Im Gespräch mit Thomas Strohmeyer, Geschäftsführer des Aspria Hannover
Im Interview verriet uns Thomas Strohmeyer, weshalb er nicht müde wird, Menschen zu Sport und Bewegung zu motivieren, und weshalb er selbst immer wieder trainiert – auch wenn er manchmal das Gläschen Wein auf dem Sofa vorziehen würde.
radius/30: Herr Strohmeyer, welche Rolle spielt Sport in der heutigen Zeit?
Thomas Strohmeyer: Ich würde „in dieser Zeit“ nicht nur auf Corona bezogen sehen, sondern habe Sport schon immer als wichtig erachtet, auch vor Corona. Wir leben in einer extrem komfortablen Zeit. Die technischen Errungenschaften machen es möglich, dass wir das Haus quasi nicht mehr verlassen müssen, sondern 24/7 zu Hause bleiben können. Selbst Lebensmittel können wir uns bis vor die Haustür liefern lassen. Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, morgens den Pyjama auszuziehen. Dieser Alltag hält allerdings ein Problem bereit: Unser Körper ist eine hocheffiziente Maschine. Wenn Muskeln nicht mehr benötigt werden, baut unser Körper sie schnell ab. Werden sie dann doch wieder benötigt, weil sich beispielsweise unser Lebensstil ändert, kann das schnell zu Problemen führen.
Übrigens würde ich das, über was wir sprechen, nicht als Sport bezeichnen, denn da misst man sich mit anderen wie beispielsweise beim Fußball als Mannschaftssport Mannschaft gegen Mannschaft – oder einzeln im Wettbewerb gegen andere Einzelkämpfer. Im Aspria misst man sich nicht in einem Wettkampf, sondern die psychische und physische Verfassung steht im Vordergrund. Es geht darum, besser zu leben und den Beeinträchtigungen des Alltags entgegenzuwirken.
Was sind Ihres Erachtens die größten gesundheitlichen Herausforderungen durch zu wenig Bewegung?
Kurz gesagt: Immunsystem, Rücken- und Gelenkprobleme, aber auch die nachlassende Mitarbeitergesundheit. Unser Immunsystem ist dank Masken und Abstand heute kaum noch Herausforderungen ausgesetzt, der Austausch von Knien und Hüften war noch nie so hoch wie vor der Pandemie. Nehmen wir zum Beispiel unseren Muskelapparat: Stellen Sie sich den Mast eines Segelschiffes vor. Er ist mit Seilen abgespannt und steht so sicher über dem Schiff. Ist eines dieser Seile zu locker, steht der Mast schief. Und genau so verhält es sich mit unserem Rücken: Lässt die Spannung durch fehlende Muskeln nach, neigt sich das Skelett in diese Richtung und verursacht Beschwerden. Dabei ist unser Ziel nicht, Muskelberge aufzubauen oder wie ein Athlet auszusehen. Aber ab einem gewissen Alter wird über Hausstand, Familie und Karriere die Gesundheit oft vernachlässigt. Der Muskelabbau schreitet aber mit einem Prozent pro Lebensjahr voran – das bedeutet, dass man mit 50 20 Prozent weniger Muskeln hat als mit 30, wenn man nicht entgegenwirkt.
Also nichts wie rein in die Joggingschuhe und los gehts?
Wer sich zwar bewegt, aber nur einseitig, wird ebenso Probleme bekommen. Jeder muss Verantwortung übernehmen für seine Gesundheit. Ein Spaziergang ist natürlich besser als nur zu Hause zu sitzen, aber wer sich mit 50 Joggingschuhe kauft und losrennt, wird schnell frustriert sein. Von Null auf Hundert führt nämlich oft ganz schnell wieder auf Null zurück. Das Fazit lautet dann meist: „Bewegung ist eben nichts für mich – hab ich ja schon immer gewusst.“ Deshalb mein dringender Rat: Lassen Sie sich von Experten beraten. Ist zu Hause die Waschmaschine kaputt oder hat unser Auto einen Schaden, lassen wir den Experten kommen oder fahren in die Werkstatt. So sollten wir es auch mit unserem Körper handhaben. Bei Aspria wurde ein Programm entwickelt, das spezifische Parameter prüft wie Bluthochdruck, Blutzucker, Wirbelabstand, Herz-Kreislauf-System, Kraft oder Flexibilität und diese mit einer WHO-Datenbank abgleicht. Daraus wird ein Körperalter ermittelt, auf dessen Basis ein Trainingsprogramm entwickelt wird. So ist jeder Mensch – völlig unabhängig von Alter und Trainingslage – gut aufgehoben und erreicht seine Ziele. Das Durchschnittsalter bei uns im Club liegt bei 50 Jahren und damit deutlich über dem Durchschnittsalter in Fitnessstudios, in denen oft ästhetische Ziele im Vordergrund stehen. Bei uns sind die Motive dagegen ein aktiver und gesunder Lebensstil. Wir können Menschen nicht helfen, länger zu leben, aber wir können ihnen helfen, eine hohe Lebensqualität zu erzielen. Wir sehen uns auch nicht als Ersatz für das Gesundheitssystem, aber wir sind eine Ergänzung und Prävention.
