Yu – kleiner Cobot mit großen Fähigkeiten

05. August 2021 / Digitalisierung

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Start-Up Yuanda Robotics aus Hannover entwickelt vielseitigen Helfer für den Mittelstand

Wie ein Greifarm eines Roboters sieht der in Grün und Grau gehaltene Cobot des Start-ups Yuanda aus, doch es steckt sehr viel mehr in der Erfindung des Start-ups Yuanda Robotics aus Hannover. „Cobots sind Roboter, die mit den Menschen kollaborieren, daher kommt der Name Cobot“, erklärt Christoph Kremsier, der seit 2018 Mitglied des jungen Unternehmens unter Leitung von Dr. Jens Kotlarski ist. In dem wie ein Multitool wirkenden „Yu“, wie der Yuanda-Cobot in der Firma liebevoll genannt wird, stecken vier Jahre Entwicklung, im Sommer soll er TÜV-zertifiziert auf den Markt.

Yuanda Robotics GmbH wurde 2017 aus dem Institut für mechatronische Systeme (imes) der Leibniz Universität Hannover heraus von Dr. Jens Kotlarksi, Prof. Dr. Tobias Ortmaier und Matthias Dagen gegründet. Dazu brachten vier Doktoranden ihr Know-how in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI), Bewegungssysteme, IT und Cloud mit ein. „Mit der Firma Shenyang Yuanda Aluminium Industry Group hatten wir von Anfang an einen starken Partner an unserer Seite, der uns zugleich die Freiheit gab, die Zukunft der Cobots neu zu denken und ohne begrenzende Vorgaben einen Roboter ‚auf der grünen Wiese‘ zu entwickeln. Yuanda ist die Firma, die in Peking die Fassade des sogenannten Vogelnests, des großen Stadions gebaut hat“, erläutert Kremsier. Wie ein großes Unternehmen wie die Yuanda Industry Group auf eine Kooperation mit Doktoranden der Universität in Hannover kommt? „Persönliche Kontakte aus dem Studium und der Ruf des Instituts für mechatronische Systeme in der Robotik brachten uns 2017 zusammen“, berichtet Kremsier, der Yuanda Robotics 2017 durch seine Masterarbeit zum maschinellen Lernen in der Bildverarbeitung kennenlernte. „Wir sind ein Tech-Start-up und bezeichnen uns alle als Robot-Creators. Allerdings kommen jetzt mehr und mehr neue Positionen hinzu, weil wir stetig wachsen – erst waren wir acht, inzwischen haben wir über 60 Mitarbeiter. Dabei bieten wir bis zu 15 Studierenden gleichzeitig die Möglichkeit, bei uns mitzuwirken – der Austausch mit der Uni ist nach wie vor eng“, fährt der 27-Jährige fort. Das Start-up habe damals bei „Null“ angefangen, nach dem Motto: Alles darf ausprobiert werden. „Das war sehr hilfreich! Wir haben uns alle Technologien in der Uni angeguckt und geschaut, was braucht die Industrie, was können die aktuellen Roboter und was sind die aktuellen Probleme.“ In der ersten Phase, die Kremsier mit einem Augenzwinkern als „Bastelbude“ bezeichnet, konnte jeder der Beteiligten seine Ideen spontan und kreativ umsetzen. „In dieser Zeit kam der Investor aus China zu Besuch. Das Gehäuse des Yu kam damals aus dem 3-D-Drucker und war aus Plastik. Bremse und Motor erhitzten sich während der Präsentation zunehmend und kurz nachdem der Besuch wieder gegangen war, schmolz das ganze Ding zusammen! Das war knapp“, erinnert sich Christoph Kremsier mit einem Lachen.

„Der erste Yu sah aus wie aufeinandergestapelte Klopapierrollen“

Seit 2017 hat sich bei Yuanda einiges getan. Jährlich wurde der Standort – kleine Büros in der Südstadt, die eher an eine Kanzlei als an ein Tech-Unternehmen erinnerten – gewechselt, um dem ständigen Wachstum und Platzbedarf des Teams gerecht zu werden. „2018 haben wir unsere ersten Roboter noch in einem ehemals als Archiv genutzten Raum eines Steuerberater-Büros zusammengebaut“, schmunzelt Kremsier. „Mittlerweile hat sich nicht nur unser Roboter von einem ersten Prototyp zu einem robusten Produkt entwickelt, auch unsere Organisation ist gewachsen. Wir haben in den letzten drei Jahren schlanke Prozesse entwickelt, die uns weiterhin dynamisch und agil arbeiten lassen. Wie diese Prozesse aussehen müssen und wie wir in und mit ihnen arbeiten wollen, war auch bei uns ein langfristiger Lernprozess und wird stetig weitergedacht.“

