ERST AUF DIE NASE, DANN HÄNDE SCHÜTTELN – TEIL 2

12. September 2017 / Magazin

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„Wir haben kein Problem miteinander“: Haselbacher und Sulkovsky. (Bild: Sita Seebach)

[Teil 1]

Sulkovsky: Die Personalkosten sind in der Tat ein großer Posten, die in einem Spielbetrieb auf einen zukommen. Der Schritt zur Professionalisierung muss getätigt werden, um für die Herausforderungen der heutigen Sportwelt gewappnet zu sein, die leider nicht mehr mit dem traditionellen Weg zu beschreiten sind. Wir haben vier Bausteine. Der erste: Die Entscheidung treffen, eine Werbung zu tätigen und die Kommunikation durch den Sport zu wählen. Der zweite ist die ganzheitliche Integration. Also genau das, was bei Geißler oder Schräpler passiert ist. Ich habe tatsächlich, als ich bei den Scorpions spielte, bei Schräpler auch meinen BMW gekauft. Und ich war nicht der einzige Scorpions-Spieler.
Haselbacher: Das ist schön, dass du mir das sagst. Jetzt kann ich meine Geschichte von Schräpler ein wenig ausweiten.
Sulkovsky: Ja, ich hätte ihn sonst wohl nicht gekauft. Es gibt empirische Studien, die besagen, wer in einer festen Partnerschaft ist, der treibt mehr Handel, als wenn dies nicht der Fall ist. Doch es gibt viele, die sagen, sie wollen was machen, aber kein Commitment treffen.
Haselbacher: Das geht nicht!
Sulkovsky: Wir predigen, diese Strategie in das Unternehmen zu integrieren. Dafür braucht man einen Beauftragten. Wenn sie niemanden im Unternehmen haben, der sich darum kümmert – wir können das. Das wäre der dritte Baustein. Der vierte Baustein ist, sich am Ende der Saison hinzusetzen und zu reflektieren, was passiert ist.

Lässt sich behaupten, durch die Unternehmensstruktur ist der Spielbetrieb bei den Indians risikoreicher?

Sulkovsky: Wir haben in den letzten drei Jahren komplett neue Strukturen geschaffen: mit mir als neuem Geschäftsführer, der in Vertrieb und Marketing ein größeres Netzwerk aufgebaut hat. Wie Jochen vorhin gesagt hat: Es geht um das persönliche Kennen­lernen. Und darum, die Interessenten davon zu überzeugen, unsere Idee in ihr Unternehmen zu integrieren. Die Erkenntnisse, die ich in den letzten vier Jahren gewonnen habe, hätte mir kein anderer Beruf gegeben. Ich habe Entscheidungsrecht, kann mich überall mit einbringen. Ich kann den Leuten ganzheitlich sagen, warum es Sinn macht, sich im Sport zu engagieren. Ein wichtiger Aspekt ist zudem: Beim Eishockey trifft man sich wöchentlich. Und nicht wie in anderen Sportarten alle 14 Tage. Dadurch ist die Bindung viel, viel größer. Man klatscht, umarmt sich, und irgendwann, weil man immer da ist, bemerkt man auch die Werbung wie im Falle Schräpler. Es ist immer die Frage, wie will sich ein Unternehmen integrieren und darstellen. Die Möglichkeiten beim Eishockey sind groß, es ist ein sehr emotionales Thema. Es ist nicht Mainstream, es ist ein besonderer Sport, bei dem keine irrsinnigen Ablöse-Summen gezahlt werden. TV-Gelder sind kein großes Thema, denn Eishockey ist im Fernsehen relativ schwer zu übertragen. Man muss schon die emotionale Stimmung im Stadion spüren, die Kälte, den Geruch …
Haselbacher: … und den Glühwein, der über die Jacke gekippt wird.
Sulkovsky: Ja, das gehört einfach dazu. Es sind junge Athleten, die alles dafür geben, zu gewinnen. Diesen positiven Aspekt, diese Arbeitsintensität nehmen Sie am nächsten Tag mit in Ihren Betrieb.

