„Ja, das ist so eine Sache. Es gibt diesbezüglich auf jeden Fall immer wieder Beschwerden von Nutzer:innen“, sagt Kathrin Körber von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Werbung in sozialen Medien, wie Facebook und Instagram, erweckt den Eindruck, als könnten diese Plattformen unsere Gedanken lesen. Zwischen einzelnen Beiträgen wird Werbung gezeigt, die oft zufälligerweise genau die Produkte präsentiert, welche beiläufig in Gesprächen erwähnt wurden. Zufall oder werden wir ausspioniert?
So werden Verbraucher:innen von Werbung in sozialen Medien getäuscht
Auf der ganzen Welt nutzen etwa 4,2 Milliarden Menschen soziale Medien. Genau wie Smartphones sind sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die meisten Menschen nutzen Apps, um auf diese Plattformen zuzugreifen. Durch sie konsumieren wir eine ganze Menge verschiedener Inhalte, zu denen oft auch Werbeanzeigen zählen. Eine Präsenz auf Social Media führt also auch zwangsläufig zu einem Konsum von Werbung und die Apps der jeweiligen Plattformen machen es den Nutzern:innen besonders schwer, genau diesen Anzeigen aus dem Weg zu gehen. Solchen Inhalten ist man nämlich schonungslos ausgesetzt, da sie zwischen ganz normalen Beiträgen im eigenen Instagram-Feed angezeigt werden. Eine solche Werbung soll besonders effektiv sein, wie die Personalmarketing-Agentur „Junges Herz“ auf ihrer Website bestätigt: „Auf den ersten Blick sehen sie wie ganz normale Instagram-Beiträge aus. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch, dass sie mit dem Begriff „Sponsored“ versehen sind. Oft enthalten diese Beiträge auch eine Call-to-Action-Schaltfläche. Dadurch soll der Traffic auf der Unternehmenswebseite oder die Anzahl der Conversions erhöht werden.“ Die Agentur verspricht außerdem, dass Zielgruppen so besser und direkter erreicht werden. Verbraucher:innen werden also bewusst getäuscht, um Werbung schwieriger entlarven zu können. Der Konsum passiert daher oft unbewusst, denn die meisten Menschen sind gar nicht aktiv auf der Suche nach Werbung. Sie möchten beispielsweise die neusten Bilder ihrer Freunde sehen und werden dabei mit werbenden Inhalten konfrontiert, die auf den ersten Blick wie ganz normale Beiträge aussehen.
Facebook verdient Milliarden durch Werbeumsätze
Bei über 21 Millionen Nutzern allein in Deutschland können so sehr viele potentielle Kunden erreicht werden. Es ist also kein Wunder, dass bei einer solch großen Reichweite viele Unternehmen auf dieser Plattform Marketing betreiben. Apps, die diese Werbungen letztendlich schalten, werden auch von Unternehmen geleitet. Sie sind kommerziell ausgerichtet und müssen daher Gewinne erzielen, um langfristig erfolgreich zu sein. In den meisten Fällen geschieht dies durch Werbeumsätze, was in einer solchen Branche auch ziemlich rentabel ist: 84,17 Milliarden US-Dollar erzielte Facebook im Jahr 2020 allein durch das Werbegeschäft. Das sind über 98 Prozent des Gesamtumsatzes und somit eindeutig die Hauptumsatzquelle des weltweiten Konzerns. Bei so viel Geld stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen nicht vielleicht schwach werden könnte und Mittel einsetzt, um Werbung noch zielgerichteter und damit auch erfolgreicher schalten zu können. Viele Nutzer:innen vermuten nämlich, dass Facebook Handy-Mikrofone einschaltet, um Informationen aus Gesprächen mitzubekommen. Immer wieder erhalten Nutzer:innen Werbeanzeigen von Produkten, über die sie nach eigenen Aussagen nur gesprochen haben. In einem offiziellen Statement gab Facebook, dem seit 2012 auch Instagram gehört, allerdings bekannt: „Das Handy-Mikrofon wird von Facebook nicht genutzt, um Werbung oder Beiträge im News Feed in irgendeiner Weise zu beeinflussen.“ Das Unternehmen sagt, die Facebook-App greife nur dann auf Mikrofone zu, wenn ein Nutzer dies der App vorher ausdrücklich erlaubt hat. Der Reality-Check beweist: Nach Installation der Facebook-App fragt diese den Nutzer tatsächlich nach diversen Berechtigungen. Unter anderem, um eben auf das Mikrofon zuzugreifen. Bei Instagram ist dies beispielsweise nötig, um Videos aufzunehmen. Solche Funktionen müssen aber aktiv genutzt werden, damit sich das Mikrofon überhaupt erst einschalten kann. Das bestätigen auch IT-Experten. Facebook streitet die Abhörungs-Vorwürfe ab und gibt bekannt, dass für personalisierte Werbung in erste Linie andere personenbezogene Daten gesammelt werden. Wie kommt es trotzdem zu dem Phänomen, dass viele Menschen das Gefühl haben, von ihren Handys belauscht zu werden?
