Saison 2024: Hannovers neue Eiszeit

22. Mai 2024 / Lebensart

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Das wahre, beste Eis komme aus Italien, heißt es immer wieder. Oder vielleicht doch aus Hannover? Mehrere Manufakturen in der Stadt produzieren mit viel Aufwand, Kreativität und Liebe handgemachtes Eis ohne künstliche Zusätze. Die bunten Kugeln in den Waffeln schmecken – und machen Hannover zu einem Eldorado für Eis-Fans. Ein Besuch in fünf Eisdielen. 

Nicezeit in Linden und List – Ein gutes Eis braucht kein „Chichi“

Wer bei Nicezeit am Lindener Schmuckplatz sein Eis schleckt, kann durch eine Fensterscheibe direkt ins Eislabor blicken. „Wir haben keine Geheimnisse. Jeder kann dabei zusehen, wie bei uns Eis produziert wird“, sagt Jan Ziehme, einer der beiden Geschäftsführer: „Wir setzen auf reine und regionale Rohstoffe.“

Michael Kronlage hatte die beliebte Eisdiele 2019 gegründet und sie neben seiner Halbtags-Arbeit als Radiologe im Nordstadtkrankenhaus geführt – ein Mammutprojekt. Der Eis-Spezialist musste aufgeben, Ziehme übernahm die Eisdiele im Sommer 2022. „Ich war sofort begeistert“, sagt er. Zusammen mit Kollege Malte Modrow und seinen rund 30 Mitarbeitenden „spielt er Nicezeit größer“. In der List an der Podbielskistraße öffnete vergangenes Jahr ein zweiter Laden mit Eis to Go, ein drittes Geschäft ist bereits in Planung. Die mit dem Lieblingseis bestückten türkisen Eisfährräder können ebenso wie Mini-Eistresen für Veranstaltungen oder private Feste gemietet werden. „Mir ist wichtig, dass wir alle unsere Mitarbeitenden in diesem Saisongeschäft ganzjährig beschäftigen können“, erklärt Ziehme. Und natürlich sollen auch die Eis-Fans auf ihre Kosten kommen. „Am wichtigsten sind gute Zutaten“, sagt der Geschäftsführer. Die lässt sich Nicezeit dort, wo es geht, von regionalen Produzenten liefern – das Ziel: Die Lieferwege kurz halten. „Alleine wegen der Kühlung ist Eis kein nachhaltiges Produkt. Wir versuchen, es aber so gut wie möglich hinzubekommen“, sagt Ziehme. Im Verkauf setzt Nicezeit daher auf Pfandsysteme und abbaubare Verpackungen.

Nicezeit-Geschäftsführer Jan Ziehme zeigt das Rote-Beete-Eis auf einer dunklen Waffel im Eisladen am Lindener Schmuckplatz. 

Eis brauche kein „Chichi“, weiß man bei Nicezeit. Auch an der Waffel werde nicht gespart. Die bio-vegane Waffel vollendet den Eisgenuss. „Jeder Mensch freut sich, wenn er ein Eis bekommt. Das macht unseren Job so schön“, sagt Ziehme. Bald auch mit den Neu-Kreationen Erdbeer-Rhabarber und Banana Split.

Das kostet die Kugel: 2 Euro
Vegane Sorten: vorhanden
Meist verkaufte Sorten: Weiße Schokolade, Dark Choc (vegan)
Verrückte Sorten: Rote Beete, Matcha Crack (vegan)
Eisdielen: Velberstraße 15 (Linden-Nord), Podbielskistraße 6 (List)

Birne & Beere in der Calenberger Neustadt – die „Zeichen der Zeit“ erkannt

Wie in einer riesigen Wurst kommt das Schokoladen-Eis aus der Eismaschine. Mit einem Teigschaber verteilt es Julian Rakowski in Schüsseln, mit denen er ein Restaurant beliefern wird. „Ich bin bei der Produktion ganz nah dran. Das ist mir wichtig“, sagt der Birne & Beere-Gründer.

Keine Kugel – bei Birne & Beere wird das Eis in Portionen serviert.

In bewegten Zeiten direkt am Anfang der Corona-Pandemie startete Rakowski mit dem Verkauf. Mit einem Eisfahrrad fuhr er umher, seinen genauen Standort konnte die Kundschaft durch ein GPS erfahren. Heute sind weitere Eisfahrräder und eine Eisdiele in der Calenberger Neustadt hinzugekommen. „Was wir anbieten, ist richtiges Handwerk“, sagt Rakowski. Wenn er Käsekuchen-Eis produziert, dann backt Rakowski vorher echten Käsekuchen. Der wird dann zu Eis verarbeitet. Auch alle Soßen sind selbst gemacht. „Mit Blick auf den Klimawandel erkennen wir die Zeichen der Zeit. Wir produzieren möglichst emissionsarm und nutzen heimische, saisonale Früchte“, erklärt Rakowski. Das bedeutet manchmal auch Verzicht: So gibt es Erdbeer-Sorbet nur in der Erdbeer-Zeit, in Herbst und Winter gehen dafür dann Apfelmus- oder Birnen-Eis über den Tresen. Daher auch der Name von Julians Eismanufaktur: Die Birne stehe für eine Winterfrucht, die Beeren für den Sommer. Und noch etwas unterscheidet Birne & Beere von anderen Eisdielen. Das Eis wird hier nicht in Kugelform, sondern in vier Portionsgrößen mit mehreren Sorten serviert – einzeln abgewogen. „Ich möchte meinen Kundinnen und Kunden keine Luft verkaufen“, stellt Rakowski klar, der in der Hochsaison 25 bis 30 Mitarbeitende beschäftigt.