Wenn man Sie beide so reden hört, klingt alles wundervoll harmonisch. Ich hätte etwas anderes erwartet!

Haselbacher: Wir haben auch keine Probleme miteinander.

Das ist bei den Fans beider Lager aber an­ders. Dort die Sprechchöre „Kühe, Schweine, Wedemark“, dort „Wer war sechs Mal pleite?“ Letzte Saison haben die Scorpions den Indians-Kapitän Sebastian Lehmann in die Wedemark geködert, diese Saison wildern die Indians bei den Scorpions und holen die Identifi­kationsfigur Andreas Morczinietz? Das klingt nicht nach partnerschaftlichem Miteinander.

Haselbacher: Natürlich gibt es Rivalität. Aber zwischen Rivalität und Rivalität gibt es Unterschiede.
Sulkovsky: Die Geschäftsmodelle sind die gleichen. Der sportliche Part differenziert sich wieder. Das aber hat mit dem Businessmodell oder der Herangehensweise nichts zu tun.
Haselbacher: Was den Sport angeht: Wir haben bislang nur Reiben bekommen, das kann nur besser werden.
Sulkovsky: Wir wollen die besten Spieler haben, die beste Mannschaft sein. Das ist der Sinn, warum wir das betreiben.
Haselbacher: Ich sage Ihnen, warum wir Spieler aus der Region verpflichtet haben. Für uns sind das Kosten. Wir haben unsere Mann­schaft so gebaut, dass wir im letzten Jahr nur eine Wohnung bezahlen brauchten. Ich gebe einem Spieler lieber 500 Euro mehr, wenn er aus der Region kommt und möglicherweise ein Auto und eine Wohnung hat. Dann sparen wir viel Geld, das sind steuerfreie Vorteile. Das geht jetzt nicht mehr. Wenn wir nach vorne wollen, müssen wir weiterschauen. Für die nächste Saison haben wir bereits fünf Wohnungen angemietet.
Sulkovsky: Hier sieht man schön, wie betriebswirtschaftlich wir im Eishockey denken. Wir sind nicht mehr der Verein, der gnädig eine Spende annimmt. Wir sind Unternehmen, die sehr rational rechnen. Es wird sehr genau geschaut, was die Zahlen hergeben. Natürlich wollen wir mehr, aber der finanzielle Rahmen lässt es nicht zu. Jeder sportliche Erfolg muss mit dem finanziellen Erfolg Hand in Hand gehen. Viele Mannschaften sind sich mittlerweile dieser Erfahrung bewusst.

Aber es muss doch Reibungspunkte zwischen Ihren Vereinen geben, etwa bei der Sponsorengewinnung? Beispiel Sennheiser. Das Unternehmen ist ein Vor­zeigeunternehmen der Wedemark, der Firmensitz ist drei Kilometer vom Ice House entfernt. Sennheiser sponsert aber die Indians.

Haselbacher: Och ja, ich kannte den alten Professor Sennheiser. Die haben nie etwas gesponsert. Ich habe aber gehört, bei euch ist das eher zufällig gewesen.

Es gibt also doch Reibungspunkte?

Haselbacher: Na klar würde ich gerne Sennheiser als Sponsor haben.
Sulkovsky: Und ich hätte gerne Interwetten. Wenn die Wedemark ein gutes Auftreten hat und gut mit ihren Sponsoren umgeht, dann ist das so. Wenn ich keine Lust mehr habe, bei den Scorpions was zu machen, dann gehe ich halt zu den Indians.
Haselbacher: Und umgekehrt.
Sulkovsky: Ich sehe es eher so, dass wir uns ergänzen.
Haselbacher: Ich kann mich an kein Gespräch in all den Jahren erinnern, bei dem gesagt wurde: Bei euch mach ich gar nichts, ich bin bei den Indians.
Sulkovsky: In Sachen Vermarktung ist in den letzten Jahren viel passiert. Die meisten Fußball-Bundesligisten werden von fremden Dienstleistern vermarktet. Wir gehen da mittlerweile auch sehr professionell vor. Wir drucken eigene Businessbroschüren. Wir bieten Nischenmarketing an. Das ist fast schon eine neue strategische Beratung wie wir mit Werbe­treibenden im Bereich Kommunikation umgehen. Grafik, Foto, Text: All das bieten wir an. Wir müssen die Öffentlichkeit nur noch aufklären, dass sie bei uns alles aus einer Hand bekommt. Wir weisen den Leuten nach, wie viele Beiträge im digitalen Bereich gesehen wurden. Das gibt es in keinem anderen Sportverein. Ein Aufwand, den eigentlich auch ein Zweitbundesligist betreibt.

