Von Riesen, Wassernixen und anderen Gestalten: aus dem Sagenschatz der Region Hannover

12. November 2025 / Region

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Text: Johanna Ritter

Langsam werden die Tage kürzer und die Nächte länger. Herbstliche Nebelschwaden schleichen wie Geister übers Land. Wolken pusten bunte Herbstblätter über die Dächer von Hannover und bis ins weite Umland. Die Temperaturen sinken. Der Winter lauert schon. Bald streckt er seine kalten Hände aus und umhüllt alles, was ihm in die Quere kommt, mit einer glitzernden Decke. Nun wird es Zeit für ein warmes Getränk und ein Buch. Ein gemütlicher Platz auf dem Sofa oder im Lesesessel ist schnell gefunden. Die ersten Seiten aufgeschlagen und ab geht unsere Reise in die Schatzkiste der Sagen- und Geschichtenlandschaft kreuz und quer durch die Region Hannover.

Wir beginnen unsere märchenhafte Tour inmitten der Landeshauptstadt im Stadtteil Linden. Denn hier wohnte vor langer Zeit einmal eine Gräfin in einem Jagdschloss. Immer, wenn sie zur Jagd aufbrach, rief sie mit lauter Stimme: „Mir ist die Jagd lieber als der Herrgott im Himmel.“ Jahre später zog sie gemeinsam mit ihren zwölf Töchtern aus, um zu jagen. Da taten die jungen Damen es ihr gleich und riefen dem Himmel zudem entgegen: „Wenn wir immer jagen können, dann wollen wir nicht in den Himmel kommen“. Damit hatten die Töchter das Maß überschritten und sie verwandelten sich augenblicklich in zottelige Hunde. Unter grausigem Gebell zogen sie den Jagdwagen bis hoch in den Himmel und verschwanden für immer. Seitdem sausen sie durch Wolken, Winde und Nebelschwaden und niemand hat sie mehr gesehen. Es wird allerdings gemunkelt, dass sie mit ihrem Gefährt zur Christnacht um die Marktkirche brausen. Also Ohren auf für das aus der Ferne klingende furchteinflößende Gebell.

Noch immer hat der Winter uns fest im Griff. Mittlerweile ist es seit Tagen und Wochen schneidend kalt und Schnee hat die Region in einen weißen Mantel gehüllt. Beim Blick aus dem Fenster verlangt es uns nach einem Spaziergang. Wir wollen eine weite Winterlandschaft sehen. Daher verlassen wir die Stadt und statten dem Steinhuder Meer einen Besuch ab. Wir schauen über die von Schnee und Eis bedeckte Wasserfläche. Dabei erscheint es uns mehr als fragwürdig, ob hier tatsächlich einmal eine junge Frau edler Abstammung nach einer Schlittschuhfahrt von Schwänen aus dem zugefroren Meerbach gezogen worden sein soll. Wir ziehen den Kragen höher, wandern noch ein ganzes Stück weiter. Dabei meinen wir eine seltsame Gestalt mit einer Rückentrage zu sehen, in der ein kleines hutzeliges Männlein sitzt und uns verschmitzt anschaut. Wir wischen uns die Augen, blinzeln und schon ist diese Illusion passé. Noch einmal genießen wir das idyllische Bild der verschneiten Wasserfläche, dann verlassen wir den zugefrorenen Binnensee und fahren mangels herrschaftlicher Kutsche mit dem Auto weiter. Nach kurzer Zeit passieren wir den Ort Eilvese und halten Ausschau nach einer seltsamen Erscheinung. Unsere Augen suchen den mysteriösen Ohnekopf, der hier in den Wäldern herumspuken soll. Doch das kopflose Geschöpf gibt sich uns nicht zu erkennen. Ohne Zwischenfälle kommen wir in der Wedemark an.

Als wir aufgrund der glatten Straßenlage im Schneckentempo am Brelinger Berg vorbeizuckeln, fällt uns ein, dass dieser in Wahrheit das Hügelgrab eines Riesen ist, was wir einfach nur unglaublich finden. Wir fahren weiter über Land und lassen die eisige Landschaft an uns vorüberziehen. Erst an der Marienburg machen wir endlich wieder Rast. Wir steigen aus, schauen uns das prächtige Schloss, das im glitzernden Winterzauber wundervoll anzusehen ist, an und fühlen uns sofort in eine märchenhafte Zeit zurückversetzt. Dabei drängt sich eine längst vergessene Geschichte in unsere Herzen, die von zwei Liebenden handelt, die hier zu Stein geworden sein sollen. Diesem Drama wollen wir sofort den Rücken kehren und machen uns schleunigst wieder auf den Weg. Doch wohin soll unsere winterliche Reise als nächstes führen? Wir setzen uns den Maschsee als Ziel. Dort wollen wir einkehren, uns aufwärmen, auf den vereisten See schauen und es uns gut gehen lassen. Doch bei Heißgetränk und leckerem Essen spinnt sich tatsächlich noch eine allerletzte Geschichte ihren Weg in unser Bewusstsein. Gab es im schönen Maschsee nicht einmal eine böse Wassernixe, die Geschwisterkinder gefangen hielt? Wir wissen es nicht und treten den Heimweg an. Doch wir sind uns sicher, dass wir den Sagen und Geschichten der Region beizeiten ganz sicher noch auf die Schliche kommen werden.

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