Tierheim, Tierschutz, Turbulenzen

05. Juni 2020 / Erstlingswerk

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Tierschützer kümmern sich liebevoll um ihre Schützlinge.

„Es bleibt nur noch die Hoffnung, dass am Ende alles gut geht.“ Wie Tierschutz im Tierheim Burgdorf und bei Tierschutzorganisationen in Zeiten von Corona funktioniert.

Von Leonie Oldhafer

Es liegt der Geruch von Desinfektionsmittel in der Luft, in der Ferne bellen Hunde. Wer das Tierheim Burgdorf betritt, trifft zurzeit auf eine merkwürdige Stimmung. Besucher müssen zu Hause bleiben, Interessenten nur noch mit Termin vorbeikommen. Sich einfach so die Tiere anschauen – das geht nicht mehr. Corona macht keinen Halt vor dem Tierheim Burgdorf.

„Wir müssen draußen bleiben!“

Mit Mundmaske und Desinfektionsmittel bewaffnet, treten die 15 Mitarbeiter des Burgdorfer Tierheims ihren Arbeitsalltag an. Im Schichtsystem werden die etwa 104 Tiere des Heims gepflegt – an Kurzarbeit ist hier nicht zu denken. Ordnungsgemäß wird in den Teams Abstand gehalten und Hände gewaschen. 

Pia Stolzenberg ist neu im Burgdorfer Tierheim. Vor etwa vier Monaten kam sie als Praktikantin in das Heim und begann Anfang Mai ihre Ausbildung. Ein holpriger Start für die 20-Jährige. Eingeschränkt fühlt sie sich durch die ungewöhnlichen Bedingungen aber kaum. „Meine Aufgabe ist es, in allen Bereichen abwechselnd mitzuhelfen und viel zu lernen. Ich mache das, was die anderen auch machen. Nur das Desinfizieren von Türklinken kommt jetzt noch für uns alle dazu“, erklärt sie lächelnd. Zu ihrem Alltag gehört zum Beispiel das Füttern der Tiere oder Reinigen der Käfige und Zwinger. 

Aber auch wenn der Arbeitsablauf grundsätzlich gleich geblieben ist, macht sich im Tierheim Burgdorf doch ein bedeutender Unterschied bemerkbar. „Wir haben generell für Besucher geschlossen. Das ist langfristig schon ein Problem, da wir so kaum noch Spenden bekommen“, erklärt die Auszubildende. Vor der Pandemie seien oft Besucher mit Geld- oder Sachspenden ins Tierheim gekommen, das hat jetzt nachgelassen. In einem Spendenaufruf appellierte das Tierheim an die Burgdorfer, sie nicht zu vergessen. 

Das Tierheim Burgdorf besteht bereits fast 50 Jahre und finanziert sich seither hauptsächlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge des „Deutschen Tierschutzbundes Ortsverein Hannover“. Einen weiteren Teil leistet außerdem die Gemeinde, die für Fundtiere der Region Zuschüsse beisteuert. 

Hunde in der Quarantäne

Damit die Hunde des Tierheims nicht auf ihren Spaziergang und die Bewegung verzichten müssen, sind ehrenamtliche „Gassigeher“ trotz Corona im Tierheim willkommen – natürlich mit Anmeldung. Um jegliche zwischenmenschliche Berührungen zu vermeiden, werden die Vierbeiner kontaktlos übergeben. „Ich finde es wichtig, dass die Hunde gerade auch in dieser Zeit ihre Bewegung bekommen“, sagt Regina H.* und wedelt fröhlich mit der Hundeleine in der Hand. „Außerdem kann ich mich dabei auch etwas bewegen und einfach mal aus der Isolation herauskommen.“

Was für die Zweibeiner eine völlig ungewohnte Situation ist, gehört für die Vierbeiner im Burgdorfer Tierheim zum Alltag dazu. Die Auszubildende Pia gibt einen Einblick in das Leben in der Hundequarantäne.

Helfer mit Herz

Auch Helene Prinz hat sich bereits ehrenamtlich in verschiedenen Tierheimen engagiert. Die 21-jährige Studentin führte Hunde aus und entdeckte dabei, wie sehr ihr das Wohl der Tiere am Herzen liegt. „Ich hatte zwar das Gefühl, als Gassigeherin helfen zu können, aber damit war ich irgendwie nicht zufrieden“, beschreibt die Hannoveranerin die Situation. „Ich wollte etwas machen, bei dem ich das Gefühl habe, auch wirklich was bewirken zu können.“ 

Von Hannover bis nach Rumänien – die Asociatia Pro Animals ist über Grenzen vernetzt.
Von Hannover bis nach Rumänien – die Asociatia Pro Animals ist über Grenzen vernetzt.

