendecke ideal.

Weshalb eignen sich Pferdedecken so gut, um daraus neue Produkte zu machen?

Es gibt viele unterschiedliche Decken: Fliegendecken, Outdoordecken, Abschwitzdecken aus Fleece, Regen-
decken … Die Materialien sind unglaublich vielfältig. Aber alle haben etwas gemeinsam: Sie sind sehr robust und langlebig. Oft sind sie wasserabweisend. Und man kann aus ihnen eigentlich alles machen, was man sich vorstellen kann.

Das hört sich so an, als würdest du gerne tüfteln und neue Produkte entwerfen …

Ja, genau. Die Produktpalette wird stetig erweitert. Oft fällt mir in meinem Alltag mit den Pferden etwas auf, das fehlt oder das ich gerne optimieren würde. Ich hatte früher einige meiner Turniersachen in einem Eimer – das war nicht immer praktisch: Wenn es regnet und der Eimer im Freien stand, wurden die Sachen nass. Sie fielen leicht heraus. Und optisch war es auch nicht unbedingt ein Hingucker. Also habe ich eine praktischere Lösung entwickelt: robust, verschließbar, wasserabweisend und leicht zu reinigen. Daraus ist die RE-qui Bag entstanden.

Schlüsselanhänger, Leckerliebeutel, Duffle und RE-qui Bag – die Produktauswahl ist vielfältig und auf Wunsch individualisierbar.

Mir ist es außerdem wichtig, möglichst alles zu verwerten. Aus den Resten von den Tragetauen fertigen wir beispielsweise kleine Schlüsselanhänger. Auch eine Pferdedecke versuche ich, komplett zu verarbeiten. Auch die „Reststücke“. Deshalb sind auch kleinere Produkte entstanden wie die Leckerlibeutel. Viele Leckerli sind fettig oder krümeln in der Jackentasche. Um das zu vermeiden, habe ich die Leckerlibeutel angefertigt. Da habe ich mit dem Material experimentieren müssen: Damit die Leckerlis nicht herausfallen können, soll man ihn oben zuziehen können. Pferdedecken sind jedoch aus einem so festen Material, dass das Zuziehen schwierig war. Also musste ein Material-Mix zum Einsatz kommen. Das sind tolle Herausforderungen.

Was wünscht du dir für die Zukunft? Was ist für RE-qui geplant?

Die Produktpalette wird ständig erweitert. Es sind viele neue Produkte in Planung wie Sattelschoner oder Halfterschoner. Grundsätzlich wünsche ich mir, dass RE-qui weiterwächst und wir irgendwann fair bezahlte Arbeitsplätze im Handwerk in der Wedemark schaffen können. Und ich wünsche mir, dass das Thema Nachhaltigkeit im Reitsport noch deutlich präsenter wird, da ist nämlich noch viel Luft nach oben. 

Sonderpreis beim Gründungswettbewerb Startup-Impuls

Die Sparkasse Hannover und hannoverimpuls haben am Mittwoch, 24. März, die Gewinner des Gründungswettbewerbs Start-up-Impuls bekanntgegeben, bei dem Hannovers beste Geschäftsideen ausgezeichnet werden. Nadja Anna Siever gewann den Marketing-Sonderpreis im Gesamtwert von rund 5.000 Euro, den die Hannover Marketing & Tourismus GmbH vergibt. Damit will die HMTG den Mut zur Gründung gerade im B2C-Segment besonders unterstützen. Mit dem Preis sollen Marketingmaßnahmen und ein vierwöchiger Pop-up-Store finanziert werden.

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