Seitdem das Gesundheitssystem unter Covid-Attacken leidet, werden auch lebenswichtige Transplantationen in großem Maße eingeschränkt. Fast die gesamte Aufmerksamkeit richtet sich auf die Covid-Patienten, andere Patienten rücken oft in den Hintergrund. Aber deutsche Kliniken ließen sich vom Transplantieren nicht stoppen.
„Leben oder sterben“
Marion L. litt an einer schweren Leberzirrhose unbekannter Ursache und im Januar 2020 wurde sie für eine Transplantation gelistet. Im Mai unterzog sie sich, trotz des großen Risikos, der Transplantation im Transplantationszentrum (TZ) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) – eine der größten Transplantationskliniken in Deutschland. Sie befand sich in einem kritischen Gesundheitszustand, der ihr nicht erlaubte, mit der Transplantation zu warten. Sie hatte Wasser im Bauch, Schlafstörungen und konnte sich kaum bewegen. „Für mich war eigentlich nur wichtig: leben oder sterben. Corona stand dabei völlig im Hintergrund“, berichtete Marion.
Während in der Mehrheit der Länder die Zahlen der durchgeführten Transplantationen im letzten Jahr rasant fielen und Transplantationen verschoben und abgesagt wurden, blieben in Deutschland die Zahlen ziemlich stabil.
„Dass Organspende und Transplantation in Deutschland jedoch insgesamt ohne die teils großen Einbrüche wie in anderen europäischen Ländern fortgeführt werden konnten, hatte mehrere Gründe,“ informierte die Organisation Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). „Zum einen wurde dank des andauernden Engagements in den Kliniken trotz der Coronakrise weiterhin an die Organspende gedacht. Zum anderen wurden frühzeitig mit allen beteiligten Institutionen Regelungen getroffen, um auch während der Pandemie die Sicherheit für die Empfänger im Organspendeprozess zu gewährleisten.“
Transplantationen – was sagen die Statistiken?
In anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in Spanien, sank die Transplantationsrate um 22 Prozent, in Tschechien um 10 Prozent (ähnlich wie in Deutschland) und in Polen um 36 Prozent. Die größten Einbrüche lassen sich in der ersten Coronawelle beobachten, wo beispielsweise in Österreich die Zahlen der durchgeführten Transplantationen um 40 Prozent und in Großbritannien um 68 Prozent sanken.
In Deutschland bekamen letztes Jahr 2.845 Empfänger eines oder mehrere Organe. Das TZ der MHH transplantierte im Jahr 2019 insgesamt 357 Organe und 321 im Jahr 2020. Dies bedeutet eine Senkung um „nur“ 10 Prozent. Die Verhältnisse zwischen den einzelnen Organarten blieben ähnlich. Im Jahr 2020 wurden im TZ der MHH 21 Herzen, 94 Lungen, 82 Lebern, 119 Nieren und 5 Bauchspeicheldrüsen transplantiert.
Worin liegen die Komplikationen?
Immunsuppressiva
Eine wichtige Rolle spielen die Immunsuppressiva. Immunsuppressiva sind Substanzen, die das Immunsystem unterdrücken. Sie werden unter anderem nach Transplantationen eingenommen, damit der Körper das neue Organ annimmt und nicht abstößt. Leider sind die Patienten während der Einnahme der Immunsuppressiva sehr krankheitsanfällig und ihr Organismus ist bedeutsam geschwächt. Deswegen stellt der Kontakt mit Covid ein enormes Risiko dar, das auch den Tod zur Folge haben kann und manche der Patienten starben nach einer Transplantation an Covid.
Covid-19
Bei der Transplantation darf sowohl der Spender als auch der Empfänger nicht mit Covid infiziert sein, was sich auch auf die Menge der durchgeführten Transplantationen ausgewirkt hat. Denn viele potenzielle Spender können wegen einer Coviderkrankung keine Organe spenden und viele Leute, die eine Transplantation brauchen, können sich ihr nicht unterziehen. So testet DSO alle Organspender auf Corona. „Wir transplantieren nur Organe, die nicht infiziert sind“, berichtet Dr. Nicolas Richter, Oberarzt in der MHH-Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie.
Spitzenreiter Deutschland
Dennoch setzten sich die Kliniken mit den erschwerten Bedingungen auseinander und Deutschland blieb in Sachen Transplantationen der Spitzenreiter. Marion L. ist ein Beweis, dass die Operationen auch trotz der Pandemie möglich sind und mit Happy End enden können. „Von der Operation zwickt es noch ein wenig hier und da, ansonsten fühle ich mich super. Ich hätte nie gedacht, dass das so gut läuft“, erzählt Marion.
Autorin: Aneta Bradová