Kolumbien während der Pandemie?

18. Juni 2020 / Erstlingswerk

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Geweckt von der kolumbianischen Polizei

Kim Wetzelt (23) war im kleinen, kolumbianischen Bergdorf El Cocuy, bevor sie am 19. März wieder in Deutschland einreiste. Nach dem Abschluss ihres Bachelorstudiums in Hannover entschied sie sich im November letzten Jahres, ihre Südamerikareise anzutreten. Zunächst startete Kim in Ecuador, wo sie auf einer autonomen Farm lebte. Danach erkundete sie Kolumbien und plante, weitere Teile des Kontinents zu erschließen. Aufgrund der Situation entschied sich die Rucksacktouristin, ihre Reise frühzeitig zu beenden und in die Heimat zurückzukehren.

Von Felix Kachel


Was war das Ziel deiner Reise?

Mein Ziel war es, eine lange Zeit zu reisen, um mich persönlich weiterzuentwickeln. Dabei wollte ich viel sehen, Spanisch lernen und neue Kulturen kennenlernen. Gleichzeitig wollte ich ein paar Projekte in Richtung Naturschutz starten. Der Plan war, Südamerika zu bereisen, aber ich hatte außer dem Hinflug und der Farm in Ecuador nichts gebucht, bevor ich eingereist bin. Ich hatte kein festes Ziel für meine Reise. Ich habe meine Pläne immer spontan angepasst an das, was ich gerade mache, und an das, was ich noch sehen möchte.

Wie hast du von den neuen Corona-Entwicklungen erfahren?

Ich wurde durch das Fernsehprogramm in den Restaurants über die ansteigenden Fallzahlen in China informiert. Das war aber so weit entfernt, da habe ich mir nie Gedanken drüber gemacht, dass das jemals irgendwo weiter weg ankommen könnte. Richtig aufmerksam auf das Coronavirus bin ich erst geworden, als die Einschnitte in Deutschland begannen. Eine Freundin hat mir mitgeteilt, dass sie komplett auf Homeoffice umgestellt haben und die Schulen geschlossen wurden. Dann habe ich mit paar Reisenden gesprochen, deren Bus nach Santa Marta storniert wurde. Das war das erste Mal, dass in Kolumbien irgendetwas wegen des Coronavirus gemacht wurde. Es gab keine Straßensperrungen, alle Läden waren offen.


Wie hast du die Situation in Kolumbien in deinen letzten Tagen vor Ort erlebt?

Ich bin 16 Stunden nach El Cocuy, ein Dorf ganz im Osten des Landes, dort ist ein Nationalpark, wo ich wandern wollte. Nachts um 2 bin ich angekommen. Morgens um 8 Uhr wurde ich dann im Hotelzimmer geweckt. Die Polizei stand vor der Tür. Die kolumbianischen Beamten behaupteten, ich müsse in Quarantäne, da alle Ausländer für zwei Wochen isoliert werden sollten. Das war sehr krass, da man vorher noch überhaupt nichts mitbekommen hat, sondern nur über Verwandte in Deutschland. Dann habe ich erklärt, dass ich mich seit fast drei Monaten in Kolumbien befinde und deshalb kein Corona eingeschleppt haben kann. Die Polizisten haben mir geglaubt. Ich durfte mich frei bewegen, aber der Nationalpark war dann auch geschlossen. Daraufhin bin ich direkt nach Bogota gefahren, weil ich schon wusste, dass ich zurück in die Heimat muss, ich kann hier nicht bleiben. Ich bin dann elf Stunden zum Flughafen gefahren und habe mich informiert, wie ich nach Deutschland zurückkomme.

Gab es Probleme bei der Ausreise am Flughafen in Bogota?

Der Flughafen war relativ leer bis auf den Schalter einer Fluglinie, dieser hatte eine sehr lange Schlange, weil viele Fluggesellschaften nicht mehr geflogen sind. Es gab immer unterschiedliche Informationen wie „In zwei Tagen wird der Flughafen komplett dich gemacht, dann fliegt nichts mehr“. In Ecuador und Peru waren die Grenzen sowieso schon dicht und der Flughafen in Lima auch. Dann war die Frage: Wie komme ich jetzt nach Hause? Es gab nur den Flug der Lufthansa, wo das Ticket 8.500 Euro gekostet hat, weil es Business Class war. Dann hatte man von einer anderen Fluggesellschaft erfahren, dass es noch einen Flieger für den Abend gab. Dort hätte das Ticket 2.200 Euro gekostet. Ich stand zwei Stunden an und hatte mich schon damit abgefunden 2.200 Euro zu bezahlen, da keine günstigeren Flüge verfügbar waren. Außerdem wurden ständig Flüge abgesagt. Du hattest im Internet Angebote gefunden und die waren am Ende nicht mehr da. Es gab superviele unterschiedliche Informationen und generell ein großes Drunter und Drüber. Letztlich habe ich den Flug verpasst, weil meine Kreditkarte keine 2.200 Euro ausgeben wollte, und übernachtete dann am Flughafen. Ich habe zum Glück am nächsten Tag einen Flug für 800 Euro bekommen, der war sehr spontan über Istanbul nach Frankfurt.

Hast du in deiner Situation bei dir oder anderen Panik verspürt?

Ich habe mich sehr sicher am Flughafen gefühlt, weil die Kolumbianer hilfsbereit und freundlich waren. Die haben keine Panik verbreitet. Vielleicht lag es auch daran, dass die Bevölkerung noch nicht wirklich viel davon wusste. Durch die abgesagten Flüge waren einige Urlauber aufgeregt und haben Angst verspürt. Alle Einheimischen, die am Flughafen gearbeitet haben, waren jedoch entspannt und haben versucht mit der Situation ruhig umzugehen. An deren Verhalten hat man nicht gemerkt, dass grad eine Pandemie ausgebrochen ist. Das gesamte Badezimmer und alle Türklinken wurden durchgängig von Personal gewischt und desinfiziert.

War es für dich die richtige Entscheidung abzureisen?

Anfangs habe ich noch gedacht, dass ich mich einfach während der Corona-Zeit auf einer Farm vier Wochen einquartiere und dann weiterreise. Aber wenn man sich jetzt die Entwicklung anschaut, war das nach wie vor die beste Entscheidung, die ich habe treffen können. Ich hatte viel Glück mit dem günstigen Rückflug.

Erstlingswerk

Dieser Beitrag ist Bestandteil der Kooperation von radius/30 mit dem 2. Semester des Journalismus-Studiengangs der Hochschule Hannover unter Leitung von Prof. Stefan Heijnk, der freien Journalistin Sonja Steiner, Programmierer René Aye von Pyropixel und dem DJV Niedersachsen.

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