Was können wir denn tun, um unser Immunsystem zu fördern?
Wir können es unterstützen, indem wir an unsere Leistungsgrenzen herangehen oder Spaß haben in der Gruppe – es sind ganz viele Faktoren, die es stärken. Erholung ist ein ganz wichtiges Thema. Oder die Wechselwirkung von Wärme und Kälte, um herunterzukommen, bevor überhaupt Sport gemacht wird. Viele Menschen, die zu uns kommen, wollen beispielsweise gerne abnehmen, sind aber so angespannt und gestresst, dass jede Form von Bewegung zusätzlicher Stress ist. Da ist Frustration vorprogrammiert. Dieses Phänomen wird bei uns zum neuen Jahr mit den vermeintlich guten Vorsätzen immer besonders deutlich. Deshalb ist es wichtig, zum einen auf die Qualität zu schauen – was ist das beste Ergebnis –, aber auch auf die Quantität – wie viel Zeit ist überhaupt realistischerweise im Alltag für Bewegung? Extrembeispiele wie Askese führen nicht zum Erfolg, bewegt man sich dagegen regelmäßig, ist auch ein Gläschen Wein am Abend schneller verziehen. Und mit einem besseren Körperbewusstsein geht automatisch ein anderes Ernährungsverhalten einher.
Sie haben Wärme und Kälte zur Entspannung angesprochen – meinen Sie damit saunieren?
Genau. Saunieren ist keine Erfindung von Aspria, das gibt es seit vielen Jahrhunderten in allen Kulturkreisen: Herz und Kreislauf werden beim Abkühlen trainiert. Sie erreichen beim Saunieren Gefäße, die Sie sonst nicht erreichen. Es wirkt wie eine innere Massage des Körpers. Viele Mitglieder berichten uns, dass sie deutlich besser schlafen, wenn sie regelmäßig saunieren. Aber Sauna bedeutet auch immer Zeit für sich selbst, Bewusstsein und Achtsamkeit für den Körper und seine Bedürfnisse – Stress und Burn-out, also einfach eine massive Einschränkung der Lebensqualität, sind in unserer heutigen Zeit exorbitant angestiegen. Stress bedeutet, dass unser Körper Cortisol ausschüttet, um für Flucht oder Kampf vorbereitet zu sein. Da wir aber heutzutage nicht mehr flüchten oder körperlich kämpfen, wird das Cortisol nicht mehr abgebaut. Wenn wir im Alltag allerdings Mechanismen finden, um den Organismus und unser Nervensystem von Stresshormonen zu befreien, indem wir zur Ruhe kommen, Zeit für uns haben und uns moderat bewegen, erreichen wir eine erheblich Verbesserung unserer Gesundheit.
Wie halten Sie persönlich es mit Sport und Bewegung?
Ich finde Training nicht toll. Ein Glas Wein auf dem Sofa ist deutlich verlockender als eine Stunde schwitzend auf dem Laufband zu stehen. Aber das Gefühl danach ist einfach sensationell und treibt mich immer wieder an. Niemand kann das ganze Jahr über dasselbe Programm absolvieren und sich dabei verbessern. Wichtig ist Abwechslung. Und auch darauf zu hören: Wonach ist mir gerade? Was tut mir gut? Bin ich so gestresst, dass eine Yogastunde gut tun würde, oder brauche ich gerade die Motivation eines Kurses? Denn wenn die Tür hinter einem zugeht und der Trainer die Musik anmacht, bleibt man auch und zieht es durch. Manchmal ist es auch völlig in Ordnung, sich extern motivieren zu lassen, wenn die intrinsische Motivation mal nicht ausreicht.
Interview: Susanne Bührer