Der erste Prototyp des Yu wurde 2018 auf der HANNOVER MESSE präsentiert. „Da sah er noch so aus wie sechs aufeinandergestapelte Klopapierrollen“, erinnert sich der Ingenieur. „Wir hatten damals auf der Messe einen hohen Publikumsverkehr, alle waren neugierig. Und dadurch, dass man ihn anfassen und ausprobieren konnte, kamen schnell die ersten Kundenkontakte zustande.“ Seitdem hat sich Yu zu einem Tausendsassa entwickelt, der vieles kann, was ein herkömmlicher Roboter nicht leistet. „Er hat einen Tast- und einen Sehsinn und reagiert auf Berührung – das heißt, er ist in der Zusammenarbeit mit Menschen ungefährlich. Und er ist sehr bedienerfreundlich, weil er innerhalb kürzester Zeit startklar gemacht werden kann“, erklärt Kremsier. Je nach Aufgabe bohrt er Löcher oder legt Teile zusammen, wobei er je nach Bedarf mit verschiedenen Zusatzteilen ausgerüstet werden kann. „Das Tolle ist, dass der Yu so einfach zu bedienen ist wie ein Smartphone“, erzählt Christoph Kremsier begeistert. Mit der Kombination aus dem Menschen ähnlichen Sinnen und vor allem seiner Umweltwahrnehmung und einer intuitiven Bedienung sei Yu der perfekte Assistent, der sich ohne Robotik-Fachwissen bedienen lasse.

Yu wird durch Software für seine Arbeitseinsätze programmiert. Vielseitig und berührungssensibel ist er für die Zusammenarbeit mit Menschen konzipiert und zeichnet sich durch seine benutzerfreundliche Technik aus.

Yu mit Robotics Award 2020 ausgezeichnet

Für diese Innovation hat die Yuanda Robotics GmbH mit ihrem Yu sogar den renommierten Robotics Award der HANNOVER MESSE 2020 gewonnen. Die Jury aus Experten der Robotik hat 2020 erstmalig einen Roboter zum Gewinner ernannt. In den letzten 10 Jahren wurden eher einzelne innovative Komponenten oder Softwaretools ausgezeichnet, da die Entwicklungsschritte der Roboter für die Jury bislang keinen nennenswerten Quantensprung darstellten. „Wir sind sehr stolz, dass die Experten der Robotik unsere Entwicklung und Vorstellung eines Roboters honorieren, der den Menschen zukünftig in vielen Bereichen unterstützen kann“, betont Christoph Kremsier.

Als Zielgruppe für den Cobot nennt er kleine und mittelständische Unternehmen, weil „der Yu auch für kurze Produktionsphasen und kleinere Stückzahlen gut geeignet und im Produktionsprozess vielseitig einsetzbar ist.“ Mit dem Yu sei es sogar möglich, zwei Aufgaben wie etwa eine Qualitätskontrolle und eine Montageaufgabe an einem Tag durchzuführten. Denn der Cobot kann sich Aufgaben und das Umfeld merken und automatisch wiederfinden. „Yu muss eine Aufgabe nur einmal gezeigt bekommen und kann sie auch morgen noch ausführen, auch wenn ich die Position des Roboters leicht verändere“, erklärt Kremsier.

Enge Kooperation mit China

Nach wie vor arbeiten bei Yuanda mehrere Kollegen aus China und bis zur Pandemie gab es einen regen persönlichen Austausch zwischen den Ländern. Der findet zur Zeit Corona-bedingt rein virtuell statt. „Wir waren auch regelmäßig bei Yuanda in Shenyang und ich hoffe, wir können auch in diesem Jahr wieder dorthin“, berichtet Ingenieur Christoph Kremsier. Er findet die Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen und Kolleginnen spannend. „Wir ergänzen uns gut, weil wir hier in Deutschland eher planungsorientiert sind, in China ist hingegen alles schnelllebiger – dort werden Ideen schnell umgesetzt, aber auch schnell verworfen, wenn es nicht klappt. Wir haben viele Synergien gefunden.“ Es könne in der direkten Zusammenarbeit auch schon mal vorkommen, „dass ich ein genaues Bild im Kopf habe und wenn ich das vermitteln will, versteht der andere etwas ganz anderes“, erzählt er weiter. „Aber das muss jetzt nicht unbedingt an den verschiedenen Kulturen liegen, das kann auch überall anders passieren“, meint er.

Zur Zeit arbeitet Yuanda Robotics mit 15 Kunden aus verschiedenen Bereichen zusammen, die den Yu als Prototypen nutzen. Dazu gehören ebenso Unternehmen aus der Metallverarbeitung wie aus der Verpackungsindustrie und der Vorserienfertigung der Automobilindustrie. Gefertigt werden die Cobots hauptsächlich in China, eine kleinere Werkstatt gibt es aber auch am Firmensitz an der Carl-Buderus-Straße in Badenstedt. „Wir entwickeln den Yu ständig weiter und können uns vorstellen, ihn auch in der Pharma- und Lebensmittelindustrie sowie in der Altenpflege einzusetzen“, erzählt der junge Ingenieur, der sich keinen anderen Job vorstellen kann. „Wir können jeden Tag etwas Neues schaffen und haben viele Freiheiten, wobei uns Jens Kotlarski auf positive Weise pusht und leitet. Dabei haben wir alle dieselbe Vision – den Yu weiterzuentwickeln, damit ihn jede und jeder für sich nutzen kann!“

www.yuanda-robotics.de

Text: Sonja Steiner

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