In Deutschland gehört zu fast jedem zweiten Nachlass eine Immobilie. Jährlich werden dabei im Schnitt 470.000 Immobilien vererbt. Die daraus resultierende Erbschaftssteuer betrug im Jahr 2020 so viel wie nie zuvor. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftssteuergesetz ist jedoch der Erwerb von Todes wegen von Wohneigentum durch die Kinder des Erblassers steuerbefreit, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt die Voraussetzungen im Sinne dieser Vorschrift erfüllt. Hierbei ist in der Praxis strittig, wie die in der Vorschrift genannte „unverzügliche Selbstnutzung“ auszulegen ist.
Voraussetzung für eine Steuerbefreiung ist, dass das geerbte Wohneigentum, im Gesetz auch bebautes Grundstück genannt, im Inland gelegen ist, der Erblasser das bebaute Grundstück zu ausschließlich eigenen Wohnzwecken genutzt hat und der Erbe auch weiterhin beabsichtigt, das erworbene, bebaute Grundstück zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und das dann auch reell tut. Das Wohneigentum muss hierbei also den Lebensmittelpunkt des Erben bilden. Sofern diese Punkte zutreffen, gilt das Wohneigentum als „Familienheim“. Darunter können sowohl Häuser als auch Wohnungen fallen. Jedoch gilt für die Wohnfläche des Familienheims bei einer Erbschaft durch die Kinder des Erblassers eine Beschränkung in der Weise, dass die Steuerbefreiung nur bis zu einer Wohnfläche von 200 Quadratmetern zu gewähren ist, der darüberhinausgehende Teil ist zu besteuern.
Sowohl die Absicht zur Eigennutzung als auch der Einzug müssen allerdings unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen, was in der Praxis oft strittig ist. Nur wenige Hinderungsgründe, wie zum Beispiel kurzzeitige und notwendige Renovierungsarbeiten, können die nicht unverzügliche Selbstnutzung rechtfertigen. Sollte jedoch die Finanzverwaltung ein schuldhaftes Zögern unterstellen, dann kann dies ein Versagen der Steuerbefreiung nach sich ziehen, wenn der Vorwurf berechtigt ist. In letzter Konsequenz könnte dann für diesen Erbfall Erbschaftssteuer zu entrichten sein.
Das Finanzgericht Düsseldorf entschied am 10. März 2021 unter Aktenzeichen „4 K 2245/19 Erb“, dass in angemessener Frist die Absicht zur Selbstnutzung gefasst und dann der tatsächliche Einzug auch zeitnah umgesetzt werden müssen.
Das Finanzgericht Münster entschied am 24. Oktober 2019 mit Akenzeichen „3 K 3184/17 Erb“, dass im vorliegenden Fall die bloße Absicht zur Selbstnutzung und eine 18-monatige Vorbereitungshandlung, so wie die darunterfallende Renovierung eines Familienheims, kein Hindernisgrund sei und dass hier eine schuldhafte Verzögerung eingetreten war, die dazu führte, dass das Familienheim steuerlich nicht begünstigt wurde. Das Finanzgericht entschied weiter, dass ab Verstreichen von sechs Monaten der Erwerber glaubhaft darlegen müsse, wann er die Absicht der Selbstnutzung ergriffen hätte und inwieweit er zur Ausübung der Selbstnutzung nicht schuldhaft gehindert wäre.
Im Ergebnis heißt das, je länger der zeitliche Abstand zwischen Erbfall und tatsächlicher Eigennutzung ist, desto schwieriger wird es, eine Eigennutzung glaubhaft darzulegen und die Steuerbefreiung in Anspruch zu nehmen.
Allerdings ist zu beachten, dass das geerbte Familienheim für einen Zeitraum von zehn Jahren nach Eintritt des Erbfalls ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden muss. Ansonsten fällt die damalige gewährte Steuerbefreiung rückwirkend weg, sodass in der Konsequenz der Erbfall steuerlich neuaufgerollt wird. Zwingende Gründe können zwar eine Verletzung der o.g. Haltefrist rechtfertigen, unterliegen aber einer hohen Beweislast und sind sehr eng auszulegen. In jedem Fall hat der Erwerber die Pflicht, eine Verletzung der genannten Befreiungsvoraussetzungen dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
Wer nun ein Familienheim geerbt hat, sollte sobald wie möglich den Einzug planen und durchführen, sofern eine Steuerbefreiung in Anspruch genommen werden möchte.
zur person
Felix Stahl studiert Steuerrecht (LL. B.) und ist Steuerfachangestellter in der Kanzlei von Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Frank Bielefeld.
Text: Felix Stahl