Wie sieht das bei Ihnen beiden mit der Nachwuchsförderung aus?

Haselbacher: Den ESC Wedemark haben wir 2008 als reinen Nachwuchsverein wieder gegründet. Hier sind wir teilweise sehr erfolgreich. Die Schüler etwa konnten letztes Jahr von 25 Spielen 25 gewinnen. Wir stellen aber fest, dass nur wenige Kinder von den Bambinis bis zur Jugend bei der Stange bleiben. Wir sind nun mit den Indians eine Kooperation eingegangen. Hier sind Mannschaften aller Altersklassen unter Leistungsgesichtspunkten zusammengeführt worden. Aber die Eltern sind komplizierter geworden, oft sind es Ein-Kind-Familien. Und das Kind ist das wichtigste. Wehe, der spielt nicht in der 1. Reihe, dann muss der Trainer sofort Rechenschaft ablegen. Dabei ist die Nachwuchsarbeit das A und O. Den Spieler, den ich aus dem eigenen Nachwuchs in die Mannschaft hole, der ist normalerweise der preiswerteste.

Profitiert der Ausbildungsverein davon, wenn der Spieler später Karriere macht?

Haselbacher: Wenn ein Nachwuchsspieler 100 Spiele in der DEL erreicht, dann muss an den Stammverein 50.000 Euro gezahlt werden.
Sulkovsky: Die Nachwuchsproblematik besteht seit jeher. Große Unternehmen wollen mittlerweile verstärkt den Nachwuchs und den Breitensport unterstützen, weil sich dadurch die Reichweite verändert. Auf der anderen Seite wird so dem Spitzensport Geld entzogen. Sprich: Den Kindern fehlen Vorbilder. Qualität kostet einfach Geld. Unser Stadionbetreiber will die Eishalle in Langen­hagen übernehmen. Das würde uns sehr helfen, den Nachwuchs besser zu fördern. Eine Professionalisierung ist wichtig. Gute Eishockey­trainer sind wichtig, aber die kennen ihren Marktpreis. Ich bin mir sicher, die Region würde auch zwei DEL2-Mannschaften vertragen.

Kommen Ihre Sponsoren eher aus dem regionalen Umfeld?

Haselbacher: Nun ja, unser Hauptsponsor kommt aus Österreich. Der Schwerpunkt aber liegt natürlich in der Wedemark. Doch je höher sie spielen, um so breiter werden die Kreise.
Sulkovsky: Was mich wundert: In der Wedemark gibt es mehrere große Unternehmen. Was hindert diese Unternehmen sich in einem regional starken Verein zu engagieren?
Haselbacher: Wenn du zu diesen Unternehmen gehst, bekommst du immer die gleiche Antwort: Ich bin schon bei den Roten.
Sulkovsky: Dabei reden wir nicht von 2 Millionen, im Eishockeysport ist mit 10.000 schon viel geholfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, viele Unternehmen wissen gar nicht, was Eishockey ist. Dazu braucht es Aufklärung. Eishockey findet zu wenig Beachtung in den Medien.
Haselbacher: In einer Gesellschaft, in der Fußball so meilenweit oben steht, ist das enorm schwierig.
Sulkovsky: Dabei könnten sich Unternehmen mit einem Bruchteil dessen, was sie investieren, bei uns viel prominenter platzieren. Vielen ist gar nicht bewusst, dass sie bei den vielen Sponsoren untergehen. Das muss man vielleicht besser darstellen. Entscheidende Formen der Kommunikation haben sich geändert. Früher gab es den Stammtisch, der Verein stand im Mittelpunkt. Das Vereins­wesen ist zurückgegangen, ehrenamtliche Arbeit ist zurückgegangen. Ich finde es fahrlässig, sich nicht eine Plattform zu suchen und diese zu bespielen. Die Digitalisierung ist so schnell. Tagtäglich ändert sich etwas in der Welt, man muss einfach up to date bleiben.