Ein möglicher Erklärungsversuch könnte die selektive Wahrnehmung sein. Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf erklärt: „Unter dem Begriff „selektive Wahrnehmung“ verstehen wir, dass wir immer nur bestimmte Signale der Umwelt bewusst wahrnehmen, andere hingegen aussortieren. Wir wählen unbewusst das aus, was aktuell wichtig für uns und unser Überleben ist.“ Während viele Werbeanzeigen also an uns vorbeiziehen, weil sie von unserem Gehirn als irrelevant eingestuft werden, bleiben andere hängen, die unserem Gehirn als wichtig erscheinen. Wenn du dich also über Tassen unterhältst, wird danach eine Anzeige für eben diese mit einer größeren Wahrscheinlichkeit hängen bleiben als eine Anzeige für Autos. Dieses psychologische Phänomen kann erklären, warum bestimmte Werbeanzeigen eher wahrgenommen werden und somit den Eindruck vermitteln, als würden wir belauscht werden.
Wie kann ich mich als Verbraucher:in schützen?
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt: Likes oder Kommentare sollen sogar mehr Auskunft über eine Person geben, als es ein Audiomitschnitt jemals könnte. Solche Daten werden angeblich nur genutzt, um personalisierte Werbung in sozialen Medien zu schalten. Aber theoretisch geht da noch viel mehr. Das ist ein ganz anderes Problem und das Schlimme daran: Wir bekommen es nicht mit. Es kann also niemand garantieren, dass Facebook & Co diese Daten nicht auch für andere Zwecke nutzen. Daher ist es wichtig, sich selbst im Internet zu schützen. Das wird einem zwar oft gesagt, aber man vergisst viel zu leicht, wie viel wir in der Online-Welt unabsichtlich über uns preisgeben. Theoretisch kann sogar jede:r einzelne:r selbstständig nachprüfen, für welche Werbeanzeigen man laut Instagram am besten in Frage kommt. Dafür muss man in der App die Einstellungen aufrufen und kann dann über den Button „Sicherheit“ die Daten einsehen, welche Instagram über uns gesammelt hat. Allerdings kann man eben nicht überprüfen, was noch mit den Daten geschieht. „Viele Apps nutzen Mikrofone oder greifen auch auf das Adressbuch zu. Da muss ich mich einfach fragen: Will ich das? Ja oder nein? Man braucht ja nicht für alles sein Mikro“, so Kathrin Körber von der Verbraucherschutzzentrale. Wenn man das Mikrofon brauche, beispielsweise um eine Sprachnachricht aufzunehmen, dann kann es aktiviert und wieder deaktiviert werden. Frau Körber gibt abschließend den Tipp: „Am einfachsten ist es, das Mikro generell auszuschalten und dann individuell einzustellen. Letztlich muss man aber in jede App einzeln schauen und sich fragen: Was will ich ihr erlauben?“.
Autorin: Jil Bierend