März 2020: erster Lockdown. November 2020: Lockdown light. Dezember 2020: harter Lockdown. April bis Juni 2021: Bundesnotbremse. Wie ist es dem Einzelhandel in und um Hannover in der Corona-Zeit und während der Lockdowns ergangen? Und wie geht es heute? Wir haben Unternehmerinnen und Unternehmer aus unterschiedlichen Branchen zu ihren Erfahrungen befragt. In den ersten vier Teilen der Serie erzählen Julia Heuser von Liebe + Zeug, Anne-Luise Lübbe von der BH Lounge, Dr. Silke Walter von der Sonnen-Apotheke und Karl-Heinz Kahle vom Autohaus Kahle, was sie in den letzten Monaten erlebt haben.
In den Gesprächen wurde deutlich, dass die soziale Komponente während der Pandemie eine noch größere Rolle spielte als ohnehin schon – sowohl der Austausch mit der Kundschaft als auch der Zusammenhalt innerhalb der Teams. Außerdem wurde bei allen Befragten der „Selbstständigen-Spirit“ deutlich: Sie warteten nicht ab, sondern wurden kreativ und packten an – entschlossen, mit einfallsreichen Produkten oder neuen Vertriebswegen einen Weg aus der Krise zu finden.
Minzblatt: Kochboxen als kreatives Geschäftsmodell
Catering außer Haus oder Events in der Kochschule in Hannover – Minzblatt steht für frisch zubereitete Speisen mit regionalen und saisonalen Produkten. Das Besondere an der Kochschule: Alle Köche sind in den Ländern geboren oder haben dort gelebt, auf deren Küche sie sich spezialisiert haben. Tunesisch, indisch, peruanisch, ungarisch oder italienisch – die Vielfalt ist groß.
radius/30: Frau Röder, wenn Sie auf die letzten Monate zurückblicken – wie ist es Ihnen ergangen?
Sarah Röder: Es gab gute Zeiten und schlechte Zeiten … oder sagen wir so: Es war spannend und sehr herausfordernd. Wir sind ein junges Familienunternehmen. Im Oktober wurde das minzblatt als Fingerfood Caterer gegründet. Mit der Übernahme der Kochschule „Ma Petite Cuisine“ in der Davenstedter Straße in Linden-Mitte im Januar 2019 haben wir unser Angebot um Kochkurse und Veranstaltungen erweitert. Wir waren also ein kleines aufstrebendes Familienunternehmen, das plötzlich durch die Corona-Krise vor eine Herausforderung gestellt wurde. Dabei wollten wir doch gerade so richtig loslegen.
Die Corona-Zeit hat uns dann sehr getroffen und unseren Alltag stark verändert: weniger Arbeit, mehr Sorgen. Wir mussten unser komplettes Kerngeschäft einstellen – alle Kochkurse, Caterings und Events. Das hat uns als kleines Unternehmen vor eine wirtschaftliche Herausforderung gestellt und viele graue Haare wachsen lassen. Bei der Bekanntgabe des ersten Lockdowns saßen wir fassungslos zu Hause auf dem Sofa und haben überlegt, was wir jetzt machen sollen. Schließlich mussten wir unser komplettes Geschäft einstellen und hatten dann keine Einnahmen mehr.
Schnell mussten wir weiterdenken. Um diese wirtschaftliche Herausforderung zu meistern, haben wir uns kurzerhand ein neues Konzept überlegt: Wir möchten einen Teil der landestypischen Kochkurse zu den Kunden nach Hause bringen – in Form von Kochboxen ohne Abo. Die Kochboxen waren dann innerhalb von wenigen Tagen umgesetzt und bereits im April 2020 in Hannover unterwegs. Damit konnten wir uns nicht nur finanziell über Wasser halten, sondern haben auch viele neue Kunden kennengelernt, die wir heute teilweise auch in den Kochkursen begrüßen dürfen.
Aber die Zeit war nicht nur sehr herausfordernd für uns. Wir haben die freien Arbeitstage nutzen können, um nach und nach die Location zu modernisieren. Dies wäre im hektischen und vollen Tagesgeschäft so nicht möglich gewesen. Zudem konnten wir dieses Mal etwas Elternzeit mit unseren zwei Kindern (6 Monate und 3 Jahre) „nehmen“, die es sonst für Selbstständige nicht gibt!
Was sind die wichtigsten Learnings aus dieser Zeit?
Wir haben gelernt, dass gute Ideen, eine schnelle Handlungsfähigkeit und kurze Entscheidungswege essentiell sind. Hätten wir nicht so schnell auf die Situation reagiert, gäbe es das minzblatt vielleicht heute nicht mehr. Zudem hat uns die Krise nochmal stärker gezeigt, was für ein tolles Team wir haben. Durch die Zusammenarbeit mit unseren Köchen für die Kochboxen standen wir regelmäßig im Kontakt – teilweise noch mehr als zuvor, was sich zu tollen Freundschaften entwickelt hat. Das gesamte Team ist noch vollständig. Das ehrt uns sehr.
Wie denken Sie über die Corona-Politik in Hinblick auf staatliche Unterstützung?
Die zwei Lockdowns waren schwierig und herausfordernd, aber unvermeidbar. Wir waren froh über die finanziellen Unterstützungen, auch wenn diese in unseren Augen etwas zu bürokratisch und langwierig waren. Allerdings sind alle finanziellen Hilfen nahezu vollständig wie zugesagt ausgezahlt. Aber ohne ein kreatives Geschäftsmodell wie die Länder-Kochboxen wäre der Fortbestand des Unternehmens ungewiss gewesen.
Was würden Sie noch mal genauso machen, was vielleicht nicht mehr?
Sollte es tatsächlich nochmals zu solch einer Situation kommen, haben wir unsere Kochboxen in unserer Ideenkiste. Damit konnten wir auch im zweiten Lockdown schnell reagieren. Zudem ist die Kochbox inzwischen ein etabliertes „Mitglied“ in unserem Angebot, das auch nach dem Lockdown noch gelegentlich angeboten wird. Wenn wir für die Zukunft wieder eine Idee haben, würden wir auch diese so schnell es uns möglich ist, umsetzen. Es muss schnell reagiert werden, sonst reagiert jemand anderes.
Was wünschen Sie sich für die kommende Zeit?
Wir wünschen uns sehr, dass wir wieder unbeschwert Events ausrichten und kulinarisch begleiten dürfen.