Über eine Bekannte stieß Helene dann auf den Tierschutzverein „Asociatia Pro Animals“, eine Organisation, die sich hauptsächlich rumänischen Straßenhunden angenommen hat. Kurzerhand trat die Studentin der Sparte „Help broken Hearts e. V.“ bei. Dieser Teil der Tierschutzorganisation hat sich ausschließlich auf die Vermittlung von rumänischen Hunden aus privaten Tierheimen des Vereins spezialisiert. Das Besondere an der Organisation: Sie besteht nur online auf den Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram. Greifbar ist allerdings das private Tierheim des Vereins in Rumänien. Hier werden Straßenhunde aufgenommen und finden im besten Fall ein neues Zuhause. Die Vermittlung der Hunde spielt für die Organisation zwar eine große Rolle, das Ziel ist es allerdings, frei streunende Hunde vor den öffentlichen Tierheimen zu schützen.

2014 wurde in Rumänien ein Gesetz eingeführt, nach dem Straßenhunde eingefangen, in öffentliche Tierheime gebracht und nach einer Frist von zwei Wochen getötet werden dürfen.

Deutscher Tierschutzbund e. V.

Genau das versucht die Asociatia Pro Animals in Rumänien zu verhindern. „Am Anfang meiner Arbeit für „Help broken Hearts“ kam ich in die sogenannten Tötungsgruppen auf Facebook. Hier wurden dann eben die Hunde geteilt, die in den öffentlichen Tierheimen auf eine Adoption warten. Es schmerzt immer noch sehr zu sehen, wenn diese Tiere dann von den Listen genommen werden, weil die zwei Wochen Frist abgelaufen ist“, erzählt Helene. 

Die andere Seite der Medaille 

Ihre Arbeit in der Tierschutzorganisation öffnet Helene eine Tür zu einer Welt, die vielen unbekannt ist.

Dieser Vierbeiner sucht ein neues Zuhause.
Dieser Vierbeiner sucht ein neues Zuhause.

Mittlerweile ist sie Teil von etwa 250 Tierschutzgruppen auf Facebook und bekommt täglich zu sehen, wie Tiere gequält und misshandelt werden. „Das war mir anfangs nicht bewusst“, gibt die 21-Jährige zu. „Mehrmals die Woche sehe ich geteilte Videos, in denen Hunde am lebendigen Leib gehäutet oder verbrannt werden. Das ist bittere Realität.“ Abschrecken lässt sie sich dadurch allerdings nicht, im Gegenteil: „Es ist das Wissen, dass man etwas ändern kann, was mich antreibt. Es gibt nur eine Option, wie man gegen diese Grausamkeit angehen kann: nämlich aufstehen und helfen!“

Die Not in der Krise

Die aktuelle Corona-Pandemie hat die Arbeit sowohl in Rumänien als auch in Deutschland nicht vereinfacht. Adoptionsprozesse mussten eingestellt werden, Besichtigungstermine für zukünftige Hundebesitzer müssen per Videotelefonie abgehalten werden. Für den Tierschutzverein war das allerdings nicht das größte Problem. „Corona hat uns sehr geschadet. Zwischenzeitig konnten die Tierheime nicht mit Futter beliefert werden und die Hunde mussten hungern“, berichtet die Studentin. „In Rumänien herrscht außerdem der Irrglaube, dass Hunde Corona übertragen. Unzählige Familien setzen die Tiere dann einfach vor die Tür“, erzählt sie weiter. So entsteht das Problem, dass sowohl die privaten als auch die öffentlichen Tierheime mit einem Platzmangel zu kämpfen haben. Kein Futter, wenig Platz und immer mehr Hunde, so beschreibt Helene die aktuelle Situation. Doch Aufgeben wollen weder die Mitarbeiter vor Ort noch die ehrenamtlichen Unterstützer des Vereins. 

Man muss in kleinen Schritten denken. Tag für Tag. Woche für Woche, immer darauf konzentriert, die Leben der Hunde zu retten. Es bleibt nur noch die Hoffnung, dass am Ende alles gut geht.

Helene Prinz, Mitglied der Help broken Hearts e. V.

Die Deutschen helfen mehr

Es gibt noch eine weitere Hoffnung, die Helene bei ihrer Arbeit motiviert. Schon oft wurde sie gefragt, warum sie sich nicht im Tierschutz in Deutschland engagiert. „Dadurch, dass ich auch hier gearbeitet habe, habe ich gelernt, dass die Mentalität des Helfens in Deutschland viel höher ist als im Ausland.“ 

Diese Mentalität zeigte sich auch bei Spendenaufrufen der Organisation. Mit dessen Erlösen konnte Futter für eine ganze Woche finanziert werden, was die Asociatia pro Animals als Erfolg feiert. Der größte Erfolg für Helene war allerdings ein anderer: „Durch einen meiner Posts auf Instagram hat ein Hund namens Mici in Deutschland ein neues Zuhause gefunden.“ 

*Name ist der Redaktion bekannt

Erstlingswerk

Dieser Beitrag ist Bestandteil der Kooperation von radius/30 mit dem 2. Semester des Journalismus-Studiengangs der Hochschule Hannover unter Leitung von Prof. Stefan Heijnk, der freien Journalistin Sonja Steiner, Programmierer René Aye von Pyropixel und dem DJV Niedersachsen.

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