Frauen gehören an den Herd und Männer an den Arbeitsplatz. Ein Weltbild, wie es noch vor fünfzig Jahren gang und gäbe war. Die Frau kümmert sich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Der Mann geht arbeiten und bringt das Geld nach Hause. Tatsache ist: Wir haben uns von diesem völlig veralteten Bild zum größten Teil verabschiedet. Immer mehr Frauen finden sich heute im Berufsleben und in Führungspositionen wieder. Dennoch finden wir auch heute noch eine klassische Rollenverteilung.
Noch immer gibt es Berufsgruppen, denen das Klischee der typischen Arbeit für Männer anhaftet. Denken wir doch mal zurück an Werbespots, die genau dieses Klischee bedienen, wie etwa die Cola-Light-Werbung, die zum ersten Mal in den 90er-Jahren erschien: ein muskelbepackter Mann bei der schweißtreibenden Arbeit als Fensterputzer, auf der Baustelle oder als Handwerker.
Handwerk und soziale Berufe
Laut Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) sind mehr als 65 Prozent aller im Handwerk beschäftigten Personen Männer. Schaut man sich Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen an, sind drei Viertel der Beschäftigten Frauen. Man kommt um die Frage nicht herum: Hat sich das Weltbild nicht verändert und arbeiten Frauen noch immer „am Herd“, nur ist dieser Herd heute der Job als Erzieherin oder Krankenschwester? Und was hat es mit dem Klischee auf sich, Frauen könnten sich besser in dieser Berufsgruppe etablieren, weil sie als geborene Mütter dafür einen Instinkt hätten? Das würde im Umkehrschluss bedeuten, Männer könnten in sozialen Berufen nicht arbeiten, weil sie dafür angeblich nicht die psychische und emotionale Kompetenz haben.
Frauen in der Tech-Branche
Bei HERO – einer Handwerkersoftware aus Hannover – arbeiten wenige Frauen in einem IT-Unternehmen mit überwiegend männlichen Kollegen mit Kunden aus der Handwerkerbranche, die überwiegend männlich sind. Was sind ihre Antworten auf die Frage: Gibt es noch immer typische Männer- und Frauenberufe?
Ich bin eine Quotenfrau und das ist gut so.
Ricarda Plümpe, Product Ownerin & Member of the Management Board
Wir alle lieben Beförderungen. Wir alle lieben Wertschätzung. Entsprechend groß war die Freude, als mir bei HERO eine Management-Stelle angeboten wurde. Die Belohnung für die harte Arbeit und viel Resilienz. Ich habe viel Wertschätzung vom Management erhalten. Und zu guter Letzt eine Aussage, die ich sinngemäß beziehungsweise so wie sie bei mir ankam, wiedergebe: „Es ist schön, eine Frau im Management zu haben. Du sitzt hier wegen deiner sehr guten Leistungen – aber wenn wir weiterwachsen, ist es natürlich auch wichtig, eine Frau im Management zu haben. Stichpunkt: Frauenquote.“ Erster Gedanke: Autsch. Zweiter: Ich weiß, dass es nicht „so“ gemeint war. Dass ich wegen der harten Arbeit jetzt genau da bin, wo ich hingehöre. Vielleicht – ich habe mich lange Zeit meines Lebens als superrationaler Homo Oeconomicus betrachtet – hätte ich das an der Stelle der Person sogar selbst gedacht. Rational gesehen ist das ein sehr nachvollziehbarer Gedanke. Und dennoch ist das Thema auch ein emotionales. Ich erinnere mich an meine Jugend, in der ich zu meinem Vater gesagt habe, dass ich nichts von der Frauenquote halte. Dass ich wegen meiner guten Arbeit später Vorstandsvorsitzende eines Dax-Konzerns werden möchte und nicht, weil ich eine Frau bin. Mein Vater hat das anders gesehen, so wie ich mit zunehmendem Alter: Es schließt sich nicht aus. Vielmehr führt es dazu, dass Frauen, die mindestens eine gleichwertige Arbeitsleistung bringen, überhaupt die Chance erhalten, sich in einer Managementposition zu beweisen. Deshalb sag ich: Ich bin eine Quotenfrau und das ist gut so, auch wenn wir noch gar nicht den Zwang haben, eine Quote zu erfüllen.
Wenn es um Diversität im Team geht, ist Luft nach oben.