Wer die Eis-Kunst selbst erlernen möchte, kann bei Rakowski von November bis März „EismacherInnenkurse“ belegen – in Gruppen zwischen sieben und zehn Personen. In vier Stunden stellen die Teilnehmenden verschiedene Eis-Sorten her und können sie auch mit nach Hause nehmen. Das kostet 105 Euro pro Person. 

Das kostet eine kleine Portion: 2,80 Euro (ca. 1,5 Kugeln)
Vegane Sorten: vorhanden
Meist verkaufte Sorten: Streuselkuchen mit Fruchtsauce der Saison und Rhabarber
Verrückte Sorten: Käsekuchen, Quitte (vegan) oder Chai-Latte
Eisdiele: Calenberger Straße 43–45

KeQ in der Südstadt – hier gibt es nur veganes Eis

Arno Peukes schleppt seine neueste Eiskreation aus der Kälte des Gefrierschranks – Ganesh-Eis, benannt nach dem hinduistischen Gott mit dem Elefantenkopf. Der tiefgekühlte Eisblock schimmert gelblich-grün. Banane, Erdnuss, Kurkuma und Zimt sind die Hauptzutaten. Noch experimentiert Peukes an der Rezeptur.

Die Theke mit KeQ-Eis im Loseladen in der Südstadt

Ganesh gilt im Hinduismus als „Herr der Hindernisse“. Und vor einer Hürde stand Peukes auch, als er vor sieben Jahren Veganer wurde. „Das einzige, was ich vermisst habe, war Eis.“ Er nahm an einem Eismacherkurs teil und fing an, selbst veganes Eis ohne tierische Produkte herzustellen. Zusammen mit Duc Pham und Lou Beckmann eröffnete er in der Südstadt im Juli 2020 die Eisdiele KeQ (gesprochen: „keKuh“). Schon zwei Tage nach der Eröffnung waren alle Vorräte aufgegessen. „Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, erinnert sich Peukes. Heute ist in der Rehbergstraße nur noch das Eislabor. Am Stephansplatz verkauft der Loseladen Lola das KeQ-Eis. Wer es testet, stellt fest, dass das vegane Eis nicht großartig anders schmeckt als das normale mit Kuhmilch. Nicht immer war das so einfach: Ein leckeres veganes Vanille-Eis gelang Peukes erst nach einigen Anläufen. Statt Kuhmilch verwendet KeQ Hafer- oder Mandelmilch, die teurer ist. „Wir haben teilweise doppelt so hohe Produktionskosten wie andere Eisdielen“, sagt Peukes. Auch KeQ setzt auf regionale und saisonale Zutaten, möglichst Bio zertifiziert. „Die besten Ideen für neue Sorten kommen mir, wenn ich das Eis vom Labor zum Loseladen bringe und gerade Markttag ist“, sagt Peukes. So sei er inspiriert worden, Quitten-Eis herzustellen.

Für 16 Sorten ist Platz im Eistresen des Loseladens. Darüber hinaus serviert KeQ die kalte Kost mit einem Fahrrad. Ein besonderes Angebot gibt es für Kinder zwischen fünf und 13 Jahre: Für sie bietet Peukes Eismachkurse an. Das kostet 60 Euro für eine Gruppe bis zu drei Kinder.

Das kostet die Kugel: 2 Euro bis 2,50 Euro je nach Sorte
Vegane Sorten: Ausschließlich
Meist verkaufte Sorten: Marzipan-Mohn, Baunti (Kokos und Stracciatella), gesalzenes Karamell
Verrückte Sorten: Quitte
Eisdiele: Loseladen Lola (Stephansplatz 13)

Eislädchen in der List – kalte Experimente mit Leidenschaft

Wenn die Zitronen-Ernte aus Sizilien eintrifft, dann hilft die ganze Familie von Anar Aliyev mit. Tagelang wird geschält und gepresst, bis alle Früchte aufgebraucht sind. Sie seien das Geheimnis für den einzigartigen Geschmack des Zitronen-Eis in seinem Eislädchen in der List, sagt Inhaber Aliyev. Es sei nicht nur süß und sauer, sondern habe dank der italienischen Zitronen auch „eine salzige Note“. Aliyev hat sein Hobby im Wortsinne zum Beruf gemacht: „Das ist nicht nur mein Job, das ist meine Leidenschaft.“ Zu Hause habe er immer Eis gemacht, bis er 2018 sein erstes kleines Eislädchen in der List eröffnete. In einem Wettbewerb der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wählten ihn Leserinnen und Leser zu einem der beliebtesten Eisläden Hannovers. Das machte ihn aus dem Nichts bekannt. „Als der Anruf kam, dachte ich erst, jemand will mich veräppeln.“ Mitten in der Corona-Pandemie 2021 eröffnete Aliyev seine größere zweite Filiale in der Lister Meile. Zusammen mit seiner Schwester und seinem Schwager betreibt er den Laden zwischen Mosaiken aus Marokko und bunten Stühlen in Eis-Form. Das Eislabor im Sahlkamp ist allerdings alleine Aliyevs Reichs. „Hier lasse ich niemand anders rein“, stellt er klar und lacht.