Sehen Sie es als Vorteil, dass Sie jetzt in einer Liga spielen?

Haselbacher: Im Augenblick würde ich mal sagen: Ja.
Sulkovsky: Doch, ja.

Anstelle von zwei Vereinen, die sich die Zuschauer wegnehmen, wäre es doch besser, wenn sich beide Vereine fusionieren würden, um das riesige Potenzial des Eishockey-Sports in Hannover auszuschöpfen?

Haselbacher: Da müssen wir uns noch mal treffen. Ich glaube aber nicht, dass es an den Vereinsspitzen liegt. Wir hatten damals das Thema schon recht weit vorangetrieben. Aber unter Fans gibt es Strömungen, die das Thema konsequent ablehnen.

Das sind Fronten wie bei Schalke und Dort­mund, 96 und Braunschweig?

Sulkovsky: Auch wenn es irgendwann sein sollte, dass einer der Vereine oben mitspielt, wird sich daraus wieder ein anderer Spartenverein gründen. Ein Zusammenschluss würde in meinen Augen gar nichts bringen.

Wie sehen Sie die Situation des Eishockeys in Hannover? Immerhin besuchten in guten Zeiten jede Woche fast 10.000 Zuschauer parallel die Spiele der beiden Mannschaften. Kann das bald wieder so werden?

Sulkovsky: Ich bin mir sicher, es gibt viele Eishockey-Sleeper. Aber auch so sind die Zahlen gut. Im letzten Jahr haben sich eine Viertel Millionen Menschen Eishockeyspiele in der Region Hannover angesehen. Dazu kommen bei uns über 100.000 Besucher beim öffentlichen Lauf.
Haselbacher: Ich stelle fest, wieder viele alte Gesichter zu sehen, die damals nicht in die TUI Arena gegangen sind und jetzt wieder in unsere Scheune kommen.
Sulkovsky: In der Region ist Eishockey eine gesettelte Sportart, die sich weiterentwickelt hat. Es haben sich kommerzielle Kapitalgesellschaften gebildet, die sich mit der betriebswirtschaftlichen Situation auseinandersetzen. Ich bin mir sicher, wäre damals um die Jahrtausendwende das Stadion in der Wedemark umgebaut worden, dann spielte hier und heute ein DEL-Verein.
Haselbacher: Die Gemeinde wollte nicht.
Sulkovsky: Aber das Potenzial ist da. Das Tolle am Eishockey ist, dass es eine Mannschaftssportart ist. Ein einzelner Eishockeyspieler kann kein Spiel gewinnen, weil er nach 40 Sekunden wieder vom Eis muss. Wenn man das auf ein Unternehmen ummünzt: Ein einzelner Unternehmer wird nie etwas alleine bewegen. Er braucht seine Mitarbeiter, nur als Team ist man stark.

Wo sehen Sie sich am Ende der Saison 2017/2018?

Haselbacher: Wir haben uns das Ziel gesetzt, die Playoffs zu schaffen.
Sulkovsky: Wir auch. Ich muss sagen, das waren bei uns letzte Saison sensationelle Playoffs (mit zwei Siegen gegen die Wedemark Scorpions, Anm. d. Verfassers). Aber wir würden gerne noch ein paar Plätze nach oben klettern.
Haselbacher: Wir könnten auf die Playoffs verzichten, wenn wir die Indians zweimal in der Punktspielrunde schlagen. Aber das ist jetzt nicht ganz ernst gemeint. //

Text: Bernd Schwope

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