Maren Friesecke, Social Media Managerin
Innovation und Kreativität finden dort statt, wo vielfältige Blickwinkel zusammentreffen. Dazu gehört, unterschiedliche Menschen im Team zu haben, sei es beispielsweise in Bezug auf Geschlecht, Hautfarbe oder soziale Herkunft. Jedes Unternehmen sollte sich hinterfragen: Wer trifft hier die Entscheidungen? Und wer nicht? Wir haben viele intelligente und spannende Frauen in der Tech-Branche und bei uns im Team. Ich würde mir wünschen, dass das sichtbarer wird. Wir haben auf der anderen Seite auch viele verständnisvolle, aufmerksame Männer im Team, die ich sehr schätze, aber letztlich reicht das alleine nicht aus, um den Status quo zu ändern. Wenn es um Diversität im Team geht, ist meiner Meinung nach auch bei uns Luft nach oben – das gilt ebenso für die Managementpositionen. Gleichzeitig erlebe ich auch die offene Gesprächskultur bei uns. Das ist ein wichtiger erster Schritt.
Klischees gibt es nach wie vor.
Nora Hehr, PR & Key Account Managerin
Grundsätzlich muss ich sagen, Klischees gibt es nach wie vor. Und wenn ich mal nachzähle, mit wem ich täglich überwiegend in Kontakt bin, sind es zum sehr großen Teil Männer. Trotzdem wünschen sich gerade diese, dass wir präsenter werden. Bestes Beispiel hatten wir vor einigen Wochen. Unser Geschäftsführer Michael Kessler und ein Kollege waren zu Gast in einem Podcast. Die Macher dieses Podcasts sind zwei superherzliche Männer, mit denen wir zuvor einmal Kontakt für einen HERO Blogbeitrag hatten. Am Ende benötigten sie für die Veröffentlichung des Podcasts und Social Media noch ein Foto von den beiden Gästen. Auf diesem Foto sollten aber auch Maren Friesecke und ich zu sehen sein: „Das kommt besser bei den Handwerkern an, wenn Frauen zu sehen sind!“ Nun gehen da bestimmt die Meinungen auseinander. Die einen werden sagen: Ist doch nett, dass ihr mit auf dem Foto zu sehen sein solltet. Andere werden sagen: Wie sexistisch, vor allem, wenn ihr gar nicht in dem Podcast zu hören seid! Seien wir doch mal ehrlich: Was verkauft sich besser an den heterosexuellen Mann? Eine hübsche Frau mit einem Schlagbolzen in der Hand? Oder der Handwerker, wie man ihn sich in seiner Arbeitskleidung vorstellt? Allem haftet irgendwo ein Klischee an. Sowohl Männer als auch Frauen müssen sehen, dass wir alle voneinander nur lernen können. Natürlich werden einige Dinge immer in unseren Köpfen klischeemäßig haften bleiben. Wichtig ist es doch, dass wir alle unser Mindset erweitern. Denn meiner Meinung nach kann man nur so Erfolge verzeichnen!
das persönliche Mindset spielt eine sehr große Rolle.
Alexandria Sanasi, Customer Success Managerin
Wenn ich die Phrase „typische Männer- und Frauenberufe“ höre, muss ich leicht schmunzeln. Was genau sind denn „Männerberufe“ oder was sind „Frauenberufe“? Meiner Meinung nach spielt das persönliche Mindset eine sehr große Rolle dabei, wie wir selbst über unsere Rolle auf der Arbeit denken, uns darin fühlen und letzten Endes auch, wie wir uns gegenüber den Kollegen und Kolleginnen verhalten. Wenn wir uns selbst als eine Person in einer „männerdominierten“ Welt definieren, wirkt sich dies zwangsläufig auf unser Mindset aus und auf alles, was wir tun. Meistens sogar unbewusst. Jede Frau hat das Potenzial, genauso gut zu sein wie ein Mann! In der Arbeitswelt habe ich häufig erlebt, dass kompetente Frauen zu „leise“ waren, um zwischen den „ganzen Männern“ aufzufallen. Ich denke da nur: „Be bold, be brave and show what you’ve got!“ – Wenn wir diese Blockade von sogenannten „Männerberufen“ auflösen könnten, denke ich, dass viele Frauen ihr ganzes Potenzial viel freier, kreativer und stärker ausschöpfen könnten.
Text: Nora Hehr