Der Eismacher bezeichnet sich selbst als Perfektionisten. Das Wichtigste seien für ihn die Zutaten. In der Hochsaison fahre er fast täglich zu einem Bauern, um Rohmilch zu kaufen. Diese pasteurisiert Aliyev selbst: „Der Unterschied zu der Milch aus dem Großhandel ist riesig.“ Die Nüsse röste die eigene Mutter nach altem Rezept. Neben Frioli biete das Eislädchen als einzige Eisdiele in Hannover die teure Tahiti-Vanille an. „Wenn mir etwas schmeckt, überlege ich direkt, ob man daraus ein Eis machen kann“, sagt Aliyev. Auch Einflüsse aus seiner Heimat Aserbaidschan finden sich wieder – etwa beim Safran-Rosenwasser-Eis. Derzeit kreiert Aliyev ein Eis aus getrockneten Pflaumen und geröstetem Speck. „Das hat eine nussige Note.“
Das Wichtigste sei aber, dass es den Gästen schmeckt. „Wenn die Leute die eigene Arbeit schätzen – das ist mein Glück.“ 

Das kostet die Kugel: 2 Euro, einige Premium-Sorten sind teurer
Vegane Sorten: vorhanden
Meist verkaufte Sorten: Vanille, Pistazie, Karamell, Zartbitter, Schokolade
Verrückte Sorten: Safran-Eis mit Rosenwasser, Pinienkern-Feige, Cupuacu
Eisdielen: Lister Meile 54, Robertstraße 7 (beide List)

Frioli in den Linden-Nord – „Eis so natürlich wie möglich“

Das Lavendel-Eis leuchtet lila in der Eistheke von Frioli in Linden-Nord. „Das wollen sehr oft die Kinder haben, vermutlich wegen der Farbe“, sagt Tanja Metz und reicht einen Löffel zum Probieren an. Metz ist quasi die Pionierin der hannoverschen Eismanufaktur-Szene. Vor zwölf Jahren gründete sie die Eisdiele, die inzwischen mehrfach ausgezeichnet wurde. „Wir wollten ein Eis herstellen, das so natürlich wie möglich ist“, sagt Metz.

Denn das Eis-Angebot zu der Zeit hatte sie satt: Farbstoffe, industriell gefertigte Paste – darauf hatte die Frioli-Gründerin keine Lust mehr. „Mit unserem Eis wollen wir uns mit hochwertiger Qualität vom Standard abheben. Es soll aber trotzdem bezahlbar bleiben.“ Regionalität, Nachhaltigkeit sowie Tierschutz sind Metz und ihrem Team wichtig – von der Verpackung bis hin zu Eis und Waffel, die inzwischen auch vegan ist. „Wir lieben, was wir machen, und tun es mit voller Überzeugung“, sagt Metz. Einige Eissorten sind mit viel Arbeit verbunden: Beim Rumkugel-Eis wird zum Beispiel zunächst echter Rumkugel-Teig gebacken, der dann zu Eis weiterverarbeitet wird. „Das ist ein enormer Zeit- und Kostenaufwand. Unsere Gewinnmargen pro Eiskugel sind gering“, sagt Metz.

Rund 150 Sorten stehen inzwischen auf der langen Liste: Demnächst teste Frioli Bucheckern-Eis, das nussig schmecke. Außerdem werde an einem Eistee-Eis experimentiert. Manchmal entstehen neue Einflüsse aber auch von außen: Ein Hochzeitspaar wünschte sich Papaya-Limetten-Eis. Es schmeckte so gut, dass es inzwischen fest zum Sortiment gehört. 

Metz sucht auch nach Alternativen für den klassischen Zucker, testet für die Süße auch Birkenzucker oder Kokosblütenzucker. Und: Neben dem Eislädchen bietet Frioli Eis aus echter Tahiti-Vanille. Wer es probieren möchte, kann den Eiswagen von Frioli buchen. Bleibt noch eine Frage zu klären. Woher kommt der Name? „Das ist eine Erfindung meiner Mutter“, sagt Metz. 

Das kostet die Kugel: 1,80 Euro bis 2,60 Euro
Vegane Sorten: vorhanden
Meist verkaufte Sorten: Karamell, Amarena, Haselnuss, Schoko, Vanille
Verrückte Sorten: Milchreis, Earl Grey, Käsekuchen, Popcorn, Rose, Gurke mit Minze
Eisdiele: Stephanusstraße 8

Text und Bilder: Sascha Priesemann

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