Wir sind die mit der Kresse!

22. Mai 2024 / Wirtschaft

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Felix Neuendorf und Thomas Holzinger züchten in einer ehemaligen Bäckerei nährstoffreiche Mini-Pflanzen.

In einem Hinterhof in Linden-Süd züchten zwei junge Wissenschaftler Gemüsekeimlinge. Über die Idee des Start-up „Leevs“ und den Einzug der kleinen Stängel als Superfood in die großen und kleinen Küchen Hannovers. 

Auf einem Schild an der Haustür in der Plinkestraße 3 in Hannover/Linden steht „Leevs“, über einen kleinen Hof geht es in die Produktionsstätte. Die Wände in dem Raum sind weiß gefliest, es herrscht Gewächshausatmosphäre. In der Mitte stehen Regale mit Pflanzschalen, beleuchtet von langen Leuchtröhren an der Decke. „Dies hier ist Blutampfer“, zeigt Felix Neuendorf auf kleine rote Stängel. „Das ist unsere schickste Pflanze, sie wird gern als Deko-Element genutzt.“ Der studierte Umweltplaner weist auf eine andere kleine Pflanze: „Und dies sind Sonnenblumen.“

Neuendorf ist zusammen mit Thomas Holzinger Gründer von „Leevs“, der Farm für Microseeds. Wenn sie gefragt werden, was sie machen, lautet die erste Antwort: „Wir sind die mit der Kresse.“ Damit sind Gemüsekeimlinge gemeint. Die Idee stammt aus den USA, wo in vielen größeren Gemeinden inzwischen diese wertvollen Microseeds angebaut werden. Wertvoll deshalb, weil die kleinen Pflänzchen eine wesentlich höhere Nährstoffkonzentration enthalten. „Zehn Gramm Microseeds von Brokkoli enthalten so viele Nährstoffe wie 300 Gramm, die es im Supermarkt zu kaufen gibt“, erläutert Thomas Holzinger. 

Die Idee zu ihrem Start-up kam den beiden, die sich aus der Schulzeit kennen, in der Corona-Zeit. „Als Felix mir 2021 von der Idee der Greens erzählte, war ich sofort dabei“, erinnert sich der Hobbykoch, der nach seinem Studium der Biomedizinischen Technik lange Jahre in diesem Bereich als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. „Mein Vertrag war ausgelaufen, ich saß mit zwei kleinen Kindern zu Hause und alles war aufgrund der Corona-Bestimmungen zu. Als ich eine Dokumentation über die Micro Greens von zwei Kielern ansah, dachte ich mir, das möchte ich auch machen“, ergänzt Felix Neuendorf. Besonders schwierig sei es gewesen, eine geeignete Räumlichkeit für ihr Vorhaben zu finden, die klimatisiert werden kann und Wasser- und Abwasser-Anschlüsse besitzt.

Die beiden Gründer fanden nach langer Suche in einer ehemaligen Bäckerei die idealen Bedingungen für ihr Vorhaben. „Wir haben alles selbst umgebaut“, berichtet Thomas Holzinger und weist auf eine Ecke auf der linken Seite des lang gestreckten Raums. „Hier standen die Öfen, die wir herausgerissen haben.“ Nachdem alles eingerichtet war, starteten die beiden mit der Kaltakquise. „Wir haben die Restaurants persönlich besucht und unsere Produkte vorgestellt. Und wir sind einmal in der Woche über das Forum Marktschwärmer.de auf dem Markt in Ahlem. Privat-Kund:innen können unsere Microseeds über das Forum bestellen und dann dort abholen“, erklärt Thomas Holzinger und zupft ein paar rote Stängel zum Probieren. Tatsächlich schmecken sie wie die ausgewachsene Pflanze der roten Bete. Auch die anderen Sorten haben eine Geschmacksintensität, die bei der Größe von zehn Zentimetern erstmal überrascht. Zu dem Sortiment der Gemüsekeimlinge zählen Radieschen, Rettich, Rot- und Grünkohl, Erbsen, Koriander und Weizengras. Letzteres wird gern in Smoothies gemixt, ist nicht zuletzt wegen seines hohen Chlorophyll-Gehaltes sehr gesund und kann als einzige der Microseeds nicht unverarbeitet genossen werden. Alle anderen können in Suppen, für Burger, Salate und Bowls oder einfach so zum Snacken verwendet werden.

„Der Vorteil von unseren Pflanzen ist neben der Tatsache, dass sie sehr gesund sind, ihre klimaneutrale Produktion und ihre Regionalität“, betont Felix Neuendorf. Dabei legen die Wissenschaftler besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und haben lange überlegt, welche Verpackung geeignet ist. „Wir haben uns für diese Schalen entschieden, sie sehen aus wie Plastik, sind aber aus Biokunststoff. Und wir versuchen, mit möglichst vielen Kund:innen eine Mehrweglösung zu finden.“ Zum Schluss gibt’s noch eine Kostprobe, dieses Mal ist es Rettich. Klein, aber scharf und sehr lecker. 

Text und Bilder: Sonja Steiner

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